Am Wartburgthor

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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Am Wartburgthor
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 352–354
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[353]

Am Eingange der Wartburg.
Nach der Natur aufgenommen von K. S.

[352]
Am Wartburgthor.


Die Berge schmückt der Frühlingsschleier,
Und alle Wälder wachten auf.
Da hebt die Auferstehungsfeier
Zur Waldburg uns das Herz hinauf.

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Wie trotzt der Pfad, in Fels gehauen,

Zu Fels ergraut des Thors Gestein!
Und acht mal hundert Jahre schauen
In ihrer Mauern Kranz herein.

Und acht mal hundert Jahre schreiten

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Durch dieses Thor aus dem Gefild

Und tragen Bild um Bild der Zeiten
Durch dieses Thor auf ihrem Schild.
Da drängt’s den Geist, daß er berichte,
Was, Zug um Zug, ihm steigt empor,

15
Ein treuer Pförtner der Geschichte,

Das Aug’ versenkt in’s dunkle Thor.

Hell blitzt das Schloß weit in die Thale,
Verkündend allem deutschen Land,
Daß Thüringen zum zweiten Male

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In seiner Stämme Ring erstand.

Tief in der Unstrut liegt die Krone
Vom hingesunk’nen Königshaus:
Hoch schaut von seinem Wartburgthrone
Der Löwe in die Welt hinaus.

[353]
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Trompetenschall und Jubelrufe!

Das erste Wartburgfest bricht an!
Wie dröhnt vom scharfen Rosseshufe
Der Felsweg! Auf das Thor gethan!
Da sprengt herein des Bergs Bezwinger,

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Herein des Heerzugs Rott und Trott:

Grüß Gott, Herr Ludewig, der Springer!
Und Euren Eingang segne Gott!

Und wieder klirrt’s herauf von Eisen.
Zum Junkerschrecken wird der Stuhl

35
Des Fürsten, den die Bauern preisen:

Er kommt vom Schmiede in der Ruhl!
Und hinter ihm, in Kriegeswettern,
Die Lanze hoch, das Schwert gezückt,
Des Barbarossa tapfre Vettern,

40
Den Mantel mit dem Kreuz geschmückt.


Horcht auf! Vom Thal welch’ Harfenklingen!
Es zieht herein der Sänger Kreis,
um für die Minne zu erringen
Im Wartburgkrieg der Palme Preis.

45
Darauf, nach bösen Kampfes Tosen,

Geht still herauf Elisabeth,
Im Arm der Armuth Korb voll Rosen,
Die fromme Seele voll Gebet.

Gleich frommer Ehre hat die Rechte

50
Held Ludwig fest und treu geweiht:

Wie glänzt die Wartburg als die echte
Herberge der Gerechtigkeit!
Von Thüringen bebt bis zum Rheine
Die Raublust, als sein Kriegeszug

55
Das Schwert der Rache bis zum Maine

Um seines Krämers Esel trug.

Trübt sich der Tag? Der untreu fröhnig
Wird das Geschlecht. Wer zieht heraus?
Sieh’, Raspe ist’s, der Pfaffenkönig!

60
Thorwart, schleuß’ ihm das Thor nicht auf!

Wozu das Thor noch? Schmach und Trauer!
Die Blide wird der Treue Lohn –
Und dort, ach, flieht, steilab die Mauer,
Die Mutter vom gebissnen Sohn.

65
Und wieder strahlt es hell! Da reitet

Zum Thore der Gebissne ein. –
Weit hin von Siegesehren breitet
Sich seines Lorbeers Zauberschein.
Und höher noch im Sohne blühen

70
Der Wartburg Glanz, Thüringens Macht –

Recht wie der Berg im Abendglühen
Ausleuchtet, eh’ er sinkt in Nacht.

[354]

Der Löwe stirbt. Wohl trägt zum Thore
Wettin herein den Rautenkranz.

75
Doch trauernd mit dem Wittwenflore

Verhüllt die Burg den alten Glanz:
An’s Herz gedrückt der Minne Lieder
Sinkt sie wie auf die Todtenbahr
Verlassen und vergessen nieder

80
Und schlummert hundertfünfzehn Jahr’.


Da ballt zum Wetter sich die Wolke
Am deutschen Himmel, donnernd fährt
Den Fürsten all’ und allem Volke
Ein Blitz durch Herz und Haupt! Verklärt

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Vom ew’gen Licht der Wahrheit zittern

Die Mauern, es zerreißt der Flor;
Der mächtigste von allen Rittern,
Ihr größter Gast betritt das Thor!

Der Junker Görg! Die Flammenleuchte,

90
Die auf den Zinnen hoch er hält.

Der Welt, die vor dem Wahn sich beugte.
Hier leuchtet sie der ganzen Welt!
Sie leuchtet fort, ob auch die Hallen,
Die ausgestrahlet „Gottes Wort“,

95
Verödet trauern und verfallen

Dreihundert Jahr’, sie leuchtet fort.

Und ihre Flamme hat entzündet
Das Herz der treuen Jünglingsschaar,
Die auf der Wartburg Fels gegründet

100
Des deutschen Geistes Hochaltar:

Der Heldenjugend ohne Gleichen,
Die dem zerriss’nen Reich entrollt
Der deutschen Einheit erstes Zeichen,
Das ewig hehre Schwarz-Roth-Gold!

105
Ein halb Jahrhundert hat gerungen

Die Wartburgfahne mit der Macht:
Der deutsche Geist blieb unbezwungen,
Trotz Bundestag und Kerkernacht! –
Heut ist’s vollbracht! Ihr tapfern Alten,

110
Der Erbfeind sank, die Zwietracht liegt

Zermalmt! Gott war mit Eurem Walten:
Der Geist der Wartburg hat gesiegt!

Drum stehst du, alte hohe Warte,
In Deutschlands Herzen so geweiht.

115
Daß jedes deutschen Siegs Standarte

An deiner Ehren Kranz sich reiht.
So schreite, von der Welt bewundert,
Von Sieg zu Sieg der deutsche Geist!
Heil Burg dir, die noch manch Jahrhundert

120
Ein Pförtner der Geschichte preist!
Friedrich Hofmann.