An ** wegen eines Vorwurfs über Liebe
Jüngling, willst du mich verdammen?
Jüngling, hast du nie geliebt?
Loderte in gleichen Flammen
Nie dein Herz mit der zusammen
O so schweig! Vermag dem Kranken
Aller Freuden Götterwein –
Göß auch Hebe selbst ihn ein –
Ungekostet, die Gedanken
Mich verdammen? – Jüngling, weine!
Denn noch lacht kein Morgenroth
Deinem Lenz mit Purpurscheine,
Da den Kelch von diesem Weine
Unter Winternächten starrend,
Schlummert deiner Freude Land
Kaum geahndet! Auf die Hand
Einer mildern Allmacht harrend,
[236]
Heil! Mir sind sie nun entflogen
Nebelhüll und Winternacht!
Seit im goldnen Strahlenbogen
Du am Aether aufgezogen,
Wie einst Orpheus Zauberleier
Leben strömte durch den Hain,
Leben durch den Marmorstein,
Goßest du der Liebe Feuer
In der Jugend schwachem Kahne
Irrt’ ich mit der Sehnsucht Weh
Auf des Lebens Oceane,
Als die hohe Götterfahne
Ha! Willkommen Lustgefilde!
Muttererde sey gegrüs’t!
Wo die Thräne, die noch fließt
Mit dem Rosenmund die Milde
[237]
Neu durchathmet, neugebohren
Fühl’ ich meines Geistes Kraft;
Röther schimmern mir Auroren,
Freundlicher umtanzen Horen
Dichter, schwesterlicher ketten
Sich der Freude Wonnereihn,
Nachtigallen flöten drein,
Singen mich auf Rosenbetten
Schöner, als beym Göttermahle,
Beut die Liebe mir die Frucht,
Süsser labt der Quell im Thale
Als der Wein der Nektarschaale,
Werther, daß ihn Pindar [sänge],
Ist der Kranz, den ihre Hand
Im bescheidnen Thale band,
Als die Kron’ im Festgepränge,
[238]
Jüngling, guter Jüngling, weine!
Deiner Freude Blüthe bricht;
Denn die Himmlische, die Eine
Pflegt in ihrem Sonnenscheine
Seelig, seelig, wem die Liebe
Zu des Lebens Trost und Stab,
Eine holde Freundinn gab;
Nimmer zieht sein Himmel trübe
Liebe giebt ihm Adlerflügel,
Hoch empor zum Sonnenlauf;
Liebe, Gottes reiner Spiegel,
Drükt der Unschuld heilges Siegel
Winkt vom Himmel Engel nieder,
Zaubert ewig jung und grün
Ein Arcadien um ihn,
Wo die Freud’ und Unschuld wieder
[239]
Wenn der Sturm des Lebens stürmet,
Tausend Wetter ihn umdrohn,
Woge sich auf Woge thürmet,
O! wer faßt, wer hält, wer schirmet
Liebe mit der starken Rechte
Schirmt des Glükkes Königssohn!
Sieh! Die Wetter sind entflohn,
Und durch helle Sternennächte
„Sey gegrüßt! Vom Wogenschwarme
Sollst du, matter Dulder, nun
Nach des Lebens Müh’ und Harme
In der Liebe sicherm Arme
In dem ersten keuschen Kusse,
Den dir deine Milde küßt,
Wenn sich Seel’ in Seel’ ergießt,
Sey mit himmlischem Genusse
[240]
Sieh! Wie mir der Engelfriede
Labungsvoll entgegenfliegt.
Nachtigall mit deinem Liede
Wird im süssen Traum der Müde
Still ihr Lüfte. Leis’ umflügelt
In der Ahndung Silberflor
Mich der Träume stilles Chor,
Und ein süsses Sehnen spiegelt
Dufte süßer, heil’ge Blume,
Rinne leiser, Schattenbach!
Saiten, schweigt vom Heldenruhme,
Hallt in diesem Heiligthume
Ha! dieß Stammeln! Ha, dieß Beben!
Dieser glühe Flammenkuß,
Dieser Wonnen Vollgenuß –
Kündet das ein höhres Leben –