Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Die drei Spinnerinnen
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14. Die drei Spinnerinnen. | 1856 S. 23. |
1819 nr. 14 nach einer Erzählung aus dem Fürstentum Corvei; doch ist aus der hessischen, die 1812 nr. 14 (Von dem bösen Flachsspinnen) nach Jeanette Hassenpflugs Mitteilung vom selben Jahre gedruckt war, beibehalten, daß es drei Jungfrauen sind, jede wegen des Spinnens mit einem eigenen Fehler behaftet. Dort sind es nur zwei steinalte Frauen, die vom Sitzen so breit geworden sind, daß sie kaum zur Stube herein können; von dem Netzen und Lecken des Fadens haben sie dicke Lippen, vom Ziehen und Drehen desselben aber häßliche Finger und breite Daumen. Die hessische leitet auch anders ein, daß nämlich ein König nichts lieber gehabt [110] als das Spinnen, und deshalb zum Abschied bei einer Reise seinen Töchtern einen großen Kasten mit Flachs zurückgelassen, der bei seiner Wiederkehr gesponnen sein sollte. Um sie zu befreien, ladete die Königin jene drei mißgestalteten Jungfrauen ein und brachte sie dem König bei seiner Ankunft vor die Augen.
J. Prätorius erzählt im Abenteuerlichen Glückstopf 1669 S. 404–406 das Märchen folgendergestalt: Eine Mutter kann ihre Tochter nicht zum Spinnen bringen und gibt ihr darum oft Schläge. Ein Mann, der das einmal mit ansieht, fragt, was das bedeuten solle. Die Mutter antwortet: ‘Ich kann sie nicht vom Spinnen bringen; sie verspinnt mehr Flachs, als ich schaffen kann.’ Der Mann sagt: ‘So gebt sie mir zum Weib! Ich will mit ihrem unverdrossenen Fleiß zufrieden sein, wenn sie auch sonst nichts mitbringt.’ Die Mutter ist von Herzen gern zufrieden, und der Bräutigam bringt der Braut gleich einen großen Vorrat Flachs. Davor erschrickt sie innerlich, nimmts indessen an, legts in ihre Kammer und sinnt nach, was sie anfangen solle. Da kommen drei Weiber vors Fenster, eine so breit vom Sitzen, daß sie nicht zur Stubentüre herein kann, die zweite mit einer Ungeheuern Nase, die dritte mit einem breiten Daumen. Sie bieten ihre Dienste an und versprechen das Aufgegebene zu spinnen, wenn die Braut am Hochzeittage sich ihrer nicht schämen, sie für Basen ausgeben und an ihren Tisch setzen wolle. Sie willigt ein, und sie spinnen den Flachs weg, worüber der Bräutigam die Braut lobt. Als nun der Hochzeittag kommt, so stellen sich die drei abscheulichen Jungfern auch ein; die Braut tut ihnen Ehre an und nennt sie Basen. Der Bräutigam verwundert sich und fragt, wie sie zu so garstiger Freundschaft komme. ‘Ach,’ sagt die Braut, ‘durchs Spinnen sind alle drei so zugerichtet worden; die eine ist hinten so breit vom Sitzen, die zweite hat sich den Mund ganz abgeleckt, darum steht ihr die Nase so heraus, und die dritte hat mit dem Daumen den Faden so viel gedreht.’ Darauf ist der Bräutigam betrübt worden und hat zur Braut gesagt, sie sollte nun ihr Lebtage keinen Faden mehr spinnen, damit sie kein solches Ungetüm würde.
