Alois Senefelder und die Steindruckerei

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Autor: Eduard Grosse
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Titel: Alois Senefelder und die Steindruckerei
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 528, 530–531
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Erfinder-Lose.

Alois Senefelder und die Steindruckerei.
Von Eduard Grosse.

Die Lithographie ist eine der wichtigsten Erfindungen des 18. Jahrhunderts!“ So schrieb vor mehr als achtzig Jahren der damalige Kronprinz Ludwig von Bayern mit Umdrucktinte auf ein Stück Papier, als er die Senefeldersche Steindruckerei in München besuchte. Und in der That ist die Lithographie oder Steindruckerkunst nächst dem Buchdruck das hervorragendste Vervielfältigungsverfahren; sie ergänzt diesen aufs trefflichste, da sie sich besonders zur Wiedergabe von Vorlagen eignet, die sich nur schwer dem Buchdruck fügen.

Auch die Schicksale der Erfinder beider Künste haben einige Aehnlichkeit. Gutenberg wie Alois Senefelder arbeiteten ihre Erfindungen unter aufreibender Thätigkeit und hinderlichen Geldsorgen zu einem Grade der Reife aus, welcher ihren Nachfolgern nur noch wenig zu verbessern übrig ließ; beide hatten die erhebende Genugthuung, noch zu Lebzeiten ihre Erfindung siegreich durch alle Länder schreiten zu sehen, sie als eine ruhmreiche That preisen zu hören; beide starben endlich nach einer mühevollen Laufbahn arm und unbemittelt, nachdem sie ihre letzten Lebensjahre von einer bescheidenen Altersversorgung gezehrt hatten. Aehnlich wie Gutenberg hat auch Senefelder den Undank seiner Mitmenschen kennengelernt, und seine Erfahrungen über das Los des Erfinders brachte er in seiner Münchener Mundart drastisch zum Ausdruck, indem er einem jungen Steindrucker den Rath ertheilte: „Hüten S’ sich vor dem viele Quacksalbere und Experimentiere; schaun’s, alle anderen werden reich durch meine Erfindung und ich bleib’ ein armer Lump!“

Geboren wurde Alois Senefelder am 6. November 1771 zu Prag, wo sein Vater als Schauspieler angestellt war; derselbe verzog jedoch später mit seiner Familie nach München, da er hier eine Anstellung an der kurfürstlichen Hofbühne gefunden hatte. In Alois’ Adern rollte Künstlerblut; sich gleichfalls der Bühne zu widmen, war sein Trachten. Der Vater aber wünschte, Alois solle studieren, und so fügte sich der Sohn und bezog nach vollendetem Besuch des Gymnasiums die Universität. Als bald darauf der Vater starb, zauderte Senefelder nicht länger, seinem inneren Drange zu folgen, das Studium aufzugeben und sich der Schauspielkunst zuzuwenden, um so mehr, da ihm nach dem Tode des Vaters die Mittel zur Fortsetzung seines Studiums fehlten. Er fand Anschluß an eine wandernde Schauspielertruppe und zog mit dieser in Süddeutschland umher, wobei er das Elend des fahrenden Schauspielerstandes zur Genüge kennenlernte. Nach zwei Jahren herber Enttäuschungen entschloß er sich, die Bühnenlaufbahn wieder aufzugeben; er kehrte nach München zurück und beschäftigte sich mit litterarischen Arbeiten.

Bereits früher hatte Senefelder einige Theaterstücke verfaßt, von denen „Der Mädchenkenner“ an der Münchener Hofbühne erfolgreich zur Aufführung kam und nach der Drucklegung einen Ueberschuß von 50 Gulden einbrachte. Dadurch ermuthigt, gab er ein zweites Stück auf eigene Rechnung zum Drucke; dieser wurde aber nicht rechtzeitig zur Messe fertig, infolgedessen war der Absatz gering und die Einnahme genügte kaum, um die Kosten zu decken. Ein harter Schlag für den mittellosen Senefelder! Doch das Mißgeschick vermochte ihm sein Unternehmen nicht zu verleiden, es spornte im Gegentheil seinen Unternehmungsgeist nur noch mehr an und wurde in der Folge der Anstoß zur Erfindung der Steindruckerei, mit welcher Senefelder der Welt ein ungleich werthvolleres Geschenk gemacht hat als mit seinen Theaterstücken.

