[627] Das Wappen der Plattner zu Nürnberg.
Aus dem Werke „Allegorien und Embleme“.
Verlag von Gerlach und Schenk in Wien.
Allegorien und Embleme. Der erfreuliche Aufschwung, den das deutsche Kunstgewerbe in jüngster Zeit genommen, erweckte in weiten Kreisen das Bedürfniß nach mustergültigen Vorlagen für die schaffende Hand der modernen Meister. Wir haben schon wiederholt auf wahre Prachtwerke hingewiesen, die in den letzten Jahren entstanden und diesem Bedürfniß Rechnung tragen, und auch bereits einmal der „Allegorien und Embleme“ gedacht, als der erste Band dieses Sammelwerkes originellster Art von Martin Gerlach herausgegeben wurde.
[1] Der Plan des Herausgebers war ein überaus kühner: Allegorische Darstellungen sollten erdacht werden – erdacht im Geiste und an der Hand der technischen Hilfsmittel unserer modernen Zeit! – für alle ewigen und zeitlichen Begriffe, Empfindungen, Vorstellungen und Thätigkeiten; alte Zunftzeichen der Handwerker sollten nachgebildet und daneben Zunftwappen im Geschmacke der Renaissance ersonnen werden. So kunterbunt die Erfüllung eines derart weit geplanten Programmes zunächst erscheinen mag, ein Blick in das Werk selbst wird den Fachmann wie den Laien belehren, daß eine feste Hand die rechte Ordnung in dies Riesenmaterial gebracht hat, welches ein echt künstlerischer, weil freier, von hemmenden zopfigen Traditionen emancipirter Geist durchweht. Was der erste Band versprach, haben die folgenden reichlich, ja alle Erwartungen übertreffend, erfüllt. Von der Wiege bis zur Bahre begleiten die allegorischen Versinnbildlichungen den Fürsten wie den Kaufherrn, den Künstler wie den schlichten Landmann auf allen seinen Lebenswegen, durch all seine Freuden und Leiden, und dies in allen Auffassungen, allen Darstellungsmanieren, welche unsere heutige Kunst nur irgend kennt. Das ergiebt eine Fülle von oft überraschend gelungenen Lösungen der ebenso schwierigen als bedeutsamen Frage, wie dem Bedürfnisse unserer modernen, als gar zu nüchtern verschrienen Zeit nach künstlerischem Ausdrucke ihrer Bestrebungen und Lebensbedingungen entsprochen werden könne. Und hierin liegt wohl der hervorragende Werth dieser Publikation, auf welche wie nicht leicht auf eine andere Art das Dichterwort paßt: Wer Vieles bringt, wird jedem etwas bringen! Denn ein wahrer Schatz von Anregungen und direkt zu nützenden Beispielen bietet sich hier dem Beschauer, und wer lernen will, der mag nur ruhig zugreifen, wo Namen wie Ferdinand Keller, Friz Kaulbach, Julius Berger, Seder, Seitz, Ströhl, Gehrts, Theyer den künstlerischen Ernst des Werkes, wie auch seines Herausgebers verbürgen!
Den erläuternden Text zu diesem Künstlerturniere“ zu schreiben, war keine leichte Aufgabe. Der bekannte Kunsthistoriker und Direktor der kaiserlichen Kunstsammlungen in Wien, Dr. Albert J1g, hat diese Aufgabe indeß in mustergültiger Weise gelöst. Seine knappen, immer sachlichen und belehrenden Erklärungen geleiten uns mühelos von Blatt zu Blatt, sie vermitteln und verbinden ebenso übersichtlich als ungezwungen die einander oft fremd gegenüber stehenden Welt- und Kunstanschauungen, welche uns hier in systematisch geordneter Folge entgegentreten.
Doch besser als jede noch so ausführliche Kritik werden die beiden Illustrationen, die wir heute unsern Lesern vorführen, den Werth und Zweck des Werkes klarlegen. Die Allegorie der Verschwiegenheit (vergl. S. 620) ist ein wohlgelungenes Werk des Münchener Künstlers C. Marr. Geheimnißvoll und ernst steht die antik drapirte Frauengestalt vor uns da. Der Finger schließt die Lippe, der tiefe Schnee und die ernste Eule sind ihre Symbole, und Todtenschädel deuten die Stille des Grabes an, mit der sie ihre Geheimnisse bewahrt.
Einen Gegensatz zu dieser Auffassung der modernen Kunst bildet das nebenstehende Wappen der Plattner, einer Zunft, die einst Harnische verfertigte und mit den Gepanzerten in der Geschichte verschwand. Die stilvollen Ornamente des Wappens haben einen hohen künstlerischen Werth und dürften von manchem Meister der Neuzeit, der vor ähnliche Aufgaben gestellt wird, als Hilfsmittel mit Freude begrüßt werden.
In dieser Weise durch Schaffung neuer und Vorführung alter anerkannter Muster sucht das Werk nutzbringend und veredelnd auf den Geschmack der Zeitgenossen zu wirken. Karl Weiß.