Eine dritte Erzählung aus der Oberlausitz, die Th. Pescheck in Büschings wöchentlichen Nachrichten für Freunde der Geschichte des Mittelalters 1, 355–360 (Breslau 1816) = Haupt, Sagenbuch 2, 197 mitteilt, stimmt mit Prätorius im ganzen überein. Die eine von den drei Alten hat triefende Augen, weil ihr die Unreinigkeiten des Flachses hineingefahren sind; die zweite einen großen Mund von [111] einem Ohr bis zum andern, wegen des Netzens; die dritte ist dick und ungefüg vom vielen Sitzen bei dem Spinnrad. – Die drei Flachsspinnerinnen, von G. in Kühnes Europa 1853, nr. 55. Aus Hinterpommern bei Knoop S. 223 nr. 2 ‘Die Spinnerin’. Bei U. Jahn 1, 226 nr. 41 ‘Duurnrösken’ vermischt mit den Erzählungen von Rumpelstilzchen und von Dornröschen. Aus Posen in den Blättern ‘Aus dem Posener Lande’ 3, 13 (Lissa 1908). Aus Ostpreußen bei Lemke 2, 122 nr. 20, 1–3 ‘Die faule Spinnerin’ (in der 2. Fassung spinnen die drei Alten Haferstroh zu Seide, wie in dem Liede von unmöglichen Dingen bei Erk-Böhme, Liederhort 3, 34 nr. 1090–94). In der holsteinischen Erzählung bei Müllenhoff S. 499 nr. 8 ‘Fru Rumpentrumpen’ vergißt die junge Königin eine der drei Helferinnen einzuladen und soll ihr dafür ihren Sohn geben, falls sie nicht in drei Tagen ihren Namen zu nennen weiß (vgl. dazu unten nr. 55: Rumpelstilzchen). Wisser 3, 77. Wossidlo, Reuter S. 90. – Ebenso ist im vlämischen Märchen (Cornelissen nr. 26) unsre Geschichte an die von Rumpelstilzchen angehängt. – Dänisch bei Grundtvig, Minder 2, 163 ‘Trillevip’ (desgleichen; der abgewiesene Zwerg ist so gutmütig, am Hochzeitstage die drei Alten zu senden). Grundtvigs hsl. Register nr. 50 ‘Spindepigen og de underlige mostre’. Kristensen, Fra Bindestue 2, 37 nr. 6 ‘De tre Spindekjællinger’. v. Sydow 1909 S. 72. – Schwedisch bei Hyltén-Cavallius nr. 11 ‘Die drei Großmütterchen’ (Storfota-mor, Storgumpa-mor, Stortumma-mor). Bondeson, Historiegubbar S. 226. v. Sydow 1909 S. 70. Åberg nr. 280 ‘Flickans tre mostrar’ = Archivio 18, 87. Hackmans Register nr. 501. – Norwegisch bei Asbjörnsen-Moe nr. 13 ‘Die drei Muhmen’ = Thorpe p. 312 = Dasent 1859 p. 222. – Isländisch (vgl. unten zu nr. 55). Färöisch bei Jakobsen S. 622. – Im englischen Märchen bei Henderson p. 221 = Jacobs, English fairy tales 2, 180 nr. 81 ‘Habetrot and Scantlie Mab’ (vgl. R. Köhler 1, 47 und Lenz S. 32) hilft die Fee des Spinnrades, die den Namen Habetrot führt, dem faulen Mädchen spinnen, erscheint aber nicht bei der Hochzeit, sondern ladet das Paar zum Besuch und macht mit ihren großlippigen Schwestern den beabsichtigten abschreckenden Eindruck auf den Edelmann. In der schottischen Version bei Chambers p. 221 ‘Whuppity Stoorie’ verlangt die Fee noch den Sohn der jungen Frau, falls sie ihren Namen nicht erraten könne. County Folk-lore 3, 222 ‘Peerifool’ (Orkney). – Irisch bei Kennedy, Fireside stories S. 63 ‘The lazy beauty and her aunts’ (die drei alten Spinnerinnen mit dem platten Fuß, dem [112] breiten Gesäß und der dicken roten Nase heißen Colliagh Cushmōr, Colliach Cromanmōr und Shron Mor Rua). Yeats p. 286. – Französisch bei Sébillot, Litt. orale p. 73 ‘Peau d’ Ânette’ (drei Frauen mit großen Augen, Ohren und Zähnen und ein Mann mit Besen); Revue des trad. pop. 9, 279 ‘La fileuse’ (eine Frau mit heraushängender Zunge). Roche, Contes limousins p. 169 ‘La fainéante’ (drei Frauen mit langen Nägeln, großen Zähnen und hängenden Brüsten). Du Méril, Etudes p. 473 (Normandie). Orain p. 11 ‘La fée Grosses-lèvres, la fée Gros-doigt et le petit père Ragolu’ (ein Papagei ruft der jungen Frau den Namen des Zwergs Ragolu ins Gedächtnis zurück). – In Italien kennt bereits Basile 4, 4 ‘Le sette cotenelle’ das Märchen, gibt es aber entstellt wieder; die faule Saporita ist auch naschhaft und erhält deswegen von der Mutter Schläge;[1] die drei Feen lachen über die ungeschickten Zurüstungen der jungen Frau zum Spinnen und verwandeln alsbald ihren Flachs in weiße Leinwand; der Mann bekommt aber nicht durch den Anblick der häßlichen Vetteln einen Abscheu vorm Spinnen, sondern durch die Klagen der Saporita, die sich krank stellt. Sehr ähnlich Busk p. 375 ‘La ragazza golosa’. Archivio 3, 549. Andrews nr. 4 ‘Les trois fileuses’ (Sessi, Persi, Fumi), nr. 23 ‘Les trois fileuses’ (Persi, Sophie, Cruci) und nr. 47 ‘Les trois fileuses’ (Columbina, Columbara, Columbun. Namen vergessen). Tuscan fairy tales nr. 5 ‘The beautiful glutton’. Gubernatis nr. 2 ‘La comprata’ (vgl. R. Köhler 1, 345). De Nino 3, 80 nr. 15 ‘Le sette cútiche’ (Eingang wie bei Basile). In der Mantuaner und Tiroler Fassung bei Visentini nr. 22 ‘Zorobubù’ und bei Schneller nr. 55 ‘Taradandò’ folgt auf Basiles Einleitung zunächst das Märchen von Rumpelstilzchen (unsre nr. 55) und dann ein Schluß, in dem die Mutter oder Tante der Frau die üblen Folgen eifrigen Spinnens dem Manne vor Augen stellt.[2] – Maltesisch bei Ilg 2, 33 nr. 89 [113] ‘Katarin und Jannadschi’ (nur der Anfang; dann das Thema der dummen Frau). – Spanisch bei F. Caballero, Cuentos andaluces 1861 p. 65 ‘Las animas’ = Jb. f. roman. Lit. 3, 214 (drei selige Geister helfen spinnen, nähen und sticken und erscheinen bei der Hochzeit als mißgestalte Hexen). Bibl. de las trad. pop. esp. 1C, 167 nr. 13 ‘Las tres fayas’ (aus Estremadura) = Sébillot, C. esp. p. 53 (ähnlich Basile). Busk, Patrañas 1870 p. 193 = Sébillot p. 99 ‘Ce qu’ Ana voyait dans le rayon de soleil’ (ausgeschmückt. Die drei Feen verlangen von Lolita, daß sie drei alte kranke Weiber aus dem Spitale einlade). – Portugiesisch bei Consiglieri-Pedroso S. 79 nr. 19 ‘The aunts’ (drei Weiber helfen der Königsbraut ein ganz feines Hemd anfertigen, ihn auf drei Meilen weit verstehen und eine Strähne Faden aufwinden). Braga 1, 18 nr. 7 ‘As fiandeiras’. – Baskisch bei Webster p. 52 ‘The pretty but idle girl’ (Marie Kirikitoun. Namen merken) = Cerquand 1, 41. 2, 9. – Griechisch aus Zakynthos bei B. Schmidt S. 65 nr. 1 ‘Die Faulenzerin’. Die Helferinnen heißen Mytú, Tsachilú und Kolú, d. i. Großnase, Lippe, Gesäß. Wohl identisch damit ist Laboulaye, Nouveaux contes bleus: ‘La paresseuse’. – Rumänisch bei P. Schullerus nr. 78 ‘Die Spinnerin’ (Siebenb. Archiv n. F. 33, 554. Die Helferinnen heißen der h. Donnerstag, Freitag und Sonnabend). – In der kroatischen Erzählung aus Karlstadt bei Strohal 1, 144 nr. 34 sind die drei Spinnerinnen nicht übermenschliche Wesen, sondern Hexen und Tanten der Braut; sie erscheinen als Verwandte auf der Hochzeit. In einer zweiten aus Warasdin im Kres 4, 87 nr. 5 = Krauß 1, 267 nr. 58 ‘Vom Weibe, das sich den Afterdarm mit eingesponnen’, kommt es gar nicht zum Spinnen, sondern wie in den italienischen Fassungen Visentinis und Sehnellers stellt eine Bettlerin dem Ehemanne die aus dem Spinnen folgenden Körperleiden vor Augen, so daß dieser das eben gekaufte Spinnrad zerbricht. – Slovakisch wie bei Grimm in Slov. Pohl. 20, 393 = Czambel S. 247 aus dem ungarischen Komitat Zips. Erweitert im Sborník mus. slov. spol. 16, 32 nr. 19 (die nicht zur Hochzeit geladenen Hexen schieben der Kindbetterin Hunde unter). – Polnisch aus dem Gouv. Kielce im Zbiór 9, 3, 54 (die drei Helferinnen lassen sich das geloben, was die Jungfrau in einem Jahre haben wird, und geben ihr Kind [114] erst frei, als sie ihre Namen zu nennen weiß). – Čechisch bei Erben in der Zs. Včela 1844 = Č. poh. nr. 1 = Waldau S. 278 ‘Die