Sein Mißerfolg war hauptsächlich vom Buchdrucker verschuldet, da dieser die Lieferungsfrist nicht eingehalten hatte. Um sich nun von den Buchdruckern unabhängig zu machen, faßte er den abenteuerlichen Gedanken, selbst eine Druckerei einzurichten und seine Geisteskinder eigenhändig mit Schrift und Schwärze zu verewigen. Dieses kühne Vorhaben scheiterte indessen an der Armseligkeit seiner Kasse, die nicht entfernt zur Beschaffung der nöthigen Geräthschaften zureichte. Dessenungeachtet gab er die Idee nicht wieder auf und versuchte, auf einem anderen Wege als dem des gewöhnlichen Buchdrucks zum Ziele zu gelangen.

Zunächst hielt er sich noch an die Technik des Buchdruckes und bemühte sich, eine Art von Stereotypplatten herzustellen, doch ohne Erfolg. Hierauf machte er Versuche mit einer Kupferplatte; er schrieb die Schrift in Aetzgrund, mit welchem er die Platte überzogen hatte, um später die in den Aetzgrund radierten Schriftzüge mit Säuren vertieft zu ätzen. Dabei war es nöthig, die Schrift im Spiegelbild, also verkehrt, auf die Platte zu bringen, da sie beim Abdruck von dieser auf das Papier ebenso umgekehrt zum Vorschein kommt, wie die Buchstaben beim Abdruck eines Petschaftes in Siegellack. Dieses Verkehrtschreiben bereitete ihm große Schwierigkeiten, und um die theure Kupferplatte bei den vielen Schreibübungen nicht zu verderben, benutzte er hierzu einen Kehlheimer Sandstein, den er sonst zum Verreiben der Farben verwendete. Diesen Stein überzog er ebenso wie die Kupferplatte mit Aetzgrund und übte sich, in diesen die Buchstaben im Spiegelbild zu ritzen.

Als er eines Tages wieder mit derartigen Uebungen beschäftigt war und eben im Begriff stand, flüssigen Aetzgrund über den gereinigten Stein zu gießen, störte ihn seine Mutter mit der Bitte, ihr schnell einen Wäschezettel zu schreiben. Senefelder wollte dem Wunsche nachkommen, suchte jedoch vergebens nach einem Stück Papier, fand auch, daß die Tinte eingetrocknet war, da er in der letzten Zeit die Schriftstellerei über seinen Druckversuchen gänzlich vernachlässigt hatte. Die Wäscherin wartete, die Mutter drängte zur Eile, und so schrieb Senefelder den Wäschezettel kurz entschlossen mit seinem flüssigen Aetzgrund auf den gereinigten Stein. Als er später den Wäschezettel auf Papier abgeschrieben hatte und eben die Schrift wieder vom Stein entfernen wollte, kam ihm der Gedanke, zu versuchen, wie sich der mit Aetzgrund beschriebene Stein gegen aufgegossenes verdünntes Scheidewasser verhalten würde. Der Aetzgrund bestand aus Wachs, Seife und Kienruß, wurde also vom Scheidewasser nicht angegriffen, und so folgerte Senefelder, daß möglicherweise die Steinplatte rings um die mit Aetzgrund bedeckten Schriftzüge vom fressenden Scheidewasser vertieft würde, wogegen die Schriftzüge selbst erhöht stehen bleiben würden. Er faßte den Stein mit einem Wachsrande ein, goß das Scheidewasser darauf und ließ ihn fünf Minuten lang unter der Einwirkung der Säure stehen. Nachdem er diese abgegossen hatte, fand er seine Voraussetzung bestätigt. Alle nicht mit Aetzgrund bedeckten Stellen waren um die Stärke eines Kartenblattes vertieft geätzt, die Schriftzüge dagegen in ursprünglicher Höhe stehen geblieben. Nun schwärzte er die erhabenen Schriftzüge mit Buchdruckfarbe ein, versuchte, Abdrücke auf Papier zu machen — und siehe da, sie gelangen ganz leidlich.

Damit hatte Senefelder zwar noch nicht die eigentliche Lithographie, immerhin aber ein brauchbares Vervielfältigungsverfahren gefunden. Er setzte seine Versuche noch einige Zeit fort und vervollkommnete das Verfahren so weit, daß er vollständig reine und saubere Abdrücke herzustellen vermochte.

