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Auch ein König

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Titel: Auch ein König
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 761–763
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Auch ein König.

Seit vierzehn Tagen schon flanirte ich in London und hatte bereits alle Quartiere der Arbeit und der Aristokratie durchstrichen. Ich glaubte Alles gesehn zu haben und fing schon an mich gründlich zu langweilen. „Und doch,“ sagte mein englischer Freund, der mit der Topo- und Ethnographie von London sehr vertraut war und mich oft auf meinen Streifzügen begleitete, „eine unserer Berühmtheiten, eine Notabilität ersten Ranges, welche in ihrer Art wohl nirgends ihres Gleichen hat, kennen Sie doch noch nicht. Kommen Sie – das ist Savile Row“, setzte er hinzu.

Die Straße schien mir nichts Bemerkenswerthes zu haben, es war eine von jenen monotonen Gassen mit den schmalen grauen Häusern, von denen jedes auf’s Haar dem andern gleicht, wie man sie in diesem Theile Londons zu Hunderten und Aberhunderten findet. Da sah ich plötzlich über einem der kohlen- und rauchgeschwärzten Gebäude das königliche Wappen mit seinen drei Straußfedern in ungewöhnlich großen Dimensionen und reichster Ausstattung.

„Irgend ein Hoflieferant?“ frug ich gleichgültig.

„Ein Hoflieferant!“ wiederholte mein Begleiter mit einem mitleidigen Lächeln. „So wissen Sie also nicht, daß wir hier vor der Residenz eines Königs, vor dem Geschäftspalaste des Kaisers der Schneiderwelt, mit Einem Worte vor der classischen Stätte stehen, die sich der weltberühmte Waters zum Herrschersitz erkoren hat? Um’s Himmelswillen,“ fuhr er fort, „lassen Sie hier nicht laut werden, daß Sie Waters nicht kennen, sonst sind Sie in unserer fashionablen Welt auf immer und ewig unmöglich gemacht. Er ist ja der glückliche Mann, welcher eine ganze Galerie von gekrönten Häuptern zu seinen vertrauten Freunden zählen darf, und ich – bin einer von seinen geringsten Unterthanen, dessen Loyalität durch eine Reihe ominöser Ziffern in einem seiner centnerschweren Hauptbücher – für Manche gar entsetzliche Werke! – sattsam gewährleistet ist.“

„Gekrönte Häupter?“ warf ich ein, „ist das nicht eine kleine rhetorische Figur?“

„Durchaus nicht, vielmehr ganz buchstäblich gemeint. Der kranke Mann drüben an der Seine neigt seinen Hals unter Waters’ Maßbande. Der Kaiser aller Reußen sendet ein Telegramm nach Savile Row, denn die Vermählung seines Thronfolgers naht heran, und stracks begiebt sich der Herrscher über Quadratmeilen von Tuch und Buckskin sammt Courier und Geschäftsführer nach Berlin, wo er, nach Uebereinkunft, einen Congreß von kaiserlichen Gesandten vorfindet, der sich nicht mit eitlen diplomatischen Verhandlungen, sondern mit viel praktischeren und nützlicheren Fragen zu befassen hat. Und mehr noch, jener Werk- und Geschäftsführer, selbst eine hochwichtige und hochmögende Persönlichkeit, ist soeben erst aus Aegypten zurückgekehrt, wohin ihn der Khedive beordert hatte, um sich für die bevorstehenden großen Suezcanal-Festlichkeiten nach der neuesten europäischen Mode ausstaffiren zu lassen.“

„Ein so großer Mann, wie Sie mir da diesen Phönix von Schneider schildern, läßt sich wohl selten zu dem gemeinen Gros der kleiderbedürftigen Menschheit herab?“ meinte ich, durch die Mittheilungen meines Freundes allmählich neugierig gemacht[WS 1].

„Im Allgemeinen nicht, doch statuirt er unter Umständen einzelne Ausnahmen. Eine auserlesene Crême aus den obersten Zehntausend und einige wenige von seinen ‚speciellen Freunden‘ dürfen sich allein der Ehre rühmen, die Dimensionen ihrer hochadeligen und bevorzugten Leiber von unserm großen Manne wissenschaftlich gemessen zu sehen, denn dieser behält sich selbst ausschließlich das Recht vor, nachzusehen, ob Schnitt und Sitz auch comme il faut ausgefallen sind. Ich kann Ihnen versichern, daß in den Tuilerien seine Karte vor denen aller Botschafter und Feldmarschälle den Vorrang hat. Ihr Geschäft kann Aufschub erleiden, seines nicht. Louis Napoleon und er sind alte Freunde, sie kennen einander genau und respectiren gegenseitig ihre Macht. Der einstige Beherrscher der europäischen Politik hat sich gewiß klein genug gefühlt, wenn er von Waters’ kritischem Auge gemustert worden ist. Werden Schnitt und Sitz tadellos befunden, so endet der persönliche Verkehr mit dem Granden von Savile Row; alles Uebrige bleibt seinem Geschäftsführer überlassen, und jetzt erst fühlt sich der Kaiser wieder ganz er selbst, ertheilt kurz und ruhig seine Befehle und macht der Audienz mit einer Handbewegung ein Ende.“

