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ADB:Winsbecke

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Artikel „Winsbecke“ von Albert Leitzmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 461–462, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Winsbecke&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 10:23 Uhr UTC)
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Winsbecke und Winsbeckin. Mit diesen Namen bezeichnet man, theilweise ohne genügende handschriftliche Gewähr, zwei mittelhochdeutsche strophische Lehrgedichte von sehr verschiedenem Werthe, Ermahnungen eines Vaters an seinen Sohn und einer Mutter an ihre Tochter enthaltend, deren eigentlichen Titel uns [462] vielleicht die Heidelberger Liederhandschrift als „Des Vaters Lehre“ und „Der Mutter Lehre“ erhalten hat. Nur der erste der beiden Namen hat historische Berechtigung; der zweite scheint willkürliche Bildung, die dem ersten Gedichte sein Gegenstück, das in Form und Inhalt sich als schwächere und farblosere Nachahmung erweist, auch in der Ueberschrift anähnlichen sollte. Der Verfasser des Winsbecken, dessen Name noch von Hugo v. Trimberg in seinem „Renner“ mit Anerkennung genannt wird, gehörte dem alten ritterlichen Geschlechte von Windsbach an, dessen Stammburg in dem gleichnamigen Städtchen an der Rezat, südöstlich von Ansbach, unweit Eschenbach und Grafenberg, den Heimathsorten der Epiker Wolfram und Wirnt, gelegen war. Glieder dieses Geschlechtes sind vom zweiten Drittel des zwölften bis in die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts mehrfach in Urkunden belegt, ohne daß der Dichter mit Sicherheit bestimmt werden könnte. Um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts starb das Geschlecht aus, und die Herrschaft kam 1292 an die Burggrafschaft Nürnberg. Die Zeit, in der der W. dichtete, kann nicht genau und nur relativ bestimmt werden: enge Beziehungen zu Wolfram’s Parzival lehren, daß dieser in den benutzten Theilen älter sein muß; mit einem Ansatz etwa um 1205–1215 wird man schwerlich fehlgehen. An das ganz in ritterlich-weltlichem Sinne gehaltene Gedicht ist dann von einem frommen Fortsetzer ein geistlicher Schluß angedichtet worden, der alle vorhergehende Lebensweisheit in mönchisch-asketischem Sinne aufhebt und vernichtet. In dem echten Theile des Gedichts versucht der W. (wie ähnlich kurz vorher der Verfasser des Lehrgedichts vom König Tirol) zum ersten Mal eine Reihe ethischer Betrachtungen mit besonderer Betonung der Ideale des Ritterthums im Rahmen einer selbständigen ausführlicheren Dichtung zu geben; seine Technik ist die altüberkommene einer Mahnrede eines Vaters an seinen Sohn. Ohne übermäßige Betonung der Frömmigkeit oder überhaupt einer geistlichen Weltanschauung erscheint seine Unterweisung einzig auf das praktische Leben und seine Ansprüche gerichtet, auf ein Leben mit klaren Sinnen und frischem thatkräftigem Wollen in und mit der Welt, dem, in diesem Sinne durchgeführt, auch die Billigung und Schätzung des höchsten Richters in der Ewigkeit nicht mangeln kann. Sein Stil ist von origineller Plastik, reich an eigenartigen Bildern, von einer gewissen erhobenen Feierlichkeit und ernsten Würde; in allem offenbart sich eine individuell ausgeprägte kraftvolle Persönlichkeit.

Der Winsbeke und die Winsbekin mit Anmerkungen von Moritz Haupt, Leipzig 1845. – König Tirol, Winsbeke und Winsbekin, herausgegeben von Albert Leitzmann, Halle 1888. – Leitzmann, Der Winsbeke und Wolfram, in Pauls und Braune’s Beiträgen 14, 149.