Es mußte nun sein erstes Bestreben sein, die Erfindung geschäftlich auszunutzen und darauf womöglich ein Privilegium zu erhalten. Dazu aber war vor allen Dingen Geld nöthig, das Senefelder leider nicht besaß! Vergeblich bemühte er sich, eine kleine Anleihe zu machen; vergebens griff er zu dem verzweifelten [530] Mittel, gegen ein Handgeld von 200 Gulden als Stellvertreter für einen anderen beim Militär einzutreten — man nahm ihn nicht zum Dienste an, weil er ein geborener Ausländer war.

Um diese Zeit (1796) erregte ein schlechter Notendruck seine Aufmerksamkeit; wie wäre es, wenn er sein Verfahren zunächst zum Drucke von Musikalien verwerthete? Er zweifelte nicht, daß er mit seinem Steindruck den bisher üblichen Letternsatz an Schönheit und den Kupferstich an Billigkeit übertreffen würde. Vielleicht war es möglich, einen Musikalienverleger für seine Erfindung zu erwärmen und von ihm die nöthige Geldunterstützung zu erhalten. Er wollte mindestens den Versuch wagen und machte sich auf den Weg, um mit dem Musikalienverleger Falter in München Rücksprache zu nehmen. Als er jedoch an dessen Thür stand, verließ ihn der Muth, unentschlossen kehrte er wieder um und schlich schüchtern nach Hause.

Auf dem Rückweg erfuhr er durch einen bekannten Musiker, daß der Hofmusikus Gleißner beabsichtige, einige Kirchenmusikstücke drucken zu lassen. Da Senefelder mit Gleißner von früher her bekannt war, so stattete er diesem einen Besuch ab und suchte ihn für sein Unternehmen zu gewinnen.

Gleißner sowohl wie seine kluge, unternehmende Frau waren durch einige Proben bald von dem Werthe und der Tragweite der Erfindung überzeugt. Sie wurden Senefelders treue Berather, Mitarbeiter und Geschäftstheilhaber, und ihr Schicksal blieb fortan innig mit dem seinigen verflochten. Gleißner, obgleich selbst in bescheidenen Verhältnissen, brachte die Mittel zur Einrichtung einer kleinen Druckerei auf, eine rohe Holzpresse hatte Senefelders Mutter bereits für 6 Gulden von einem Zimmermann herstellen lassen, und so konnte der Druck der Gleißnerschen Kompositionen beginnen. Das geschah mit solchem Glücke, daß die drei Unternehmer in vierzehn Tagen einen Reingewinn von 70 Gulden erzielten — das erste, mit der Steindruckerei verdiente Geld! Ferner sendete der Kurfürst Karl Theodor für einen ihm überreichten Abdruck 100 Gulden und stellte die Ertheilung eines Privilegiums in Aussicht. Kurz darauf brachte der Druck von „Duetten für zwei Flöten“ weitere 40 Gulden Reingewinn und außerdem ging eine Druckbestellung von der Gräfin Herting in der Höhe von 150 Gulden ein.

Senefelder schwelgte im Glücke, seine Zuversicht wuchs, er wagte es, der Akademie der Wissenschaften eine Probe zur Begutachtung einzureichen, wobei er zugleich bemerkte, daß dieselbe auf einer Presse gedruckt sei, welche nur 6 Gulden herzustellen gekostet habe. Der Erfolg war ein ungeahnter: die gelehrte Körperschaft schickte ihm 12 Gulden und den Bescheid, „daß man wohlgefällig über seine Erfindung votiert und ihm beifolgende Ehrengabe von 12 Gulden bewilligt habe, mit welcher er, als dem doppelten Betrag seiner Auslagen, wohl zufrieden sein werde.“

Eine noch größere Enttäuschung als diese wegwerfende Behandlung durch die Akademie der Wissenschaften mußte der bisher so glückliche Erfinder bei dem Baue einer neuen, kostspieligeren Druckpresse erleben. Als diese Presse, an die er große Hoffnungen geknüpft hatte, fertig war, zeigte es sich, daß sie zum Steindruck nicht geeignet und ganz unbrauchbar war. Der Schlag traf ihn um so härter, da er die alte Presse vernichtet hatte und sich so in der peinlichen Lage befand, die Bestellung der Gräfin Herting nicht rechtzeitig ausführen zu können. In seiner qualvollen Angst und Aufregung gelang es ihm nicht, den Fehler an der Presse zu entdecken, viel Papier wurde verdorben, der Druckauftrag endlich zurückgezogen und das Ende vom Liede war — ein Verlust von 150 Gulden und der Spott mißgünstiger Nebenmenschen!