drei Spinnerinnen’ (wohl nach Grimm, vgl. Tille im Národopisný Věstnik 2, 89 und Č. poh. do r. 1848 S. 68) und Radostov² 1, 60 = ³ S. 561 nr. 63 (vgl. ZVk. 10, 386. Die erste Spinnerin hat so lange und spitze Zähne, daß der Mund wie eine Hechel aussieht, die zweite glotzende, hervorquellende Augen, die dritte Hände wie Schaufeln und Finger so dünn wie Fäden). In der mährischen Fassung bei Stránecká S. 25 treten statt der Spinnerinnen sieben häßliche schmierige Spinner bei der Hochzeit auf, die der hilfreiche Zwerg Tingltangl gesandt hat; hier ist das Märchen von Rumpelstilzchen mit eingemischt. – Wendisch bei Černý, Mythiske bytosće S. 176 (die ‘Todesgöttin von Spremberg’ hilft dreimal der Braut Werg und Flachs spinnen. Der Schluß fehlt). – Kleinrussisch aus dem Gouv. Jekaterinoslav bei Hrinčenko 1, nr. 112. Das Mädchen soll in drei Tagen drei Scheuern voll spinnen; dem ersten der drei Weiber hängt die Lippe bis auf die Brust, die zweite hat einen Fuß wie eine Schlange, die dritte eine Hand wie ein Fausthandschuh. – Im litauischen Märchen ‘vom faulen Mädchen’ bei Schleicher S. 12 sind die Helferinnen drei Laumes. – Das lettische bei Treuland nr. 123 hat einen Anhang: ein Jahr nach der Hochzeit kommen die drei Weiber wieder zur Frau, fordern ungemessenen Lohn und drohen, dem Herrn alles zu offenbaren; da führt die Frau sie in die Badestube und bringt sie dort um. – Eine finnische Fassung ‘The old woman’s loom’ wird bei Jones-Kropf p. 334 angeführt. Suomi 2, 12, 364. 3, 20, 304. Aarnes Register nr. 501. – Magyarisch bei Kriza nr. 4 = Jones-Kropf S. 46 nr. 10 ‘The lazy spinning girl’. Helfer ist wie in der mährischen Fassung ein Zwerg, dessen Namen die Braut erraten muß; bei der Hochzeit erscheinen drei Bettlerinnen.
Der Grundgedanke all dieser Fassungen ist, wie Polívka (Zs. f. Volkskunde 10, 383–396) dargelegt hat, daß drei häßliche Weiber, in denen J. Grimm[3] eine Nachwirkung der dem Volke tief eingeprägten Vorstellung von den drei Nornen vermutet, dem in Verlegenheit befindlichen Mädchen spinnen helfen unter der Bedingung, [115] daß sie als Basen anerkannt und zum Hochzeitsmahle eingeladen werden. Verschieden davon ist das Märchen vom Rumpelstilzchen (nr. 55), in dem ein Zwerg für seine Hilfe die Bedingung stellt, daß sein Name in einer gewissen Frist erraten (oder gemerkt) werden muß. Beide Märchen aber sind öfter in nähere Verbindung miteinander getreten und haben ihren Ursprung vermutlich bei den Germanen, von denen aus sie zu den romanischen und slawischen Völkern gedrungen sind. Näher ausgeführt ist dies von C. W. v. Sydow, Två spinnsagor (Diss. Lund 1909) S. 68–97.
- ↑ Zu diesem Zuge vgl. Polívka, ZfVk. 10, 257f. und unten zu nr. 55.
- ↑ Bei Schneller kocht auch die einfältige Tochter den Esel Ehrlich, weil die Mutter sie geheißen hat zum Kochen zu nehmen, was ehrlich sei. Vgl. dazu den Hund Hopf im Eulenspiegel cap. 47 (H. Sachs, Schwänke 5, 163 nr. 706. Ausland 1878, 183), den Hund Petersilie (Haas, Rügen 1903 S. 213. Haltrich nr. 63. Wenzig S. 9. Skattegraveren 7, 180. Arne S. 66. Mélusine 1, 280. Sébillot, Litt. orale p. 160. Gittée-Lemoine p. 93), Pfefferkraut, (Schulenburg, Volkstum S. 26), Thymian oder Majoran (Wigström 1, 281f., Schott S. 232), Humle (Sogebundel S. 33), Örta (Sv. landsmålen 5, 1, 125), Salt (Bl. f. pomm. Volksk. 9, 26). Tout-et-Tout (Sébillot, C. 2, 239), Lidt (Asbjörnsen S. 397).
- ↑ Grimm, Myth. ³ S. 387. 1215. und in Liebrechts Verdeutschung von Basiles Pentamerone 1, XVI. J. W. Wolf, Beiträge z. dtsch. Myth. 2, 201 (1857). Mansikka, Über russische Zauberformeln (Helsingfors 1909) S. 194–209.
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