An meinen Brun
« An Selma Gerstenberg | Gedichte (Friederike Brun) | An Schulz und Voß » |
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
|
[67]
An meinen Brun.
Vor der Geburt meines zweiten Kindes.
(1786).
Che altro ch’un sospir breve e la morte?[1]
Petrarca.
Wenn vielleicht, nach wenig schnellen Tagen,
Sanft mein Auge sich im Tode schließt,
Und mein Geist, entfloh’n der Erde Plagen,
Sich im Strom der Seligkeit ergießt –
Klagen wird die Freundschaft um das Grab,
Das, nach manchem still ertragnen Sehnen,
Mich dem Schooß der Muttererde gab!
[68] Und dein Blick, du liebendster der Gatten,
Das, durch bittern Schmerz und dunkle Schatten,
Seine Mutter an den Himmel band!
Klage, Theurer! Denn mit treuer Liebe
Liebte deines Weibes Seele dich,
Sind auch dort noch Seligkeit für mich.
Wenn den süssen Erstling unsrer Herzen
Nie vorher gefühlte Sehnsucht quält,
Und das Vorgefühl der Erdenschmerzen
Wenn er sucht, und nicht die Mutter findet,
Auch nicht findet in des Vaters Arm;
Jammernd sich an deinem Busen windet –
Ach! wer lindert deinen bittern Harm?
Deines Friedchens treuer Schatten dich;
Gießet sanft, aus hellen Himmelslüften,
Hohen Trost herab für dich und mich –
Und du fühlst des Himmels starken Frieden,
Und aus tiefem Gram, der dich hienieden
Fest ergriff, reißt sich dein Geist empor!
Freudig führt, durch lichte Himmelsauen,
Dich entzückt dein Weib zu Gottes Thron;
Meinen ach! zu leicht errungnen Lohn.