Die drei Gesellschafter waren in einer wirklich üblen Lage. Senefelder besaß gar nichts mehr; auch Gleißner hatte sein Besitzthum allmählich zu Geld gemacht und obendrein noch eine beträchtliche Schuldenlast übernommen, die zu tilgen ihm bei einem jährlichen Gehalt von 300 Gulden nicht wohl möglich war. In dieser Noth griff der Musikalienhändler Falter ein. Er bewilligte die Mittel zum Baue einer neuen, sorgfältig ausgearbeiteten Walzenpresse und ließ seine Verlagswerke von Senefelder drucken. Lange blieb dem Erfinder indessen das Glück auch jetzt nicht hold; sein treuer Mitarbeiter Gleißner erkrankte gefährlich, er benöthigte der Pflege seiner Frau und Senefelder sah sich plötzlich der werthvollen, für ihn fast unsersetzlichen Hilfe seiner Gesellschafter beraubt. Da ihn selbst die Herstellung der Platten vollständig in Anspruch nahm, so war er gezwungen, den Druck durch Falters Leute ausführen zu lassen, die er in der Eile angelernt hatte. Diesen mangelte jedoch die tiefere Kenntniß der Technik, sie verdarben unmäßig viel Papier, und Falter zog es daher vor, seine Noten wieder in Kupfer stechen zu lassen.

War so die Krankheit Gleißners für Senefelder die Quelle großer Sorgen, so gab sie doch auf der anderen Seite den Anstoß zu neuen, noch wichtigeren Erfindungen, als die bereits gemachte es war. Gleißner hatte bisher die Noten verkehrt mit Bleistift auf den Stein vorgeschrieben und Senefelder, welcher im Verkehrtschreiben nicht gleich geübt war, hatte sie mit chemischer Tinte überzeichnet. Während Gleißners Krankheit nun war Senefelder gezwungen, die Spiegelschrift der Noten selbst auszuführen, und da ihm dies äußerst beschwerlich war, so suchte er ein Mittel zur Erleichterung. Er sann, probierte — und erfand schließlich eine chemische „Umdrucktinte“, mit welcher die Schrift in gewöhnlicher Weise auf Papier geschrieben und von diesem verkehrt auf den Stein „umgedruckt“ werden konnte.

Während dieser Versuche, die er mit den verschiedensten Stoffen vornahm und unermüdlich Monate hindurch fortsetzte, wurde er darauf aufmerksam, daß seine fetthaltige Steintinte alle Nässe, besonders aber dünne Gummilösung, von sich abstieß, wogegen sie die fettige Druckfarbe leicht annahm. Die fettige Druckfarbe aber wurde wieder von der Nässe abgestoßen, setzte sich also bei einem Stücke Papier, welches mit Steintinte beschrieben und hierauf mit dünner Gummilösung überstrichen war, nur auf der Steintinte fest und ließ sich von da leicht auf ein anderes Papier überdrucken. Diese Wahrnehmung führte Senefelder endlich zu seiner größten Erfindung, zur eigentlichen Lithographie oder chemischen Druckkunst. Er folgerte, daß sich eine Solnhofener Steinplatte, mit fettiger Tinte beschrieben, ebenso verhalten würde wie ein Stück Papier, und schon die erste Probe überzeugte ihn von der Richtigkeit seiner Voraussetzung. Alsbald machte er sich an den chemischen Notendruck. Auf einen reingeschliffenen Stein schrieb er mit seiner fetten Tinte Noten, behandelte den Stein leicht mit Aetze und befeuchtete ihn hierauf mit Gummiwasser; als er dann Druckfarbe über den feuchten Stein rieb, blieb diese auf den fetten Noten haften, wurde dagegen vom Steine nicht angenommen, so daß also nur die Noten eingeschwärzt wurden. Nun legte er ein Stück Papier auf den Stein, zog beides durch die Presse und fand zu seiner Freude, daß sich die Noten rein und scharf bis auf die zartesten Striche abdruckten.

