Adelgis
Adelgis.
Chron. novalic. III. cap. 10. 22-24. |
Adelgis, (Algis, Adelger) Desiderius Sohn, war von Jugend auf stark und heldenmüthig. In Kriegszeiten pflegte er mit einer Eisenstange zu reiten, und viele Feinde zu erschlagen; so tödtete er auch viele der Franken, die in Lombarden gezogen kamen. Dennoch mußte er der Übermacht weichen, und Carl hatte selbst Ticinum unterworfen. In dieser Stadt aber beschloß ihn der kühne Jüngling auszukundschaften. Er fuhr auf einem Schiff dahin, nicht wie ein Königssohn, sondern umgeben von wenigen Leuten, wie einer aus geringem Stande. Keiner der Krieger erkannte ihn, außer einem der ehemaligen treusten Diener seines Vaters; diesen bat er flehentlich, daß er ihn nicht verrathen möchte. „Bei meiner Treue - antwortete jener – ich will dich niemanden offenbaren, so lange ich dich verhehlen kann.“ „Ich bitte dich - sagte Adelgis – heute, wann du beim König zu Mittag speisest, so setze mich ans Ende eines der Tische, und schaffe, daß alle Knochen, die man von der Tafel aufhebt, vor mich gelegt werden.“ Der andere versprach es, denn er wars, der die königlichen Speisen auftragen mußte. Als nun das Mahl gehalten wurde, so that er allerdings so, und legte [116] die Knochen vor Adelgis, der sie zerbrach, und gleich einem hungrigen Löwen das Mark daraus aß. Die Splitter warf er unter den Tisch, und machte einen tüchtigen Haufen zusammen. Dann stand er früher als die andern auf, und ging fort. Der König, wie er die Tafel aufgehoben hatte, und die Menge Knochen unter dem Tisch erblickte, fragte: „welcher Gast hat so viel Knochen zerbrochen?“ Alle antworteten „sie wüßten es nicht;“ einer aber fügte hinzu: „es saß hier ein starker Degen, der brach alle Hirsch-, Bären - und Ochsenknochen auf, als wären es Hanfstengel.“ Der König ließ den Speisaufträger rufen, und sprach: „wer, oder woher war der Mann, der hier die vielen Knochen zerbrach?“ Er antwortete: „ich weiß es nicht, Herr" Carl erwiederte: „bei meines Hauptes Krone, du weißt es." Da er sich betreten sah, fürchtete er, und schwieg. Der König aber merkte leicht, daß es Adelgis gewesen, und es that ihm leid, daß man ihn ungestraft von dannen gehen lassen; er sagte: wo hinaus ist er gegangen?“ Einer versetzte: „er kam zu Schiff, und wird vermuthlich so weggehen.“ „ Willst du – sprach ein andrer– daß ich ihm nachsetze und ihn tödte?“ „ Auf welche Weise“ antwortete Carl. „Gib mir deine goldenen Armspangen, und ich will ihn damit berücken.“ Der König gab sie ihm alsbald, und jener eilte ihm schnell zu Lande nach, bis er ihn einholte. Und aus der Ferne rief er zu Adelgis, der im Schiffe fuhr: „halt an! der König sendet dir seine Goldspangen zur Gabe;
[117] warum bist du so heimlich fortgegangen?“ Adelgis wandte sein Schiff ans Ufer, und als er näher kam, und die Gabe auf der Speerspitze ihm dargereicht erblickte, ahndete er Verrath, warf seinen Panzer über die Schulter, und rief: „was du mir mit dem Speere reichst, will ich mit dem Speere empfangen;[1] sendet dein Herr betrüglich diese Gabe, damit du mich tödten sollest, so werde ich nicht nachstehen, und ihm meine Gabe senden.“ Darauf nahm er seine Armspangen, und reichte sie jenem auf dem Speer, der in seiner Erwartung getäuscht heimkehrte, und dem König Carl Adelgis Spangen brachte. Carl legte sie sogleich an, da fielen sie ihm bis auf die Schultern nieder. Carl aber rief aus: „ es ist nicht zu wundern, daß dieser Mann Riesenstärke hat."
König Carl fürchtete diesen Adelgis allezeit, weil er ihn und seinen Vater des Reiches beraubt hatte. Adelgis floh zu seiner Mutter, der Königin Ansa nach Brixen, wo sie ein reiches Münster gestiftet hatte.
- ↑ Vergl. Hildebrands Lied 8. 36.