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ADB:Wulfram

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Artikel „Wulfram“ von Jacob Cornelis van Slee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 295–296, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wulfram&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Wulflam, Wulfhard
Band 44 (1898), S. 295–296 (Quelle).
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Wulfram: Missionär am Ende des 7. und am Anfange des 8. Jahrhunderts, von allen Glaubenspredigern, welche aus Frankenland die Bekehrung der heidnischen Friesen unternahmen der weitaus bekannteste und populärste, vermöge seines Verhältnisses zum Könige Radbod, „dem Gottesfeinde“, wie er von Melis Stoke genannt wurde, dem „Unfriedlichen Manne“, wie die Ueberlieferung ihn bezeichnet hat. W. war um 650 im Lande von Gastinois in der Nähe von Sens geboren, erhielt am fränkischen Hofe seine Erziehung als Geistlicher und wurde um 690 Bischof zu Sens. Seine über das Maaß hinausgehende ascetische Gesinnung trieb ihn aber zur Abtretung seiner bischöflichen Würde, damit er in der entbehrungsvollen Missionsarbeit sein Lebensideal erreichen könnte und 695 zog er, sammt einigen Mönchen aus dem Kloster Fontanelle nach den nördlichen Gegenden Frieslands. Nach einem fünfjährigen und nicht ungesegneten Aufenthalt wurde er durch seine Gesundheit genöthigt seine Arbeit für einige Zeit zu unterbrechen und kehrte nach Fontanelle zurück. Wie lange er dort verweilte ist unsicher. Zum zweiten Mal aber trat er dann die Missionsarbeit an und widmete sich ihr seitdem ununterbrochen. In diese Periode seiner Wirksamkeit fällt die bekannte Begegnung mit Radbod und dessen mißlungene Taufe in der Kirche zu Hoogwoude bei Medemblik, oder zu Medemblik selbst, wo der alte König sich aufhielt. Ermüdet durch sein hohes Alter und durch zahlreiche Widerwärtigkeiten, hatte Radbod, wie es heißt, sich bereit erklärt das Christenthum anzunehmen und schon war er auf dem Punkte sich taufen zu lassen, als er W. fragte, ob seine Voreltern auch im Himmelreich der Christen oder im höllischen Orte der Verdammniß sein sollten. Als nun der Missionär antwortete, sie seien als Ungetaufte dem Verdammungsurtheile anheimgefallen, zog der alte König den Fuß geschwind zurück, indem er sagte, er könne die Gesellschaft seiner fürstlichen Voreltern nicht aufgeben für das Wohnen im Himmelreich in Gesellschaft zahlreicher niedriger Christenleute. Wiewohl dieser noch mit zahlreichen phantastischen Nebenumständen ausgeschmückte Vorfall von der Kritik angezweifelt wird, so sind die meistens von chronologischer Seite her gemachten Einwände doch zu seiner Verwerfung nicht ausreichend. Es ist garnicht so [296] unwahrscheinlich, daß der König, welcher in seinen letzten Lebensjahren nach Versöhnung mit manchen seiner ausgetriebenen Unterthanen, welche sich hatten taufen lassen, strebte, von seiner trüben Stimmung beeinflußt, den Vorsatz gefaßt hätte, auch selbst das Christenthum anzunehmen und daß es dazu gekommen wäre, falls Wulfram’s harte und beschränkte Antwort ihn nicht abgeschreckt hätte. Dabei ist diese Geschichte um so mehr als eine wahrhafte zu betrachten, als Jonas von Fontanelle, der angebliche Biograph Wulfram’s in seiner „Vita amplior S. Wulframi“ keinen Anlaß hatte, einen Vorfall zu erfinden, welcher das Lob des Missionärs nicht eben erhöhen konnte. Es war jedenfalls kein Sieg, aber eine Niederlage, welche der von ihm hochverehrte W. in seinem Kampfe mit dem Heidenthum erlitten hatte. Der unbekannte Verfasser der aus dieser „Vita amplior“ gezogenen „Vita brevior“ erwähnte daher diese Geschichte aus panegyrischem Interesse nicht. Nach dem Tode Radbod’s 719 verweilte W. nicht lange mehr in Friesland. Von Alter geschwächt kehrte er nach Fontanelle zurück, wo er um 720 gestorben sein muß. Wie das Verhältniß zwischen diesem Vertreter der fränkischen Mission und dem angelsächsischen Apostel und Bischofe von Utrecht Willebrord gewesen sein mag, ist aus Mangel an Nachrichten nicht nachzuweisen. Seine Biographie ist, wie gesagt, in doppelter Form, einer „Vita amplior“ und einer „Vita brevior“ aufbewahrt. Die erstere ist, in Hinsicht auf die vielen doch in der That höchst phantastischen Erzählungen kaum einem Zeitgenossen, wie Jonas von Fontanelle, zuzuschreiben, und jedenfalls stark interpolirt. Sie findet sich bei Surius ad. d. 20 Mart. p. 210 sqq., Mabillon p. 341 sqq. und Guesquierus VI. p. 528 sqq., welcher auch einen bedeutenden „commentarius praevius“ hinzufügte. Auch die „Vita brevior“ findet sich bei Guesquierus p. 524 sqq. und bei den Bollandisten ad. d. 20 Mart. p. 145 sqq. Weiteres über ihn bei Moll, Kerkgesch. v. Nederl. I. Bl. 127 ff. – Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen, 5. Aufl. Bd. I S. 451.