Die Proben, welche Senefelder nunmehr mit seiner Kunst lieferte, waren von einer Vollkommenheit, die keinen Zweifel über den Werth der Erfindung mehr übrig lassen konnte; es gingen denn auch soviel Aufträge ein, daß Senefelder mit dem wieder arbeitsfähigen Gleißner bereits daran denken mußte, die Druckerei zu vergrößern. Senefelder lernte auch zwei seiner Brüder an und führte sie in sein ganzes Geheimniß ein, wofür ihm später diese Brüder mit schnödem Undank lohnten. Außerdem beschäftigte er noch einige Lehrlinge und machte bald recht gute und umfangreiche Geschäfte, so daß sich seine und seines treuen Gleißners Lage erheblich besserte. Im Jahre 1799 wurde ihnen endlich auch das Privilegium zur alleinigen Ausbeutung der Erfindung in Bayern auf fünfzehn Jahre verliehen, allerdings, wie sich später zeigte, nur dem Buchstaben nach, nicht als wirklich kräftiger Schutz.

So hätte nun Senefelder aus seiner Erfindung unabsehbar Nutzen ziehen können, wenn er es verstanden hätte, überall seinen Vortheil zu wahren. Aber eine Natur wie die seinige eignete sich hierzu nicht. So groß er als Erfinder war, so ungeschickt war er in kaufmännischen Dingen und in Geldsachen. Dem genialen Manne war der Eigennutz völlig fremd, ihm war es aber auch undenkbar, daß Hinterlist und Selbstsucht die Handlungen anderer leiten könnten, er brachte jedem unbeschränktes Vertrauen und treuherzige, ehrliche Offenheit entgegen.

Senefelders Druckverfahren erregte natürlich schon nach kurzer Zeit die Aufmerksamkeit weiter Kreise. So hatte auch der Offenbacher Musikalienverleger André davon gehört, und als er gelegentlich durch München reiste, erkundigte er sich bei Falter über die Erfindung und ließ sich, ohne seinen Stand zu nennen in die Senefeldersche Druckerei führen. Als er dort die Einfachheit des Verfahrens, die Schnelligkeit des Druckens und die Vollkommenheit der Arbeit sah, erkannte er sogleich den großen Werth der Erfindung, und, indem er sich zu erkennen gab, machte er Senefelder das Anerbieten, ihm gegen eine Entschädigung von [531] 2000 Gulden eine Steindruckerei in Offenbach einzurichten und seine Arbeiter in der Lithographie zu unterweisen. Senefelder ging mit Freude darauf ein, ordnete seine Geschäfte in München und reiste mit seinem Genossen Gleißner nach Offenbach. Und wirklich war auch André von dem Erfolg der ersten Druckversuche so befriedigt, daß er Senefelder den Vorschlag machte, nach Offenbach überzusiedeln, sein Theilhaber zu werden und mit ihm gemeinsam die Erfindung auszubeuten. André wollte die Geschäftsleitung übernehmen, zum Schutze der Erfindung Privilegien in Preußen, Oesterreich, England und Frankreich auswirken, und auch Senefelders treuer Mitarbeiter Gleißner sollte durch ein annehmbares Einkommen versorgt werden. Senefelder und Gleißner bedachten sich nicht lange, das günstige Anerbieten anzunehmen, und so wurde der Vertrag geschlossen. Mit Rücksicht auf das bayerische Privilegium mußte freilich die Münchener Steindruckerei weiter geführt werden, und trotz schlimmer Erfahrungen, die Senefelder bereits mit seinen Brüdern gemacht hatte, übertrug er diesen die Fortführung des dortigen Geschäftes ohne jede Kontrolle.

Unter Andrés umsichtiger Leitung nahm nun das neue Unternehmen einen kräftigen Anlauf, der zu den besten Hoffnungen berechtigte. Während aber Senefelder in London weilte, um dort für das englische Privilegium zu sorgen, begannen seine Brüder in München ihr altes, treuloses Spiel. Sie überredeten ihre Mutter, nach Wien zu reisen und sich dort ein Privilegium für die Familie zu verschaffen, damit diese und nicht der vollständig fremde André den Nutzen aus Alois’ Erfindung zöge. Die Mutter gab nach und machte sich auf den Weg. Das erfuhr Frau Gleißner, und entschlossen reiste sie, von André mit einer Geldanweisung ausgerüstet, der Frau Senefelder nach, um das Privilegium für Senefelder und André zu retten. In Wien hatten sich indessen Dinge begeben, welche das Mißtrauen der Frau Gleißner gegen André wachriefen und als Senefelder mit dem englischen Privilegium aus London zurückkam, fand er einen Brief der Frau Gleißner vor sowie ihres Hauswirths, eines angesehenen Wiener Kaufmanns, in dem er vor André gewarnt und aufgefordert wurde, sofort selbst zur Erwerbung des österreichischen Privilegiums nach Wien zu kommen.

