Amerikanische Studien nach der Natur

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Autor: Otto Ruppius
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Titel: Amerikanische Studien nach der Natur/Nr. 1. Das Dienstmädchen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 608
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[608] Amerikanische Studien nach der Natur. Nr. 1. Das Dienstmädchen. Das Dienstmädchen in Amerika zerfällt in drei abgesonderte Species: das amerikanische, das irische und das deutsche.

Das amerikanische Dienstmädchen stellt sich, als Amerikanerin, mit jedem andern weiblichen Wesen dieses Continents auf gleiche Höhe, vermiethet sich deshalb nicht, sondern geht nur einen Contract ein und verfügt völlig selbständig über ihre Zeit, sobald sie mit der für sie bestimmten Arbeit zu Ende ist. Wo in Deutschland die Herrschaften Nachweise über gute Führung fordern, da verlangt sie Nachweise der verschiedensten Art, ehe sie „einen Platz“ annimmt – wie viel Kinder vorhanden sind, wie oft Gesellschaft im Hause gegeben wird, ob auch sämmtliche Zimmer und Treppen mit Teppichen belegt sind,[1] wie lange frühere Dienstmädchen in der Familie gewesen sind. Als erste Bedingungen aber stellt sie, daß sie einen oder den andern „Freund“, der sie besucht, im Besuchszimmer empfangen dürfe, und daß sie der Wäsche halber im Tragen und beliebigen Wechseln von weißem Unterzeuge nicht beschränkt sei. In ihrem ganzen Thun und Sein, selbst beim Fegen der Straße, strebt sie „Lady“ zu sein, und sollte sie auch nur zwei baumwollene Hemden besitzen,[2] so müssen sie doch mit Spitzen besetzt und einem wenigstens vergoldeten Knopfe versehen sein, sollte sie auch die zerrissene Ferse der Strümpfe unter die Fußsohle ziehen, so würde sie doch nur weiße tragen, und hat sie sich auch noch keinen Cent zurücklegen können, so ist sie doch im Stande, sobald sie zu irgend einer Gesellschaft oder Landpartie eingeladen wird, äußerlich völlig als „Lady“ aufzutreten. Das amerikanische Dienstmädchen hat durch den Segen der Freischulen meist eine allgemeine Schulbildung genossen, welche sie indessen durch eifriges allabendliches Lesen der städtischen Neuigkeiten und Mordgeschichten in der Zeitung gehoben zu haben meint; sie tritt deshalb auch mit großer Sicherheit in die Conversation ihrer Herrschaft ein und würde ein Zurückweisen ihrer Theilnahme als eine unerträgliche Verletzung ihrer Menschenrechte betrachten. Ist sie hübsch, was unter dieser Species meist der Fall ist, so findet sie es nur natürlich, einmal die gleiche Stellung, wie die ihrer jetzigen „Mistreß“ einzunehmen.

Das irische Dienstmädchen beschränkt sich vor Annahme eines „Platzes“ nur auf die Frage nach der Entfernung des Brunnens und des Holzgelasses, und ihre Hauptbedingungen sind: an jedem katholischen Fasttage freie Verfügung über die Butter und das Eingemachte; sowie neben den ihr gehörenden Abenden und Sonntagen Zeit für den Wochenbesuch der Kirche. Sie kann meist nicht lesen, sitzt aber dennoch an streng gebotenen Feiertagen, das Gebetbuch verkehrt in ihrer Hand, stundenlang in ihrer Kammer. Ihre beiden Hauptleidenschaften sind schreiender Putz und ein heimlicher Schluck Whiskey, welcher letzteren Neigung nur durch eine öftere Untersuchung ihres Bettes, das meist als Flaschenkeller dient, gesteuert werden kann. Sie ist selten recht reinlich, meist näschig und entweder von einer eigenthümlichen Beschränktheit, oder versteckt und unzugänglich. Nur in Ausnahmsfällen kann sie sich über drei oder vier Monate an einem Orte halten.

Das deutsche Dienstmädchen giebt in Amerika den schlagendsten Beweis von der Gelehrigkeit und schnellen Auffassungsgabe ihrer Race. Sie darf nur drei Tage in ihrem ersten Dienste sein, so ist sie schon über die Gewohnheiten und Traditionen der Heimath hinweg, hat völlig den Satz begriffen: daß man in Amerika nicht Alles zu thun braucht, was die Herrschaft verlangt, und sieht am Sonntag ohne Gewissensscrupel die Hausfrau Köchin und Kindermädchen [WS 1] machen. Trotzdem ist das, was sie als Grundanlage mit herüber gebracht, Treue und leicht zu gewinnende Anhänglichkeit, die Gewohnheit scharfen Arbeitens und ein instinctmäßiges Respectsgefühl gegen die Brodherrschaft, noch nicht völlig auszurotten gewesen, und deutsche Dienstmädchen sind deshalb trotz ihrer anfänglichen Schwerfälligkeit in Erlernung der englischen Sprache ein so gesuchter Artikel unter den Amerikanern, daß ihnen ein Lohn von 120 Dollars jährlich gern bezahlt wird. Das deutsche Dienstmädchen heirathet meist schnell aus ihrem Dienste weg, und unter der länger angesessenen deutschen Bürger-Aristokratie giebt es sogar verhältnißmäßig wenige Frauen, welche nach ihrem Eintritt in das neue Land nicht zuerst gedient hätten.

O. R.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Original: Kindermächen
  1. Amerikanischer Styl in jedem bessern Hause und das Scheuern völlig ersparend.
  2. In Amerika wird regelmäßig wöchentlich gewaschen.