Allgemeines Deutsches Kommersbuch:293

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Schauenburg:
Allgemeines Deutsches Kommersbuch
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[584]

Mord be=ge=ben, wie man dann ihn ab=ge=than,
ein Gedicht ge=ma=chet han,

     2. Ich, der alte Schartenmaier, komme abermalen heuer, herzusagen
eine G’schicht, wo mir fast das Herz abbricht.

     3. So weit ist es jetzt gekommen, daß den Kopf man abgenommen
einem aus der Geistlichkeit; dies ist keine Kleinigkeit.

     4. Immer noch thut es mir grieseln, wie ich sah sein Blut hinrieseln;
dieses hat mich sehr erschöpft, daß man einen Helfer köpft.

     5. Vor! und dann ich thu erzählen, wie man ihn beraubt der
Seelen, sage ich dem Publiko, wer und was und wie und wo?

     6. An dem fünften Januare, grad vor neununddreißig Jahre kam
zu Neustadt an der Lind Joseph Brehm zur Welt als Kind.

     7. Wie ein Knab er war geworden, kam er in die Schule dorten.
Gut hat er sich aufgeführt, konjugiert und dekliniert.

     8. Nachdem er das Fest gefeiert, wo den Taufbund man erneuert,
kam er ins Gymnasium in Stuttgart, und war nicht dumm.

     9. Denn es hat sich bald getroffen, wie man in der Klass’ gestochen,
daß mein Brehm der fünfte war in der ganzen Knabenschar.

     10. In dem Jahr nach Anno elfe, wo es achtzehnhundert zwölfe,
kam er hin nach Tübingen zu gelehrten Übingen.

     11. Da er wollt auf dieser Erden künftighin ein Pfarrer werden,
that man ihn im Stifte ein, wo die Theologen sein.

     12. Alsda war er gar nicht träge, fleißig saß er im Kollege, las
viel in dem Testament und was sonst so Bücher sind.

     13. Wie ein Bäck an seiner Mulde fand man ihn stets an dem
Pulte mit der Feder in der Hand, Tint, Papier und Silbersand.

     14. Doch es hat sich bald gezeiget, daß sein Herz zum Stolz sich
neiget, war kein guter Kamerad, widerwärtig fruh und spat.

     15. Der zwar geht auf bösen Wegen, der sich auf den Trunk thut
legen, und der Satan kommt verschmitzt, wenn man einen Rausch besitzt.

     16. Doch dem Guten ist’s zu gonnen, wenn am Abend sinkt die
Sonnen, daß er in sich geht und denkt, wo man einen Guten schenkt.

     17. Doch zu Haus in seiner Ecken aß der Brehm kaum einen
Wecken; nein, o Brehm, das thut nicht gut, schnöder Geiz und Übermut!

     18. Da das Studium fertig ware, ist er worden ein Vikare,
Plochingen, Neuneck, Freudenstadt sind die Orte, wo man ihn hatt.

[585]      19. Endlich auch in Zuffenhausen that er als Vikare hausen, bis
er nach dem Examen Helfer ward in Reutlingen.

     20. Wie du da bist aufgezogen, fuhrest durch des Thores Bogen,
sahest nun die Häuser drin, kam dir da wohl in den Sinn,

     21. Daß du einst heraus wirst fahren, Brehm, auf einem Schinder=
karren? Schartenmaiers Zähre rinnt; 0 du Zeit, wie hat sich’s g’wendt!

     22. Gut nun hat er sich betragen, niemand hatte was zu klagen,
als er fing zu amten an, und er schien ein frommer Mann.

     23. Endlich erst nach vielen Jahren hat man nach und nach erfahren,
daß der Brehm ein Geizhals sei, diene auch der Heuchelei.

     24. Als er hatte geheiratet, hat es gar nicht lang gebattet; trieb
durch Geiz sein Weib von sich. Helfer, das war liederlich!

     25. Weil’s nicht gehen wollt in Frieden, ward er dann von ihr
geschieden, alsdann hat der Helfersmann eine Magd sich eingethan.

     26. Mehr und mehr nach diesen Schritten hat der Teufel ihn
geritten, und man sah, o Wüstenei! daß das Weibsbild schwanger sei.

     27. Zwar sie thaten es verhehlen; doch es konnte gar nicht fehlen,
daß die Magd ein Kind gebar im August vor einem Jahr.

     28. Brehm nun hätte diese Sachen alle können anders machen,
wenden ab den bösen Schein; Geiz schlug ihm die Augen ein.

     29. Geld, das ging ihm übers Leben, keinen Kreuzer Geld aus=
geben wollte der verstockte Mann — jetzo ruckt der Teufel an.

     30. Und das Würmlein, kaum geboren, nimmt der Helfer an den
Ohren, trägt es auf die Bühne fort, schnell an einen finstern Ort,

     31. Läßt es liegen siebzehn Stunden, hat ihm auch das Maul
verbunden, da es dennoch ward nicht stumm, dreht er ihm den Kragen um.

     32. Doch ’s ist nichts so fein gesponnen, endlich kommt es an die
Sonnen, und die kluge Polizei merkt bald, was dahinter sei.

     33. Plötzlich nahm man ihn gefangen, und es ist kein Jahr vergangen,
sprach das peinliche Gericht: Brehm, den Kopf behältst du nicht! —

     34. Zwischen Reutel= und Betzingen, horch, da thut die Axt er=
klingen; was soll’s geben, lieber Gott? Dort erricht’t man ein Schafott.

     35. Als der nächste Tag gekommen, thut’s wie Bienenschwärme
summen, und es kommt zu diesem Ding eine große Menschenmeng.

     36. Wer soll da die Thränen heben? ach! so mußt du’s denn er=
leben, Reutlingen und Geistlichkeit, dieses große Herzeleid.

     37. Alles ist bereits versammelt, Kopf an Kopf fest eingerammelt,
laute Seufzer höret man. Jetzo kommt der Helfer an.

     38. Hinter den Schandarmenscharen kommt ein Fuhrwerk ange=
fahren; drin der Brehm im weißen Kleid, zwei auch von der Geist=
lichkeit.

     39. Hinter ihm zwei Schindersknechte, die am Strick ihn heben
rechte; dies sah aus so schauderig, alles ward ganz mauderig.