Senefelder stand diesen Vorgängen rathlos gegenüber. Endlich entschloß er sich, die Reise zu unternehmen. Dem widersetzte sich nun aber André, welcher Senefelder behufs Vergrößerung des Geschäftes sehr nöthig in Offenbach brauchte und außerdem wenig Hoffnung hatte, bei dem Stande der Dinge in Wien überhaupt noch etwas zu erreichen. Die Auseinandersetzung beider nahm einen immer erregteren Ton an, André warf Senefelder seine hilflose Lage vor, dieser, dadurch aufgebracht, zerriß den Vertrag und mit den Worten: „Ich mag durch Sie nicht glücklich werden!“ erklärte er die Verbindung für gelöst. Dieser Schritt sollte für ihn verhängnißvoll werden. André hatte es mit Senefelder wirklich ehrlich und gut gemeint, und ohne das Dazwischentreten seiner Brüder wäre diesem die verdiente Belohnung für seine große Erfindung wohl kaum entgangen. Nun aber, ohne den Beistand eines umsichtigen Kaufmanns, glitt ihm jeder Vortheil, den er bereits in der Hand zu halten glaubte, wieder aus den Fingern.

Zunächst erwarteten ihn bittere Enttäuschungen in Wien, wohin er sich, gefolgt von seinen eigennützigen Brüdern, sofort begeben hatte. Frau Gleißner fand er krank und in einer hilflosen Lage. Deren Hauswirth sorgte allerdings bereitwilligst für die Lebensbedürfnisse und brachte in einem Herrn v. Hartl einen Geldmann bei, welcher gewillt war, zur Ausbeutung der Erfindung 6000 Gulden vorzuschießen; Hartl hatte aber weniger den eigentlichen Steindruck im Auge als vielmehr die Ausnutzung des Kattundruckes, eine Erfindung, die Senefelder gleichfalls gemacht hatte. Mit der Erlangung des Privilegiums ging es langsam, und zu dem allen kam, daß sich Senefelders Brüder schon nach kurzer Zeit wieder treulos zeigten. Als sie sahen, daß in Wien keine Reichthümer zu erwerben waren, verlangten sie von Alois, er solle ihnen sofort das nöthige Geld zur Rückreise schaffen, oder sie würden das Geheimniß an Wiener Kunsthändler verkaufen. Um diese Gefahr abzuwenden, gab Hartl das Verlangte, und die Brüder kehrten nach München zurück.

Senefelder richtete nun mit Hartls Hilfe eine Steindruckerei ein, erwarb sich auch durch die hergestellten Proben dessen Zufriedenheit und volles Vertrauen, und Hartl sicherte durch Vertrag dem Erfinder die Hälfte des Gewinnes aus dem gemeinsam zu betreibenden Unternehmen zu, während dieser wieder beabsichtigte, seine Hälfte mit Gleißner zu theilen. Gleißner befand sich noch in Offenbach, und um ihm das Reisegeld senden zu können, machte Senefelder eine Anleihe von 400 Gulden bei seiner Hauswirthin. Diese hilfsbereite Frau besaß mehr kaufmännisches Talent als der geniale Erfinder und verstand es, durch wiederholte Prolongationen die 400 Gulden auf 2000 anwachsen zu lassen, die sie später durch einen Advokaten eintrieb.

Gleißner kam, und um etwas drucken zu können, komponierte er einige Lieder. Denn die Wiener Kunsthändler stellten sich der neuen Erfindung feindlich gegenüber, sie verweigerten jeden Druckauftrag, infolgedessen sich die Gesellschafter ausschließlich auf die Gleißnerschen Schöpfungen angewiesen sahen. Dieser „komponierte einstweilen immer frisch drauf los“, wie Senefelder sagt; der Vorrath an Kompositionen von ihm schwoll immer mehr an, mit ihm wuchsen die Ausgaben, wogegen die Einnahmen ausblieben. Hartl, dessen Einlagen allmählich von 6000 auf 20 000 Gulden gestiegen waren, verlor das Vertrauen und zog sich von dem Unternehmen zurück, indem er es in die Hände seines Sekretärs Steiner und eines Herrn Grasnitzky legte.

