ADB:Wucke, Christian Ludwig
Prinz Bernhard von Sachsen-Weimar, gewogen war, kam er bald auf die Liste der Officiersaspiranten und würde wohl in der holländischen Armee sein Glück gemacht haben, wenn ihn nicht während des Lagerlebens in den sumpftgen Gegenden Südhollands ein Augenleiden befallen hätte, das ihn schließlich zum Verzicht auf die militärische Laufbahn nöthigte. Mit einem kleinen Ruhegehalte [126] kehrte er in die Heimath zurück und versuchte, dem Fortschritte seines Leidens durch ärztliche Behandlung Einhalt zu gebieten. Vergebens! Mit dem 35. Lebensjahre war er vollständig erblindet. In diesem schweren Unglück fand W. in der Dichtkunst eine Trösterin. Zufällig entdeckte ein alter Universitätsfreund Wucke’s, Dr. Friedrich Hofmann, diese stillverborgenen dichterischen Erzeugnisse und veröffentlichte in seinem „Weihnachtsbaum“ einige Proben davon. Sie fanden Beifall, und von nun an war W. eine Reihe von Jahren ein gern gelesener Mitarbeiter des Unternehmens. Dann wandte sich W. der Dialektdichtung zu, und zwar der Salzunger Mundart, die er vollständig beherrschte. Die Früchte vieljährigen Schaffens dieser Art gab er 1865 in dem kernigen und humorvollen Buche „Uiß miner Heimeth“ heraus, das eine zweite Auflage erlebte. Ende der 50er Jahre begann W. auch, eine Sammlung von Sagen, Märchen, Sitten und Gebräuchen des westlichen Thüringer Waldes, des Werrathales und des Rhöngebirges anzulegen. Ganz allein fuhr oder wanderte der blinde Mann hinaus über die Felder und Wiesen, in die Berge oder Waldungen und lauschte den Bauern, Hirten, Bergleuten, Jägern, Waldhütern und Kräuterweibern ab, was sie ihm erzählen konnten. Die urwüchsigen und in unmittelbarer Frische gehaltenen Ergebnisse dieser Forschungen legte W. in dem zweibändigen Werke nieder: „Sagen der mittleren Werra, der angrenzenden Abhänge des Thüringer Waldes und der Rhön“ (Salzungen 1864), das nach seinem Tode von Dr. Hermann Ulrich in erweiterter Form neu herausgegeben ward (Eisenach 1890–1891). Noch manche andere Erzeugnisse geringeren Umfanges flossen aus seiner Feder, z. B. eine Novelle „Der Jägerstein“, die erst aus seinem Nachlaß an die Oeffentlichkeit trat (Salzungen 1905). Wucke’s Grabstätte in Salzungen ist bedeckt von einem Basaltblock, den er einstmals selbst auf dem Oechsenberg dazu ausgesucht hatte; eine Marmortafel darauf trägt die Inschrift: „Ludwig Wucke 1807–1883“. Die hundertjährige Wiederkehr von Wucke’s Geburtstag ward 1907 nicht bloß in Salzungen festlich begangen, sondern es veranstaltete auch der Verein für Meiningische Geschichte und Landeskunde eine besondere Gedächtnißfeier in Hildburghausen zu Ehren des verdienstlichen Forschers und Sammlers.
Wucke: Chr. Ludwig W., Dialektdichter und Sagensammler, geboren am 28. Januar 1807 in Salzungen, † ebenda am 1. Mai 1883. Schon im J. 1814 verlor W. seinen Vater, einen aus Westfalen eingewanderten Apotheker und wuchs unter Aufsicht der strengen Mutter als Salzunger Bürgerschüler heran, bis er auf das Gymnasium in Meiningen gebracht wurde. Im Herbst 1826 bezog er die Universität Jena, um nach dem Wunsche der Mutter die Rechtswissenschaft zu studiren, gerieth aber als Vorstandsmitglied der Burschenschaft bald mit ganzer Kraft in die Wogen des geheimen patriotisch-politischen Treibens der Hochschule und fühlte sich daher, als ihn die Mutter nach Ablauf der akademischen Lehrjahre 1829 zurückberief, in seinen Fachkenntnissen nicht beschlagen genug, um die Staatsprüfung abzulegen. Mit dem Wanderstab in der Hand pilgerte W. nun in die Welt hinaus und hoffte zunächst bei einem begüterten Onkel in Westfalen Rath und Beistand für die Zukunft zu finden. Als seine Erwartungen dort nicht in Erfüllung gingen, zog er weiter nach Holland, wo eben (1830) der Krieg gegen die aufständischen Belgier entflammt war, ließ sich dort wider die Rebellen anwerben und rückte in kurzer Zeit zum Sergeanten auf. Da ihm der Höchstcommandirende,- Biographische Skizze aus der Feder von H. Ulrich zu Anfang der zweiten Ausgabe des Sagenbuches. – [L. Hertel,] Zum Gedächtnis; Ludwig Wucke’s, in der Hildburghäuser „Dorfzeitung“ 1907, Nr. 23. – Derselbe, Ein blinder Dichter und Dialektdichter, in der Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten 1907, S. 170–176. – Mit einer eingehenden Biographie ist der Seminarlehrer Honndorf in Hildburghausen beschäftigt.