ADB:Wunsch, Johann Jakob

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Artikel „Wunsch, Johann Jakob“ von Albert von Pfister in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 315–317, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wunsch,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:00 Uhr UTC)
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Wunsch: Johann Jakob W., geboren am 22. December 1717 in Heidenheim, Württemberg, † als kgl. preuß. General der Infanterie am 18. October 1788 in Prenzlau. – Aus einer jener kleinbürgerlichen Familien, denen unser Volk so manchen bedeutenden Mann verdankt, ist auch J. J. Wunsch hervorgegangen, ein Glückssoldat im besten Sinne des Wortes. Er ist geboren in dem altwürttembergischen Städtchen Heidenheim als Sohn eines Kürschners. Seine Vaterstadt erfreute sich damals schon guter Schulen; die Eltern scheinen ziemlich wohlhabend gewesen zu sein; so kam es, daß der junge Bürgersohn eine recht gute Erziehung erhielt und im 18. Lebensjahr als Officierszögling in ein württembergisches Regiment eintreten konnte. Später focht er in österreichischem Dienst gegen die Türken, wurde 1739 Officier, trat bald in bairischen Dienst, als das Husarenregiment Frangipani aufgestellt wurde und kam mit diesem nach den Niederlanden. Nach dem Frieden 1749 aber wurde der Rittmeister [316] W. abgedankt. Doch blieb er zunächst in Holland wohnen sammt seiner kleinen Familie. Er hatte sich schon früher im österreichischen Dienst verheirathet mit der Tochter eines Kriegscommissars, Josephine le Roi. Beim Ausbruch des siebenjährigen Krieges meldete sich W. beim großen König, wurde auch von ihm als Hauptmann in einem Freicorps eingestellt. Zugleich hatte W. seinem neuen Kriegsherrn einen ungemein sinnreichen Plan für die Organisation von leichten Truppen, Betrachtungen über Führung des kleinen Kriegs überreicht. Dadurch und durch den Umstand, daß Prinz Heinrich, unter dessen Augen W. zunächst focht, dessen ganzes Verhalten auf das rühmlichste hervorhob, wurde Friedrich der Große auf ihn aufmerksam, übertrug ihm 1758 die Errichtung eines eigenen Freicorps, ernannte ihn schon 1759 zum General und zog ihn in seine Nähe. Ein solch aufmerksames Auge, solch rasch zuschlagenden Entschluß, wie er in der Brust des jungen Generals W. wohnte, das war es eben, was der König brauchte und hochschätzte. Bald vertraute er dem liebgewonnenen Waghals auch größere Truppenmengen zu Roß und zu Fuß an. – Die Schlacht bei Kunersdorf war geschlagen am 12. August 1759; Friedrich der Große sah sein Heer auseinandergebrochen, das Leben seines Staates bedroht. Nur das kleine Corps des Generals W. war unversehrt geblieben; ihm übertrug der König die nächste Deckung der Armee und der Hauptstadt; gegen alles Erwarten zauderte der siegreiche Feind. So vermochte der König sich aufzuraffen und sandte den General W. mit einem Corps von 10–12 000 Mann nach Sachsen, woher neue Gefahr drohte. Damit betrat W. seine Laufbahn als selbständiger Führer. „Ich setze all mein Vertrauen auf Ihn“, schrieb ihm der König, mit dem W. in directem Verkehr stand. Schon Ende August konnte W. melden, daß er den Oesterreichern und der Reichsarmee die Plätze Wittenberg und Torgau abgenommen. „Die erste gute Zeitung, die ich seit einem Jahr bekommen“, meinte der König. Der Entsatz von Dresden konnte nicht mehr gelingen, denn schon war die Stadt an die Oesterreicher übergeben. Bei Torgau dagegen sammelten sich die Feinde aufs neue; in Eilmärschen rückte W. heran und schlug mit kaum 8000 Mann die 14 000 Feinde vollständig. „Dies war nach der unglücklichen Schlacht bei Kunersdorf die erste Waffenthat, welche Zeugniß ablegte, daß aus der preußischen Armee der kriegerische Geist noch nicht entwichen war.“ W. hatte sich als ungemein geschickter Truppenführer erwiesen.

