ADB:Wulflam, Wulfhard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wulflam, Wulfhard“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 292–295, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wulflam,_Wulfhard&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 08:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wulflam, Bertram
Nächster>>>
Wulfram
Band 44 (1898), S. 292–295 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wulfhard Wulflam in der Wikipedia
Wulfhard Wulflam in Wikidata
GND-Nummer 138466912
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|44|292|295|Wulflam, Wulfhard|Theodor Pyl|ADB:Wulflam, Wulfhard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138466912}}    

Wulflam: Wulfhard W., in abgekürzter Form Wulf genannt, Bürgermeister von Stralsund, ältester Sohn des Bürgermeisters Bertram W., war in der Mitte des 14. Jahrhunderts geboren, und wurde, in Rücksicht auf seine hervorragende Begabung und Thatkraft, schon frühzeitig von seinem Vater in die städtische Verwaltung eingeführt, u. A. nahm er (1375) Theil an der Beilegung des Streites, welcher zwischen den Stralsunder Fischern und dem Cisterc.-Kloster Hiddensee entstanden war. Da er, solange sein Vater die Bürgermeisterwürde bekleidete, nicht in den Rath gewählt werden durfte, so wandte er seine Aufmerksamkeit anfangs mehr den Höfen der beiden pommerschen Herzoge Wartislaw VI. und Bogislaw VI. zu, welche ihn zu ihrem fürstlichen Rathe ernannten und seine Fähigkeiten in ihren Angelegenheiten verwertheten. Seit dem Jahre 1381 erhielt jedoch seine Thätigkeit eine andere Richtung, indem ihm die Hansa die Verwaltung des von Dänemark verpfändeten Schonens übertrug, eine Stellung, welcher er sich trotz der mit ihr verbundenen Schwierigkeiten bis zum Ablieferungstermin (1385) vollkommen gewachsen zeigte, indem er einerseits gegen die dänischen Ausschreitungen eine unerschütterliche Festigkeit, andererseits bei der übergroßen Sparsamkeit der hansischen Städte ein entschiedenes, oft schonungsloses Auftreten zeigte. Erleichtert wurde ihm seine Aufgabe theils dadurch, daß zwischen ihm und der Königin Margarethe ein gegenseitiges Vertrauen bestand, theils aber auch durch seines Vaters Bertram Einfluß, der damals noch mit leichter Mühe die eintretenden Verwickelungen zu lösen vermochte. Wulf verweilte jedoch (1381–85) nicht unausgesetzt in Schonen, sondern kehrte bisweilen auf längere Zeit in die pommersche Heimath zurück, und begab sich auch wiederholt zu den Hansatagen, wo er theils die von ihm als Gouverneur gemachten Auslagen eintrieb, theils im Auftrage der dänischen Königin mit den Städten gemeinsame Maßregeln gegen die Seeräuber berieth. Auch war er gegenwärtig, als Margarethe am 24. April 1384 mit dem Drost Henning von Putbus und den Reichsräthen Stralsund besuchte und das Versprechen gab, 9 Schiffe mit 100 Bewaffneten gegen die Seeräuber auszurüsten, wenn die Hansa gleiche Schritte unternehmen würde. Bei dieser Zusammenkunft soll es zu Streitigkeiten gekommen sein, bei welchen W. in Gegenwart der Königin das Schwert gezogen habe. Auch hielt man ihm aus dem Kreise von Sarnow’s Freunden und der Bürgerschaft vor, daß er unrechtmäßiger Weise in die Rathssitzung gedrungen wäre und dort mehrere Mitglieder mit Vorwürfen überhäuft, sowie daß er verschiedene Urtheile des Stadtgerichtes als widerrechtlich getadelt hätte. Noch größeren Tadel empfing sein Verhalten hinsichtlich des Schlosses