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ADB:Zeller von Zellerberg, Simon

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Artikel „Zeller von Zellerberg, Simon“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 33–34, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zeller_von_Zellerberg,_Simon&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 12:36 Uhr UTC)
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Zeller: Simon Z., Edler von Zellerberg, geboren am 13. Januar 1746 zu Niederleis in Niederösterreich, † am 4. Februar 1816 in Wien. Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Göttingen durch Röderer (1751) und in Wien 1752 durch van Swieten ein Lehrstuhl für Geburtshülfe errichtet wurde, erregte diese Neuheit heftigen Widerstand. Geistliche und Weltliche erklärten es für unanständig und ärgerlich, daß Männer sich einem Geschäft unterziehen sollten, das von jeher von Frauen verrichtet worden und auch nur verrichtet werden müsse. Der erste Lehrer in Wien war H. N. Crantz, ein Schüler von Levret und Puzos, ihm folgte der litteratisch unproductive V. F. Lebmacher, übrigens ein tüchtiger Praktiker und als die Unterrichtsräume aus dem St. Max-Hospital nach dem im Allgemeinen Krankenhause neu angelegten Gebärhause im J. 1784 verlegt worden, Simon Z. als erster Director. Z., ein Schüler Rechberger’s am St. Max-Spital, hatte sich damals bereits durch seine „Grundsätze der Geburtshülfe“ (Wien 1781) bekannt gemacht. Er hatte dann später den Leibarzt Kaiser Josef’s II., Herrn v. Quarin, auf dessen Reise durch Frankreich, Holland und England begleitet, und war also, ehe er sein Amt in Wien antrat, aus eigener Anschauung mit den Zuständen der französischen und englischen Geburtshülfe bekannt geworden. Zu bemerken ist, daß um die Zeit, in welcher Z. bei Rechberger studirte, auch Johann Lukas Boër am St. Max-Hospitale arbeitete und gleichzeitig mit Z., namentlich 1784, als Wundarzt beim Waisen- und Findelhause in Wien angestellt wurde. Ob und inwiefern Boër damals schon von Einfluß auf die Entwicklung Zeller’s, der nur fünf Jahre älter als Boër war, gewesen ist, läßt sich nicht nachweisen. Wahrscheinlich ist es nicht, da Boër erst am 26. Januar 1780 sein Examen machte, d. h. zu einer Zeit, in welcher Z. wol schon mit Abfassung der oben erwähnten „Grundsätze“ beschäftigt gewesen sein wird. Jedenfalls wird Z. durch seinen Aufenthalt in England, Frankreich und Holland mindestens ebenso sehr zur Aenderung seiner geburtshülflichen Anschauungen veranlaßt worden sein, als durch den Verkehr mit Boër. Der Fortschritt, welcher sich in seiner 2. Publication „Bemerkungen über einige Gegenstände aus der praktischen Entbindungskunst“ (Wien 1789) gegenüber den „Grundsätzen“ zeigte – das Bestreben und Verlangen die Natur bei diesen Processen mehr und mehr walten zu lassen, Gesichtslagen z. B. als natürliche Geburten nicht mehr durch die Wendung zu beendigen und die Ausstoßung der Nachgeburt mindestens zwei Stunden nach der Geburt des Kindes abzuwarten, ist ein für die damalige Zeit sehr verdienstlicher. Er wird auch nicht geringer durch die Angabe von H. F. Naegele (Geburtsmechanismus. Mainz 1838, S. 181), daß Z. seine Grundsätze erst publicirt habe, nachdem Boër ihn auf diese Behandlung aufmerksam gemacht habe. Daß der Vertreter der activsten Richtung in der Geburtshülfe, F. B. Osiander in Göttingen, den Anschauungen und Lehren Zeller’s feindlich entgegentrat, daß er behauptete, jene Schrift Zeller’s „athme einen Geist der Paradoxie, ein gewöhnliches Symptom der Anglomanie, das den teutschen Aerzten, welche einmal in England gewesen, wie der Steinkohlenqualm ihren Büchern oft unvertilgbar anklebe“ – ist leicht erklärlich.

Wie weit Z. unter seiner Direction des großen Wiener Gebärhauses die [34] Naturkräfte walten ließ, geht am besten aus folgenden Zahlen hervor. Vom 16. August 1787 bis 31. December 1800 fanden 18 454 Geburten statt, von denen 108 durch die Wendung, 31 durch den Hebel und nur 1 durch Enthirnung, d. h nur 1,3% künstlich beendet wurden. Diese Zahlen sind seiner Schrift „Lehrbuch der Geburtskunde – – – nebst einer kurz gefaßten Totalübersicht der vom letzten August 1787 bis Ende 1800 im Gebärhause vorgefallenen Geburten“ (II. Aufl. Wien 1803, III. Aufl. Wien 1806) entnommen. Seine späteren Publicationen beziehen sich nicht mehr auf geburtshülfliche Gegenstände, sondern auf den Nutzen des Badeschwammes und des Kaltwassers bei chirurgischen Operationen, auf venerische Localkrankheitsformen, neue Operationsmethoden u. s. w. Z. fand in seiner ärztlichen Thätigkeit viele Anerkennung, denn er wurde k. k. Rath und Leibchirurg und 1802 geadelt.

Auch wenn Z. die Bedeutung der geburtshülflichen Zange vollständig verkannte und wie erwähnt, die Möglichkeit vorliegt, daß seine Förderung der exspectativen Methode in der Geburtshülfe nicht bloß durch das Ausland, sondern auch durch den Einfluß von J. L. Boër veranlaßt worden sei, so sagen wir doch mit E. C. J. v. Siebold „wir müssen ihm in dieser Beziehung den Vorrang lassen, ohne dadurch im mindesten Boër’s Verdienste zu schmälern“.