Unter der neuen Leitung änderten sich die Verhältnisse. Das Privilegium war ertheilt worden und das Geschäft nahm einen allmählichen Aufschwung. Senefelder allerdings sollte die Früchte nicht mitgenießen, die aus seiner Saat hervorgingen. Als er nach einem Jahre mit Steiner über seinen Gewinnantheil sprach, erklärte ihm dieser, daß erst die 20 000 Gulden an Hartl abgezahlt werden müßten, bevor er einen Gewinnantheil erhalten könnte. Indessen erklärte er sich bereit, Senefelder, der sich in der drückendsten Noth befand, seine gesammten Anrechte sowie das Privilegium für Oesterreich um den Preis von 600 Gulden abzukaufen. Jetzt gingen Senefelder die Augen auf, er sah, wie man gegen ihn zu handeln gedachte — allein es blieb ihm in seiner Nothlage kein Ausweg, er mußte wohl oder übel einwilligen. Bei der Auszahlung des Geldes erfuhr er, daß Gleißner an Steiner noch 550 Gulden schuldete, die von den 600 Gulden abgezogen wurden, und so stand er, seiner Existenz und seines österreichische Privilegiums verlustig, mit den bar erhaltenen 50 Gulden auf der Straße.

Er kehrte im Jahre 1806 nach München zurück, ärmer als er es verlassen hatte. Die unermüdliche Frau Gleißner war ihm dorthin bereits vorausgeeilt und hatte in dem Freiherrn v. Aretin einen Gönner gefunden, der bereit war, den Erfinder zu unterstützen und das Geld zur Gründung einer neuen Anstalt zu bewilligen. Außer dieser erfreulichen Nachricht erwartete ihn indessen bei seiner Ankunft auch eine recht betrübende Botschaft. Seine gewinnsüchtigen Brüder, mit den reichlichen Einnahmen, die sie aus ihrer Münchener Steindruckerei zogen, nicht zufrieden, hatten das Geheimniß der Erfindung eigenmächtig an die Sonntagsschule des Professors Mitterer in München verkauft. Von diesem wurde die Errichtung eines königlichen lithographischen Institutes betrieben, in welchem die Brüder Anstellungen erhielten; später ward noch ein lithographisches Institut im Ministerium errichtet und der eine Bruder Theobald mit hohem Gehalt, Nebeneinkünften und weitgehenden Garantien als Inspektor angestellt.

So wurde das Privilegium von der Regierung, von der es ertheilt worden war, selbst nicht geachtet; kein Wunder, daß sich auch Privatpersonen nicht mehr durch dasselbe gebunden fühlten. Die Technik der Steindruckerei war überhaupt schon allgemein bekannt, frühere Lehrlinge Senefelders, seiner Brüder und Andrés hatten das Geheimniß in andere Städte und Länder getragen, in Stuttgart war unter dem Titel „Das Geheimniß des Steindrucks“ ein Lehrbuch erschienen, und in München bestanden schon 1809 nicht weniger als sieben Steindruckereien. Als Senefelder wegen Verletzung seines Privilegiums Beschwerde führte, antwortete man, das Privilegium sei nicht mehr aufrecht zu erhalten, da die Erfindung längst Gemeingut sei.

