Aesthetik der Eleganz

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Autor: unbekannt
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Titel: Aesthetik der Eleganz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 44
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[044] Aesthetik der Eleganz. Die Eleganz hat ihren Sitz in den Manieren, in der Art und Weise, auf welche ein Eingeborner von Buenos Ayres sein Cigarita raucht oder auf welche eine Dame der ersten Arrondissements von Paris ihren Fächer handhabt. Die Grundbedingung der Eleganz liegt im Charakter; denn bei der Abwesenheit von unterscheidenden Zügen oder eines bestimmten Styls giebt es keine Eleganz. Deswegen ist ein Kind nie elegant, sondern blos graziös, weil es keinen eigenen Styl hat. Diejenigen, welche Geschmack ohne Eleganz haben, sind Personen ohne Individualität; sie können Andern einen guten Rath bei der Auswahl einer Sache geben, aber sie können ihre Kenntniß nicht auf sich anwenden. Die Art, auf welche Jemand sich kleidet, giebt uns deshalb den besten Begriff von seinem Charakter. Eleganz im Kostüm liegt blos in dem harmonischen Einklang zwischen dem Individuum und seinem Styl in der Tracht. Ich war einst mit einer Modistin in Paris bekannt, welche ihre Kunst gehörig studirt und gefunden hatte, daß Eleganz die Zwillingsschwester des Charakters sei. Um zu erfahren, ob eine gewisse Farbe oder ein besonderer Zuschnitt für diese und jene Person passend sei, ließ sie dieselbe nie ihre Mode versuchen, sondern richtete blos Fragen an sie und je nach den Antworten oder vielmehr Andeutungen, welche sie erhielt, wurde sie in den Stand gesetzt, zu Resultaten zu gelangen, deren Richtigkeit nicht in Abrede zu stellen war. Eines Tages besuchte ich sie mit einem Freunde, welcher eine Haube für seine Mutter und einen Hut für seine Schwester, welche Beide sich in Baden-Baden aufhielten, kaufen wollte. – „Wollen Sie die Güte haben, mein Herr, mir das Alter Ihrer Mutter zu sagen?“ sagte sie mit der größten Höflichkeit. – „Gerade fünfzig,“ war die Antwort. – „Geht sie viel in Gesellschaft?“ – „Im Gegentheil, sie führt ein sehr zurückgezogenes Leben.“ – „Widmet sie viel Zeit ihren religiösen Betrachtungen?“ – „Einige Stunden des Tags.“ – „Wie ist ihr Gesicht gebildet?“ – „Oval.“ – „Und die Farbe ihrer Augen?“ – „Grau.“ – „Ihre Nase?“ – „Länglich.“ – „Ich danke Ihnen. Das genügt.“ – Die Modistin klingelte hierauf, und eine ältliche Frau kam, zu der sie sagte: „Bringen Sie mir die Haube mit der Marke: X. R. C. Nr. 21.“ – Die Frau wollte gehen, aber die Modistin hielt sie zurück und rief: „Wie einfältig ich bin, ich vergaß Sie zu fragen, ob Ihr Vater noch lebe?“ – „Nein, Madame.“ – „In diesem Falle ist diese Farbe zu dunkel; bringen Sie mir etwas helleres, X. R. D. Nr. 17,“ sagte sie zu der Dienerin. – „Nun,“ fuhr sie fort, „zu Ihrer Schwester! Sie sagten mir, glaube ich, daß sie 18 Jahre alt sei?“ – „Nicht ganz.“ –Die Modistin zog einen zweiten Glockenzug, und ein hübsches Mädchen erschien. „Erlauben Sie mir, mein Herr,“ fuhr sie fort, „eine wichtige Frage an Sie zu richten. Ist Ihre Schwester schön?“ – „Man hält sie dafür.“ – „Ist sie musikalisch?“ – „Ja.“ – „Wie ist die Farbe ihrer Haare?“ – „Schwarz.“ – „Tanzt sie?“ – „Sie liebt den Tanz.“ – „Ich danke Ihnen; das genügt vollständig.“ – Hierauf machte sie dem Mädchen ein Zeichen, und dasselbe erschien mit einem reizenden Hut. – „Morgen früh,“ sagte sie zuletzt, „wird Beides bereit sein.“ – Sie hielt ihr Wort, und nie gab es eine elegantere Haube oder einen Hut, der eine Dame besser gekleidet hätte.