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An Wilhelm Friedrich Hitzig

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Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: An Wilhelm Friedrich Hitzig
Untertitel:
aus: J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 2, S. 175–180
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1803
Erscheinungsdatum: 1834
Verlag: Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons
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[175]
An

Wilhelm Friedrich Hitzig.

1803.

Sag, sind wir denn beide so völlig verrostet,
Und haben doch hybläischen Honig gekostet,
Laufen in Prosa zu Fuß durch die Zeiten,
Und könnten auf Jamben und Sechsfüßen reiten,

5
Saufen des Wassers mit andern Millionen,

Und lassen verschimmeln des Punsches Citronen?
In Steinbrunners-Gestalten[1] gewoben,

[176]

Haben uns des Proteus[2] Engel umschwoben?
Wie? Sind wir auf dem Belchen gewesen,

10
Und haben im großen Psalter gelesen?

Und als die Säustel[3] den Augen entschwanden,
Haben wir das Halleluja verstanden,
Das krachende Eichen und stürzende Tannen,
Dem Niegesehnen zu singen begannen,

15
Und schlagen noch knechtisch das Ruder und schwitzen,

Statt im äther’schen Luftball zu sitzen,
Und unter des Himmels vergoldeten Nägeln
Im lieblichen Schwanken des Reimes zu segeln?

     So reim’ dich denn, oder

20
     Ich friß dich, und so der

     Apostel Johannes
     Auf Befehl eines Mannes

[177]

     Auf einmal ein Büchlein
     Verschlang, wie ein Küchlein,

25
     So macht das Ersticken

     Mir auch keine Sorgen.

     –     
     –     
     –     

30
     –     

     –     
     –     

Mich dauert der Arme in seiner Verblendniß.
     Gott helf’ ihm in Gnaden

35
     Zu Brod und Erkenntniß,

     Und heile den Schaden.

Mit Liebe und Freude, (der Luftballon steiget,
     Lang schwankt er gefährlich,
     Und hob sich beschwerlich),

40
Hat Kirchenrath Sander etwas Junges[4] gezeuget;

In selige Schöpfergefühle verloren,

[178]

Hat er einen neuen Trabanten geboren,
Wenn’s erlaubt ist zu sagen, daß nur die Lyceen
Um die verkohlte Sonne am Neckar sich drehen,

45
Die Pädagogien auswärts hingegen,

Als Monde sich um die Lyceen bewegen.
     Mit Reizen der Jugend geziert,
     Von freundlichen Horen geführt,
     Tritt Lahr in die kreisenden Bahnen.

50
     Nun möcht’ ich dich, Lieber, ermahnen:

Du hattest mir einst von dem Büchlein geschrieben,
Nach welchem du selber Physik hast getrieben,
(Heißt’s Krüger, heißt’s Brünnig, ich weiß es nicht mehr,)
Als du noch in deinem wohlthätigen Schein

55
Der Mann im Lörracher Monde zu seyn,

     Genossest die Ehr’.
     So ein Büchlein, das hätten wir gern,
     Für den neuen lachenden Stern,
     Und suchen wohl eins,

60
     Und finden doch keins

     Das kurz und jugendlieb wär.
Drum möchte Herr Sander das deine gern sehn,
Eh’ er kauft eine Katz in dem Sack,
Und weil er demnächst wird ins Oberland gehn

65
Und rauchen manch’ Pfeiflein Tabak,
[179]

     So trags doch, o Lieber,
     Nach Lörrach hinüber.[5]
Herr Special Krey wird so gütig dann seyn,
Und mit Aufschrift und Siegel des Amtes es weihn;

70
     Damit es ohne weitere Kosten,

     Durch die Turn- und Taxischen Posten,
An das Specialamt in Hochberg lauft ein!

     Was da haben die Männer in Baden gemacht?
(Auch ich hab’ Träum’ und Gesichter).

75
Jung warf in die apokalyptische Nacht

Ein paar schöne romantische Lichter.
     Da lagen die Auen gedehnt,
     Nach denen das Heimweh sich sehnt.
          Hingegen Herr Fein,

80
          Warf Schwärmer darein.

     Da sagte Herr Ewald: „O schont
     Des Leuchtens! Ich bin ja der Mond!“
          Will’s so nicht behagen,
          Will ich anders es sagen.

85
     Herr Stilling schaute ins Dunkel hinauf,

     Er erspäht in der neblichten Ferne
     Jerusalems leuchtende Sterne.
     Da thürmte sich Fein in Gewittern auf,

[180]

     Und umhüllte die flimmernden Sterne,

90
     Und windet und donnerte drauf und drauf,

     Und blitzte mit Bengels Laterne.
     Da löste Herr Ewald den Wetterdunst auf,
     Und stürzte, ein Platzregen, nieder,
     Da strahlten die Nachtlichter wieder.

95
          Und war die prophetische Nacht

          Auch diesmal fast dunkler gemacht,
     Soll Ewald und Fein es entgelten!
     Den andern, den ließ ich nicht schelten.
O wehe mir Armen! Ich tauche schon nieder,

100
          Immer schiefer,

          Immer tiefer
     In die Wolkenschicht nieder.
Lebe wohl, o Proteuser! Der Urgeist umgeb’ dich!
Das Lispeln der heilgen Buchen umschweb dich!

105
Die Reinheit des Aethers vom Belchen durchweb’ dich!

  1. Steinbrunner ein Bauer, welcher Hebel und Hitzig auf einer Reise im Schwarzwalde auf den Belchen begleitete. Steinbrunners-Gestalten, das heißt: Gestalten solcher Wegweiser im Schwarzwalde.
  2. Proteus heiß hier so viel: als schöpferischer Urgeist.
  3. Mit dem Worte Säustel bezeichnet Hebel große Steine, welche, als er den Belchen bestieg, damals an dem steilen Berg hinabrollten. Den Ausdruck entlehnte er von dem Wegführer Steinbrunner, der die Größe der Steine mit der der Säustel, d. i. der Schweinställe verglich.
  4. Im Jahr 1803 wurde nämlich auf Sanders Vorschlag und nach seinem Plane das Pädagogium zu Lahr errichtet.
  5. Hitzig war damals Pfarrer zu Rötteln bei Lörrach.