Freiherr v. Aretin hatte die hochherzige Absicht, dem Erfinder durch die Gründung einer Kunstanstalt die Zukunft zu sichern und alles beizutragen, seine Verhältnisse zu bessern. Der beste Wille war vorhanden; allein so wenig wie Senefelder war Aretin kaufmännisch veranlagt. Ihre lithographische Anstalt leistete Vorzügliches, sie hatten tüchtige Künstler gewonnen und Werke wie das von Albrecht Dürer für Kaiser Maximilian gezeichnete Gebetbuch in vorzüglicher Nachbildung herausgegeben; trotzdem [532] blieb der geschäftliche Gewinn aus. Die Konkurrenzdruckereien hatten die Preise herabgedrückt, und so arbeitete Senefelder unter Sorgen und Anstrengungen, ohne vorwärts zu kommen. „Es schien —“ sagt er selbst — „daß ich bloß deshalb Tag und Nacht gearbeitet hatte, um anderen den Vortheil meiner mühseligen Arbeiten überlassen zu müssen, indeß ich selbst nur das Leben durchbrachte.“ Ja, eine Zeitlang dachte er sogar daran, bei einem seiner früheren Lehrlinge als Gehilfe in Arbeit zu treten. So weit kam es nun allerdings nicht, denn ein glücklicher Zufall brachte plötzlich eine andere Wendung in sein Geschick.

Der Geometer Schiegg, unter dessen Aufsicht die Karten und Pläne in der Regierungsdruckerei hergestellt wurden, hatte den Direktor der Vermessungskommission, Geh. Rath Utzschneider, auf die Verwendbarkeit des Erfinders aufmerksam gemacht, und dies führte zu Verhandlungen, deren Ergebniß Senefelders sowie Gleißners Anstellung in der Regierungsdruckerei war. Senefelder wurde 1809 mit dem Titel eines königlichen Inspektors mit 1500, Gleißner mit 1000 Gulden Gehalt angestellt. Ersterer gab die von Aretin eingerichtete Druckerei auf und widmete seine fernere, nun von Sorgen befreite Lebenszeit ganz der Weiterausbildung seiner geliebten Steindruckerei. Zunächst ging er an die Ausführung seines Lieblingsplanes, an die Herausgabe eines großen, mit vielen Vorlagen ausgestatteten Lehrbuches, das im Jahre 1818 erschien; daneben beschäftigte er sich mit der Erfindung eines Farbendruckes zur Vervielfältigung von Oelbildern und war bis an sein Ende mit neuen Versuchen beschäftigt. Mit selbstloser Freude sah er die schnelle Ausbreitung der Steindruckerkunst in allen Kulturländern, und obgleich ihm seine Erfindung keine pekuniären Erfolge gebracht hatte, so war er doch weit entfernt, sich darüber in unfruchtbaren Klagen zu ergehen. Nur das schmerzte ihn tief, daß in Zeitungen und Büchern sein reines Streben verkannt, daß ihm Eigennutz und andere unedle Triebfedern untergeschoben wurden, ja, daß man ihm sogar seine Erfindung böswillig abstritt. Man warf ihm vor, er habe nur das Rohe des Steindrucks erfunden, es nicht weiter als bis zum Notendruck gebracht, er habe aus Eigennutz das Geheimniß der Erfindung verborgen gehalten und was dergleichen vom Neide eingegebene Gehässigkeiten mehr waren.

Wahrhaft mitleiderregend war das Ende des Gleißnerschen Ehepaares, das mit Senefelder so treulich Leid und Freude getheilt hatte. Gleißner verfiel in eine unheilbare Gehirnkrankheit und starb im Jahre 1824, seine Frau in einer gänzlich hilflosen Lage zurücklassend. Muthig und entschlossen, wie sie stets gewesen, suchte sie sich wohl mit Hilfe einer kleinen Druckerei zu ernähren, allein sie erlag der wachsenden Konkurrenz. Senefelder that, was in seinen Kräften stand, um die Lage der armen alten Frau zu bessern, und rief selbst die Großmuth des Königs an — mit welchem Ergebniß, ist leider unbekannt geblieben.

Senefelder wurde 1827 in den Ruhestand versetzt und lebte von da an noch bis zum 24. Februar 1834. Es war ihm nicht vergönnt, aus seiner großen Erfindung auch nur so viel zu ziehen, als nöthig war, um seine Hinterbliebenen vor der Noth zu bewahren. Schon zwölf Jahre nach seinem Tode, in den Jahren 1846 und 1847, wurden in Zeitungen Aufrufe zur Unterstützung seiner bedrängten Familie erlassen, leider mit geringem Erfolg. Ebenso ward im Jahre 1872 eine weitere Sammlung veranstaltet, hauptsächlich zur Unterstützung einer Nichte Senefelders, welche erblindet war, in bitterer Noth ihr Bett verkaufen mußte und krank auf armseligem Strohlager dahinsiechte. Die Sammlung ergab 55 Thaler 12½ Silbergroschen!!!