zu Tribsees, welches zum Schutze gegen die Wegelagerer bestimmt gewesen sei, welches W. aber nur zu seinem eigenen Vortheile besetzt hielte und sogar mehreren Raubrittern als Asyl darböte, ohne daß sein Vater dagegen einschritte. Diese Vorwürfe, welche sich, betreffend den Uebermuth gegen die Rathsherren auf Zwist wegen der Schonischen Geldauslagen, hinsichtlich des Schlosses zu Tribsees auf Mangel strenger Aufsicht während seiner Abwesenheit in den nordischen Reichen beziehen und die zum Theil auch grundlos und übertrieben sein mochten, hatten anfangs noch keinen Einfluß auf Wulflam’s Ansehen und Auftreten, vielmehr feierte er selbst seine zweite Hochzeit mit großem Prunk und nahm auch an den Festlichkeiten Theil, welche der Bürgermeister Albert Gildehusen bei der Vermählung seiner Tochter Gertrud mit Wulf’s Bruder, Nikolaus W., mit einem [293] solchen Aufwande veranstaltete, daß Sarnow und dessen Anhang solches in der Beschwerdeschrift gegen W. (1392) als einen Bruch der städtischen Hochzeitsordnung bezeichneten. Dagegen litt sein und seines Vaters Ansehen und Ruf desto mehr in jener Zeit, als der in Gemeinschaft mit Margarethe unternommene Kreuzzug gegen die Seeräuber, dessen Commando (1385) an W. übergeben war, ohne wesentlichen Erfolg blieb, und als nun gar sein Gegner Sarnow (siehe A. D. B. XXX, 374) gegen die Freibeuter (1391) einen glänzenden Sieg errang, zugleich aber als Lohn dafür die Bürgermeisterwürde empfing und eine neue Verfassung mit einer bürgerschaftlichen Vertretung einführte, da erreichte die theils auf Neid und Haß gegen Wulf’s Ruhm und Reichthum, theils auf wirkliche Uebelstände gegründete Mißstimmung gegen beide Familien einen so hohen Grad, daß dieselben Vermögen und Freiheit, wenn nicht ihr Leben für bedroht erachteten und Stralsund verließen. Während Bertram W., der Vater, sich wahrscheinlich nach Lübeck begab, lebte Wulf am Hofe Wartislaw’s VI., bei welchem er das Amt eines fürstlichen Rathes bekleidete, und suchte in dieser Zeit die herzogliche Fürsprache zu Gunsten seiner Familie zu gewinnen. Als nun bald darauf die Hochzeit von dessen Tochter Sophia mit Heinrich I. von Braunschweig in Stralsund gefeiert wurde, scheint sich der Herzog auch für die Rückkehr Wulflam’s verwendet zu haben, doch blieb dieses Gesuch fürs erste ohne Erfolg, und konnte auch deshalb nicht mit dem wünschenswerthen Nachdruck unterstützt werden, da Wartislaw VI. bald darauf eine Wallfahrt nach Jerusalem unternahm. Auch die Vermittelung, welcher sich sein Sohn Barnim VI., solange er den Vater während dessen Abwesenheit vertrat, beim Rathe unterzog, blieb vergeblich, ermuthigte W. jedoch, mit seinen Brüdern Bertram und Nikolaus, Gildehusen’s Schwiegersohn, unter der Zusage freien Geleits nach Stralsund zu reiten, wo er vor dem Thore eine Zusammenkunft mit einer Deputation des Raths und der Bürgerschaft hatte, bei welcher er eine ehrenvolle und straffreie Rückkehr seines Vaters verlangte. Da man ihm solche rücksichtslos verweigerte, gerieth W. in großen Zorn, von dem beherrscht er anfangs die Stadt mit einer Fehdeankündigung bedrohte; dann aber bei ruhiger Ueberlegung verwandelte sich sein zürnendes Ungestüm in kalte Berechnung und dauernden Haß namentlich gegen Sarnow und seine Freunde, an denen er blutige Rache zu nehmen beschloß. Zu diesem Zwecke vereinigte er seine Bemühungen mit denen seines Vaters und seiner Brüder auf den Hansatagen und erlangte endlich auch eine