„Wie kommt es, daß Waters bei Louis Napoleon in so hoher Gunst steht?“

„Als Napoleon in London lebte und sein Zutritt zu dem französischen Staatsschatze noch zu den unverwirklichten ‚Idées Napoléoniennes‘ gehörte, war er bekanntlich nicht immer mit dem gehörigen kleinen Gelde versehen, und da soll Waters sein Bankier gewesen sein. Den Fehler der Undankbarkeit besitzt Louis Napoleon nicht, wie er durch eine Menge von Beispielen bewiesen hat, und so ernannte er, nachdem er den Thron bestiegen, Waters zu seinem Hof- und Leibkleiderkünstler.“

„Von da an datirt jedenfalls der Aufschwung des Letzteren zu seiner gegenwärtigen erhabenen Stellung?“

„Keineswegs; er selber ist der Schmied seines Glücks, dieser König aller Ritter von der Nadel. Vor Jahren, als die Mode enganliegende Kleider erheischte, regierten andere Schneider, u. A. Ihr deutscher Landsmann Stultz, nachmals als vom Geschäft zurückgezogener Millionär zum Baron von Ortenberg erhoben. Es war zur Zeit des ‚ersten Gentleman von Europa‘, unsers Georg’s des Vierten, wohlgekleideten, aber unseligen Andenkens, zur Zeit des Stutzerfürsten Brummel und anderer Celebritäten der Mode. Waters hielt sich noch ganz in zweiter Linie; mit [762] dem Instinct des wahren Genies erkannte er indeß, daß die Tage des engen Schnitts gezählt waren, und führte, gewissermaßen im Stillen erst, die lose und bequeme Kleidermode ein, deren wir uns Gott sei Dank! bis heutigen Tages erfreuen. Bald fanden sein ‚Schnitt und Sitz‘ überall Gnade vor dem gebildeten Auge, und ehe er es noch selbst recht wußte, war er der unumschränkte König der Schneider, der Neid und die Verzweiflung aller seiner Herren Collegen in England und auf dem Continente geworden, der glückliche Mann, welchem die gewaltige Herrscherin im Reiche der Mode, Paris, auch heute noch keinen ebenbürtigen Rivalen gegenüberzustellen hat.

Waters ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein Geschäftsepikuräer. Nur einer ganz kleinen Zahl der ersten Tonangeber des Geschmackes geruht er in ihren eigenen Wohnungen das Maß zu nehmen. Bei dergleichen Gelegenheiten muß sein Wagen, ein prachtvoller Brougham, herbei, und der Kunde, vor dessen Hause diese elegante Equipage zu halten sich herabläßt, steht sicher auf den höchsten Sprossen der gesellschaftlichen Stufenleiter. Man erzählt sich eine Anekdote, daß ein edler Graf, Earl S…, dessen Hochmuth größer ist als seine Güter, Waters eines Tages höhnisch fragte: ‚Ist das Ihr Wagen, Mr. Waters, der vor meinem Hause hält?‘ ‚Allerdings, Mylord,‘ lautete die schnelle Antwort, ‚aber er hat zum letzten Male da gehalten.‘ Und der Schneider machte eine tiefe Verbeugung, entfernte sich und strich den hochgebornen Grafen unerbittlich aus der Liste seiner Kunden.“

Unsere Anfrage, das merkwürdige Etablissement in Augenschein nehmen zu dürfen, wurde auf das Bereitwilligste erfüllt, indem man uns sofort einen speciellen Cicerone durch das weitläufige Territorium zutheilte. Leider aber war der große Mann nicht selbst zugegen: er befand sich in Brighton bei einem seiner erhabenen Geschäftsfreunde.

Schon der Eintritt in die kunstgeweihten Hallen macht einen ungewöhnlichen Eindruck. Thüren, Pulte, Ladentische, die letzteren mit den neuesten Neuigkeiten an Stoffen und Mustern bedeckt, sind vom massivsten, blank polirten Mahagony; Trümeaux von der Decke bis zum Fußboden, bequeme Divans und Fauteuils schmücken die Wartezimmer, aus denen man in das „Zuschneide-Departement“ gelangt. Es ist das ein geräumiger Saal, der sein Licht durch eine Glaskuppel empfängt, und jeder Zoll seiner Wände über und über mit mehr oder weniger der Vollendung nahen Garderobestücken behangen, mit Uniformen, Jagdcostümen, Promenaderöcken, Reiseanzügen, Hofkleidern u. a. m. Auf jedem einzelnen Kleidungsstücke war der Name seines künftigen Trägers angebracht, und welche glänzende Namen gab es da zu lesen! Die Spitzen der gesammten Pairie von Großbritannien und Irland, das halbe Parlament waren vertreten, und so manche auswärtige fürstliche Größe dazu!