Bald darauf nahm er den Franzosen Leipzig ab und schlug die Oesterreicher nochmals bei Kemberg. Friedrich der Große zog jetzt selbst heran, um noch vor dem Winter den österreichischen Feldherrn Grafen Daun vollständig aus Sachsen hinauszuschlagen. Die Generale Finck und W. wurden dem Gegner in den Rücken gesandt in die Gegend von Maxen. Durch die weite Entfernung von der Hauptarmee, durch die genaue Kunde, welche Graf Daun bald von ihrer Isolirtheit erhielt, kamen die beiden Generale in überaus mißliche Lage und sahen sich am 20. November 1759 vollständig bei Maxen eingeschlossen. Nach verzweifelter Gegenwehr mußte Finck sich in der Frühe des 21. November ergeben. W. verwarf den Gedanken an Capitulation, setzte sich an die Spitze zweier Reiterregimenter, um sich durchzuschlagen; doch mißlang sein Versuch und er wurde ebenfalls gefangen.

Während der nächsten Jahre blieb W. in Kriegsgefangenschaft in Innsbruck. Nach dem Frieden 1763 ließ der König über alle die bei Maxen gefangenen Generale unter Zieten’s Vorsitz Kriegsrecht halten. Es waren ihrer neun. Acht, darunter Finck, wurden verurtheilt. W. war der einzige, der freigesprochen und in alle seine Ehren wieder eingesetzt wurde ob seiner kühnen Entschlossenheit und seines mannhaften Verhaltens. Noch waren ja seine Verdienste frisch im Gedächtniß, wie er im Unglücksjahr es gewesen, der den preußischen [317] Namen wieder zu Ehren gebracht. – Nicht unwahrscheinlich ist es, daß Lessing, der mit besonderer Bewunderung auf die kecken Führer der Freicorps blickte, aus den Thaten des Generals W., aus der Wiedereinsetzung in alle seine Ehren sich Züge entlehnte für die Figur seines Tellheim, der ja auch ein Nichtpreuße war, der Führer eines Freicorps.

Die Friedensjahre, welche nun W. in seiner Garnison Prenzlau verbrachte, sind kaum unterbrochen worden durch den thatenlosen Feldzug des Jahres 1778, in welchem er ein selbständiges Corps von 20 000 Mann befehligte. Alljährlich brachten ihn die Manöver bei Potsdam in die Nähe seines Königs, der den alten Kriegsgefährten stets mit Auszeichnung behandelte. Auch Friedrich Wilhelm II. wußte die Verdienste des alten Generals zu würdigen. Er ernannte ihn 1787 zum General der Infanterie und nahm ihn unter die Ritter vom hohen Orden des Schwarzen Adlers auf; Ehrenstellen und Auszeichnungen, welche bis daher keinem Manne seiner Herkunft zu theil geworden waren. – Am 18. October 1788 erlag W. einer längeren Krankheit; er ist in der Nikolaikirche in Prenzlau beigesetzt worden. Nachkommen hat er nicht hinterlassen, denn sein einziges Kind, ein Sohn, war im Gefecht bei Peterswalde 1759 unter den Augen des Vaters gefallen. Die Kasernen, welche er in Prenzlau bauen ließ, tragen heute noch den Namen des allgemein verehrten Generals. – Auf dem Denkmal, welches Prinz Heinrich 1790 seinen Kriegsgefährten in Rheinsberg errichten ließ, hat auch General W. Platz gefunden. Zugleich aber prangt sein Name, der des Bürgersohns von Heidenheim, auf dem herrlichsten Denkmal, welches das preußische Volk einem seiner Könige gesetzt hat; er ist verewigt auf dem Denkmal Friedrich’s des Großen.

A. Pfister, Württembergische Neujahrsblätter, XII. 1895.