unbedingte Restitution. Leider erlebte sein Vater Bertram diese Genugthuung nicht mehr; um ihm jedoch eine nominelle Ehre zu erweisen, ließ er den Sarg desselben nach Stralsund überführen und dort auf den Bürgermeistersitz im Sessionszimmer aufstellen zum Zeichen, daß der Verstorbene in seine frühere Würde wieder eingesetzt worden sei. Sodann bot er alle Mittel und seinen ganzen Einfluß auf, Karsten Sarnow wegen Aufruhr in Anklage zu versetzen, und nachdem dieser mit dem Tode bestraft war, auch die von ihm begründete neue Verfassung und das Collegium der Zwölfmänner zu stürzen; als dieses Unternehmen auf hartnäckigen Widerspruch stieß (1394) und sich eine umfangreiche Verschwörung von mehr als 50 Bürgern bildete, welche unter Leitung der Rathsherren Langhedorp, Strelow und Dene und zweier Rathsdiener die Wulflam’sche Partei vernichten, sowie Sarnow’s Satzungen erhalten und durch Neuwahlen verstärken sollten, vereinigte sich das Patriciat unter Wulf’s Führung zu kräftiger Gegenwehr, infolge welcher der Widerstand gebrochen und die Verschworenen theils hingerichtet, theils verbannt wurden, unter diesen auch Hermann Krüdener, Sarnow’s Anhänger, welcher jedoch die Sache des Gefallenen verrieth und dadurch sein Leben zu retten vermochte. Bald darauf (1395) gelangte W. in den Rath und wurde im J. 1397 zum Bürgermeister erwählt. In dieser Stellung [294] hatte er Gelegenheit, das Werk seines Vaters fortzusetzen, einerseits in den inneren Angelegenheiten, zu deren Förderung er mit den übrigen pommerschen Städten (1395) einen Münzverein, sowie (1399) ein Bündniß gegen die Wegelagerer schloß; auch befestigte er die Alterleute des Gewandhauses in ihrer vermittelnden Stellung zwischen Rath und Bürgerschaft, und führte zugleich die Aufsicht über das St. Jürgenshospital. Andererseits unterstützte er die Königin Margarethe in ihrem Kriege gegen Albrecht von Schweden und bei der Stiftung der Calmarischen Union, welche die drei nordischen Reiche (1397) unter der Herrschaft ihres Großneffen Erich XIII. vereinigte, sowie bei der Unternehmung gegen die Seeräuber, gegen welche, in Gemeinschaft mit dem deutschen Orden, seit 1394 eine mächtige Flotte von ca. 30 Schiffen mit 3000 Bewaffneten ausgerüstet wurde. Den Krieg mit Schweden vermittelte W. in der Weise, daß der (1389) gefangene König Albrecht (1395) gegen eine Caution von 60 000 Mk. freigelassen wurde; da er solche in der bedungenen Frist von drei Jahren nicht zahlte, überlieferte die Hansa (1398) Stockholm an Margarethe, welche (1395) in Upsala die Huldigung und (17. Juni 1397) die Krönung Erich’s XIII. vollziehen ließ. Auch Herzog Wartislaw’s VI. Söhnen, Barnim VI. und Wartislaw VIII., welche nach des Vaters Tode (1394) gemeinschaftlich regierten, diente er als Rath und als Vermittler in ihren Streitigkeiten mit Lübeck und Stralsund (1398–1400), für welche Mühewaltung dieselben ihm außer anderem Grundbesitz das Gut Kransdorf und einen Hof in Luppat auf Rügen verliehen. Mehreren anderen politischen und kirchlichen Unruhen begegnete er durch energisches Einschreiten, u. a. der Aufstellung eines Prätendenten, welcher, unter dem Namen von Margarethens Sohns Olaf, die nordische Herrschaft beanspruchte, sowie dem überspannten Auftreten eines Priesters Nikolaus van der Wilme, welcher, ähnlich wie Savonarola, gegen die Lehre der Kirche und gegen den Luxus der Laien eiferte; beide erlitten (1402) die Strafe des Scheiterhaufens. Auch verglich er (1404) den Zwist über den Besitz von Gothland, welcher zwischen Margarethe und dem deutschen Orden entstanden war, und der den Hochmeister zur Beschützung des Prätendenten Olaf verleitet hatte, und suchte zugleich den Handel der Engländer und Holländer zu Gunsten der Hansa von der Ostsee auszuschließen. So auf der Höhe der Macht und in der Fülle des Reichthums, lebte W. im prächtigen väterlichen Hause am Alten Markt in glücklicher Ehe und in der Geselligkeit ausgedehnter Gastfreundschaft; da wurde der Glanz Stralsunds durch den Uebermuth des obersten Geistlichen getrübt und mittelbar auch Wulf’s Tod herbeigeführt. Cord Bonow, städtischer Oberpfarrherr, und als Archidiakonus von Tribsees, Vertreter des Bischofs von Schwerin, gerieth mit der Stadt in Zwist, weil die neugeschlagenen minder silberhaltigen Münzen sein Einkommen verringerten, kündigte ihr Fehde an, verwüstete die umliegenden Güter und richtete unter den auf dem Felde arbeitenden Bürgern ein großes Blutbad an, während die Stralsunder aus Rache über diese That (1407) mehrere Geistliche dem Feuertode überlieferten. Hierdurch kam es zu einem heftigen Zwist mit dem Bischof zu Schwerin und gegenseitigen Processen bei der römischen Curie, welche erst in den Jahren 1409–16 ihren Abschluß erreichten, infolge dessen die Stralsunder, außer anderen Strafen, die Apolloniencapelle südlich von der Marienkirche zur Sühne für die getödteten Geistlichen erbauen mußten. Diese langjährige Fehde veranlaßte nun sowohl eine große Unsicherheit der Straßen und des Verkehrs, als auch Gelegenheiten zu persönlichen Feindschaften, je nachdem die Familien die Partei der Stadt oder der Geistlichkeit nahmen. So kam es, daß der Ritter Suhm aus Kayseritz auf Rügen (Fastnacht 1405) im Fährboote seinen Tod fand. Obwohl er als Wulflam’s Freund galt, beschuldigte man diesen des Mordes und brachte den Leichnam vor die Thür des Wulflam’schen Hauses. Unwillig wies [295] der Bürgermeister die Anklage zurück und befahl, den Todten in dessen Heimath zu schaffen; doch blieb der Verdacht bestehen und hatte zur Folge, daß Suhm’s Sohn (1409) W. auf dem Kirchhofe zu Bergen aus Rache tödtete. Eine daran geknüpfte Fehde zwischen der Stadt und dem Geschlecht Suhm’s wurde (1414) von Wartislaw VIII. dahin verglichen, daß jene für Wulflam’s Tod eine Sühne leisten mußten, ein Ergebniß, welches ihn anscheinend vom Verdachte des Mordes befreite. Sein Sohn erster Ehe, Thideke, welcher (1410) Erbtheilung mit der Stiefmutter einging, betheiligte sich an einem Aufstande und erlitt infolgedessen durch Bürgermeister Nikolaus von der Lippe den Tod; Wulflam’s Haus und einen Theil seines Grundbesitzes erbte seine Tochter Katharina, vermählt mit Math. Darne, und deren Sohn, der Rathsherr Mathias Darne († als Bürgermeister 1486); die Sage von der Verarmung von Wulflam’s Frau und ihrer Bettelei in silberner Schale ist unbegründet.

Dinnies, Stemmata Sundensia s. n. – Lüb. Chron., h. v. Grautoff I, 282–395. – Strals. Chron. I, 5–8, 163–177. – Kantzow, h. v. Kos. I, 415–451. – Kruse, Sund. Studien, m. Abb. v. W’s Haus, Wappen u. Bildniß. – Hanse-Recesse I–IV; Brandenburg u. Barthold sind berichtigt bei Fock, Rüg.-Pomm. Gesch. III–IV; Schäfer von Francke, Baltische Studien XXI, 2, u. Hans. Gesch.-Blätter IV, 1880–81, S. 87–105. Ueber die Berichtigung des Namens Holdthusen in Gildehusen vgl. Koppmann, Hans. Gesch.-Bl. Jahrg. 1873, XLII. – Jahresber. f. Gesch.-Wiss. Jg. 2, II, S. 181.