An Daphne
Als noch das Flügelkleid dich liebliche Daphne umwallte,
Damals zogst du ein Heer williger Sclaven dir auf,
Wenn in der kindischen Hand, die Amor mit Grübgen besäte,
Futter tragend und Trank, du das Gegitter betratst,
Raubte die süssere Kost aus alabasterner Hand,
Jubelnd begrüßten sie dich mit ihrem schmetternden Liede,
Und es erhoben sich dir brütende Weibchen vom Nest.
Alle vergaßen, daß du den Kerker ihnen bereitet,
Und du wähnest sie frey, die gelbgefiederten Kleinen
Seit dich dem heimischen Heerd Amor und Hymen entführt?
Reizende Daphne, du irrst, was je zu Sclaven du wähltest,
Löset die Fessel sich nie, die es dir eigen gemacht.
Zu Amorinen sie um, ewig zum Dienst dir geweiht.
Hunderte ringeln dein Haar, in deinen glänzenden Locken
Birgt sich mancher und hüpft auf der gehobenen[WS 1] Brust;
Andre umspielen die Hand, die Falten des leichten Gewandes
Flatternd, doch stets dir getreu, um immer bey dir zu verweilen,
Haben die Flügelchen sie selber sich willig gekürzt.
Gauckelnd umschweben sie dich im magischen Kreis und es weichet
Nimmer Geliebte von dir fürder die dienende Schaar,
Jedem entweihenden Hauch, der sich dir frevlend genaht;
Hier dem entstellenden Gram, mit bleicher und bebender Lippe,
Der mit der zuckenden Hand, grausam die Sterblichen faßt,
Dort der Menadischen Lust, sie schwingt berauschet den Tyrsus,
Dich nur bewahren sorgsam vor beyden die kleinen Getreuen,
Halten zum schönen Geleit stets dir die Grazien fest.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: gegehobenen