Abschreiber und Nachahmer der Gartenlaube

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Titel: Abschreiber und Nachahmer der Gartenlaube
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 67–68
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[67] Abschreiber und Nachahmer der „Gartenlaube“. In den 43 Bänden der „Gartenlaube“, die seit der Gründung des Blattes erschienen sind, ist eine Riesenmenge belehrenden und unterhaltenden Stoffes enthalten; darunter befinden sich Artikel, die zu den Perlen einer edlen echt volkstümlichen Darstellung zählen. Diese Bände, von denen so viele in Hausbibliotheken aufgestellt sind, bilden immerfort für Jung und Alt eine unversiegbare Quelle neuer geistiger Anregung. Die „Gartenlaube“ ist ja das deutsche Hausblatt, das in so vielen Fällen bereits von Großeltern den Enkeln vererbt wurde. In den alten verstaubten Bänden blättert aber nicht nur die Lesewelt, sie werden auch von Leuten von der Feder aufgeschlagen. Da stöbert darin so mancher ehrgeizige und unternehmende Mann, um das Geheimnis des Erfolgs der „Gartenlaube“ zu ergründen, um zu erfahren, wie Familienblätter redigiert werden sollen. Nicht immer ist das Studium von Erfolg gekrönt; das Nachmachen verfängt nicht; denn zum Schaffen guter Volksschriften und nützlicher Volksblätter gehört etwas mehr als „geschickte Mache“; dazu sind vor allem Liebe zum Volke, warme Teilnahme für seine großen und seine kleinsten Interessen nötig; dazu ist ein Aufgehen in den Bedürfnissen der Familie unentbehrlich, die als Bollwerk der guten Sitte die Grundlage aller Völkermacht bildet. Das Wirken in der Volkslitteratur ist einmal Herzenssache und wer kein Herz für das Volk hat, der zerbricht sich vergebens den Kopf über die Frage, wie „Volks- und Familienblätter gemacht werden“ sollen; selbst wenn er jahrelang in guten Redaktionen als Lehrling sich abgemüht hat, geht er doch von dannen, ohne das gelernt zu haben, was er als „Kunst“ oder „Geschäft“ auffaßte, und was im Grunde eine ernste Arbeit für das Volkswohl ist. Im Laufe der vier Jahrzehnte, da die „Gartenlaube“ für die deutschen Familien in der Heimat und jenseit der Meere ein einigendes Band geworden war, da sie mitstritt für die Freiheit des Denkens und Wirkens, für die Einigung der Nation, da sie bestrebt war, Bildung zu verbreiten und überall den gemeinnützigen Sinn zu fördern, ist anderen Leuten wiederholt der Gedanke gekommen, die „Gartenlaube“ zu kopieren, wobei sie ihr Vorbild recht schlecht zu machen suchten. Sie haben damit kein Glück gehabt, den großen und kleinen Kopisten ist dieses Unterfangen vielfach herzlich schlecht bekommen! Die Redaktion der „Gartenlaube“ pflegt ihre Leser mit einer derartigen Polemik nicht zu behelligen. Sie schweigt zumeist, wenn sie geschimpft wird; ihr aus allen Ständen des deutschen Volkes zusammengesetzter Leserkreis hat ja in diesem Streite zu entscheiden. Nun! Sein Urteil giebt uns die frohe Zuversicht und den Mut, weiter auf der erprobten Bahn fortzuschreiten, denn die schon als „alte Matrone“ Verspottete [68] kennt kein Altern, da sie sich mit der fortschreitenden Zeit immer aufs neue verjüngt, und wird sich auch weiterhin ein jugendfrisches Herz zu wahren wissen.

In den vielen dicken Bänden der „Gartenlaube“ blättern auch andere eifrig und fleißig, die sich berufen fühlen, mit der Feder das deutsche Volk zu belehren und zu erfreuen. So mancher hat aus den Musterartikeln der Meister der volkstümlichen Darstellung gelernt, wie man zum Volke reden muß, wenn man es erfreuen und belehren will. Er ist unser guter Freund und unser Bundesgenosse in gemeinnützigem Wirken, wenn er auch nicht zu unseren Mitarbeitern zählt. Es giebt aber auch sogenannte Schriftsteller, die in den alten Bänden der „Gartenlaube“ wühlen, um sie als Fundgrube auszubeuten. Sie schreiben die „Gartenlaube“ flott und eifrig ab und reichen ihre Schreiberarbeit als eigene Geisteserzeugnisse anderen Blättern ein. Daß es ihnen so oft gelingt, Abnehmer zu finden, kann uns eigentlich nur freuen; denn darin sehen wir wieder den Beweis, wie volkstümlich und allgemein interessant die Artikel der „Gartenlaube“ sind, daß sie nach Jahr und Tag von neuem so verschiedenen Redaktionen gefallen. In jüngster Zeit hat sich die Zahl der litterarischen Diebe, welche die „Gartenlaube“ und deren Mitarbeiter bestehlen und andere Redaktionen betrügen, merklich vergrößert. Es ist dabei köstlich, zu beobachten, wie so etwas „gemacht wird“. Zwei Beispiele mögen genügen: In der traurigen Kriegszeit im Jahre 1866 brachte die „Gartenlaube“ einen Artikel über „die Raubtiere des Schlachtfeldes“, ein schreckliches Bild raubgieriger Menschen, die, aller Menschlichkeit bar, Tote und Verwundete auf dem Schlachtfelde von Sadowa plünderten. Ein Berliner „Feuilletonist“ hat nun die ernste und weihevolle Zeit, in welcher Alldeutschland das fünfundzwanzigjährige Jubiläum des letzten großen Krieges feiert, dazu benutzt, um als Erinnerung an die Kriegszeit ein Feuilleton über „die Hyänen des Schlachtfeldes“ zum besten zu geben. Er beschreibt darin Schreckensscenen, die er bei Gravelotte und Wörth mit eigenen Augen gesehen haben will – und wie elend, unverschämt lügt er dabei: Wort für Wort ist dasselbe in dem genannten Artikel des Jahrgangs 1866 der „Gartenlaube“ zu lesen! Einige Zeitungen haben in Treu und Glauben dieses „Feuilleton“ gedruckt und so wurde durch dieses diebische Machwerk eine schwere Verleumdung gegen die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen geschleudert, die solche Hyänen niemals beherbergt hat!

Nicht minder charakteristisch ist ein anderer neuerdings erfolgter Diebstahl an der „Gartenlaube“. Im Jahrgang 1869 haben unsere alten Mitarbeiter, die Brüder Adolf und Karl Müller, eine höchst interessante und charakteristische Beobachtung „Aus dem Räuberleben des Hühnerhabichts“ beschrieben. Jüngst lasen wir in einem angesehenen Berliner Blatte einen fesselnden Bericht über einen Kampf, den Krähen mit einem Hühnerhabicht um einen Hasen geführt haben sollen. Der Verfasser jenes Berichtes versichert ausdrücklich, daß er den Vorfall am 16. September 1895 in der Nähe von Lübbenau beobachtet habe. Aber siehe da! Der Bericht des Betrügers stimmt Wort für Wort mit dem Artikel der Brüder Müller aus dem Jahre 1869 überein!

Sicher liegt es im Interesse der gesamten Presse und des Schriftstellerstandes, solchen „Autoren“ und „Berichterstattern“ das Handwerk zu legen. Wir warnen hiermit alle diese Herren Schatzgräber in den alten Bänden der „Gartenlaube“; denn in Zukunft werden wir nicht verfehlen, ihre Namen niedriger zu hängen.

Es ist nichts so fein gesponnen,
Es kommt doch an das Licht der Sonnen!