Allerlei Hochzeitsgebräuche/Rumänische Hochzeit

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Autor: Johannes Kraner
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Titel: Rumänische Hochzeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 304–307
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Serie: Allerlei Hochzeitsgebräuche
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Allerlei Hochzeitsgebräuche.

Nr. 3.0 Rumänische Hochzeit.

Es scheint das Bestreben unserer Zeit zu sein, all die nationalen Eigenthümlichkeiten, welche sich in der Tracht oder in besonderen Gebräuchen zu erkennen geben, so eilig und so gründlich wie möglich zu verwischen. Dem Cultus unserer faden, langweiligen Mode, welche in Paris ihre Tempel hat, bringt sie die reizendsten, kleidsamsten Trachten ebenso kaltblütig zum Opfer, wie sie dem gedankenlosen Ceremoniell und der Etiquette zuliebe die allerschönsten und originellsten Sitten und Gewohnheiten vernichtet. Bis in die stillen Thäler der Alpen und der Pyrenäen, bis in die Steppen Polens und Ungarns, bis in die entfernteste Bauernhütte und den verborgensten Weiler Norwegens und der Walachei dringen sie vor, diese falschen Propheten des Geschmackes, und wo sie erscheinen, da wirft die Dirne den Halsschmuck und das Mieder weg, der Bursche zieht die Sporenstiefel aus oder hängt das bunte, gestickte Wamms an den Nagel: jetzt, wo ihnen das Evangelium der Spitzenkrause und des Kleides à la princesse, des schwarzen Rockes und der Gummistiefel gepredigt worden, da schämen sie sich ihres alten Glaubens, den sie von den Ureltern ererbt haben, und eilen, ihn abzuschwören.

Die rumänischen Städte sind, was Mode, Ceremoniell und Etiquette betrifft, französischer als Paris. Es herrscht da eine fieberhafte Hast, den französischen Idealen in den äußeren Formen des gesellschaftlichen Lebens so nahe als möglich zu kommen, weil französischer Firniß von jeher das geeignetste Mittel ist, den Mangel an wahrer Bildung und wahrer Cultur zu übertünchen. Die alten schönen nationalen Gebräuche bei Verlobungen und Hochzeiten sind der modernen Gesellschaft viel zu massiv, zu barbarisch; sie haben sich also auf das Land zu den Bauern geflüchtet, kaum daß wir ihnen noch dann und wann einmal in einer Mahala, in einer Vorstadt begegnen.

Zur rumänischen Nationaltracht eines jungen Mädchens gehört unerläßlich die salba, ein Halsschmuck aus Henkelducaten, aus türkischen Goldmünzen oder aus Perlen. Der Bursche nun, welcher liebt, wagt es, seinen Arm so um den Hals der Geliebten zu schlingen, daß er dabei die salba ergreift; läßt sie es geschehen, ohne daß sie mit schnellem Gegengriff die Schleife löst und so der Schmuck zur Erde fällt, so darf er ihrer Zuneigung sicher sein. Dann bekränzt er ihr Haupt mit Blumen oder Bändern, und wenn er nicht zu schüchtern, zu befangen ist, so kniet er vor seiner Veneri, seiner Venus, nieder und betheuert ihr seine Liebe in den unendlich zarten Schmeichelworten, an denen die rumänische Sprache ebenso reich ist, wie an den schauderhaftesten Flüchen und Schimpfreden.

Anders verfährt der Bursche, dem es an selbstbewußter Zuversicht und an Muth gebricht, mit seinem Liebesleid vor das Mädchen hinzutreten. Er miethet sich einen cimpoeru (tschimpojehr), einen Dudelsackpfeifer, und dieser kramt aus dem Arsenal seiner Liebeslieder diejenigen hervor, welche dem Verliebten als die wirksamsten erscheinen, das Herz der Angebeteten zu gewinnen. Und mit diesen Liedern zieht dann der gemiethete Troubadour vor das Haus des Mädchens; umständlich genug und mit viel Behagen bläst er da, umringt von der neugierigen Dorfbewohnerschaft, seinen Dudelsack auf, und in dem lamentablen Tone, der den rumänischen Liebesliedern eigenthümlich ist, singt er dann von dem Liebesschmerz des armen Burschen, wobei er als gewandter Improvisator nicht vergißt, den vollständigen Vor- und Zunamen und die Familienverhältnisse desselben einzuflechten. Man muß ihn sehen, den cimpoeru, wie er im Vollbewußtsein seiner wichtigen Sendung erst dem Dudelsack ein geeignetes Vorspiel entlockt, um dann mit den lebhaftesten Gesten und im rührendsten Tremolo um Erhörung zu flehen.

[305–306]

Rumänische Hochzeitsfahrt.
Nach einer Skizze auf Holz gezeichnet von W. Heine.

[307] sich erobern, wie einst die Römer sich die Sabinerinnen eroberten; gewaltsam dringt er in die Kammer ein, hebt sie hoch auf seinen Arm, und ohne daß ihr Fuß die Schwelle berühren darf, trägt er sie heraus, und jetzt erst gehört sie ihm.

Die rumänische Bauernsitte verlangt, daß ein Mädchen unter allen Umständen so lange ihr Haupt nicht mit einem Schleier oder einem Kopftuche bedecken darf, so lange sie nicht verlobt ist. Im Sommer geht die Bauerndirne barhäuptig, im Winter trägt sie einen runden Filzhut, wie ihn die Männer tragen; verheirathete Frauen dagegen sind sogleich am Schleier oder an dem Tuche zu erkennen, welches ausnahmslos und bedingungslos als das privilegirte Abzeichen des Ehestandes gilt.

Allerdings giebt es bei diesen Hochzeiten auch noch Gebräuche, deren Verschwinden keinesfalls bedauerlich, ja sogar wünschenswerth ist; aber wenn die Alles verflachende Zeit an dem Sinnigen und Zarten rüttelt; wenn sie dem starren nichtssagenden Ceremoniell und der faden, abgeschmackten Mode die allerliebsten Eigenheiten des Volkslebens zum Opfer bringt – da möchten wir dieser unerbittlichen Vernichterin gern ein gebietendes Halt! zurufen.
J. Kraner.