„Es ist gegenwärtig unsere Sauregurkenzeit,“ bemerkte unser Führer. „Sie sehen jetzt blos ein halbes Dutzend Zuschneider beschäftigt; wenn aber die Saison beginnt, dann haben wir mehr als die doppelte Anzahl, und jeder darf dann vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein kaum von seiner Arbeit aufstehen. Hier nebenan haben Sie unser eigentliches ‚Atelier‘.“

Er öffnete die Thür. Ich sah ein großes Gemach; rund um seine Wände lief eine Galerie, und der Fußboden desselben gewährte einen höchst eigenthümlichen Anblick. Nicht auf Werktischen, wie dies in anderen ähnlichen Etablissements der Fall zu sein pflegt, sondern auf der Diele selbst saßen wie die Türken mit untergeschlagenen Beinen über hundert Mitglieder der edlen Schneiderzunft. der Eine nähte, der Andere reihte an, ein Dritter säumte, der Vierte faßte Knopflöcher ein, ein Fünfter bügelte, und so in’s Unendliche fort, während gleichzeitig eine unabsehbare Menge von Nähmaschinen in Bewegung waren. Die Mehrzahl der Männer schienen mir kräftige, gesunde Bursche zu sein, meist schon in mittleren Jahren, und straften offenbar das bekannte englische Sprüchwort Lügen, daß der Schneider nur der neunte Theil eines Menschen ist.

„Während der Saison,“ nahm der Cicerone wieder das Wort, „sind auch alle die Galerieen da oben mit Arbeitern und Maschinen besetzt; da haben wir auch nicht einen Zoll freien Raum, und wenn der Saal noch dreimal so groß wäre, als er ist, er würde dann noch immer kaum groß genug sein. Jeder der Leute, welche Sie hier sehen, ist ausgezeichnet in seinem speciellen Arbeitsfache – die Arbeitstheilung ist bei uns bis in’s Kleinste durchgeführt – und verdient wöchentlich seine zwei bis drei Pfund Sterling, oft noch mehr, wenn er Extra-Arbeitsstunden zu berechnen hat. Vor ein paar Monaten war jedoch der ganze Saal hier und alle unsere Arbeitsräume öde und leer, sämmtliche Männer, mit Ausnahme des Alten hier rechts in der Ecke, hatten ‚Strike‘ gemacht; blos er war verständig genug, um einzusehen, daß es besser sei, wenn er seine Familie von dem erhaltenen Lohne behaglich sättigte, als halb verhungern ließ bei den Spenden der Genossenschaft. In den meisten Fällen sind die Gesellen zu ihren alten Meistern zurückgekehrt, nachdem sie mehr als fünfzigtausend Pfund Sterling verausgabt und eine viel größere Summe von Arbeitslöhnen eingebüßt haben.“

„Stehen Arbeitgeber und Arbeiter wieder auf dem alten guten Fuß zusammen?“ frug ich.

„Größtentheils. Die Leute waren froh, daß sie wieder kommen konnten, und wir, daß wir sie wieder hatten. Sie wissen, was unsere Kunden brauchen und fordern, neue Leute wissen es nicht. Wie ich Ihnen schon sagte, Sie sehen hier nichts als auserlesene Arbeiter, von denen jeder in irgend einem Zweige der Schneiderei Vorzügliches leistet.“

Wir gingen ein paar Stufen hinab und traten in einen Raum, der rundum mit Haufen von Kleiderschnitten in starkem braunen Papier garnirt war. Auf jedem stand wieder mit deutlicher Schrift ein Name vermerkt, und abermal war mir’s, als wenn ich in jenen Vademecums der britischen Aristokratie, „Dodd’s Peerage“ und „Gentry“ blätterte, die in England etwa die Stelle unserer Gothaischen Hofkalender und genealogischen Taschenbücher vertreten. Dutzendweise zogen die Namen von Herzogen und Marquis, von Earls und Viscounts, von Lords und Baronets, von Right Honorables und Honorables und von nicht wenigen festländischen Notabilitäten an meinen Augen vorüber, ich befand mich mithin in der allerbesten Gesellschaft. Jeder dieser betitelten Herren hatte hier sein Maß und seine Schnitte für Hof- und Gala-, für Reit- und Jagdkleidung und seine Nummer daneben, so daß er aus seinem Schloß, von seinem Landsitz, von seinem Hôtel in Neapel oder Constantinopel blos einen Brief oder ein Telegramm nach Savile Row zu expediren braucht, um in allerkürzester Frist, „in keiner Zeit“, sagt der Engländer, seinen neuen Frack für den angesagten Hofball in den Tuilerien, seinen Scharlachrock für die nächste Fuchshatz, seine Promenadentoilette für Biarritz oder Baden-Baden zu erhalten. Ein besonderer Beamter steht diesem merkwürdigen Archive vor, in dem ich mir ordentlich wie ein unberufener plebejischer Eindringling erschien.

Wir stiegen wieder zum großen Werksaal empor und dann in das erste Stockwerk hinauf. Eine fürstlich ausgestattete Galerie empfing uns, mit einer lebensgroßen Büste Louis Napoleon’s an dem einen und der Büste der Prinzessin von Wales am andern Ende. Sie bildet den Corridor zu einer Reihe von luxuriösen Gemächern, wie sie im Palaste eines Lords nicht reicher und schöner angetroffen werden. Da sahen wir erst das blaue, darauf das gelbe, dann das rothe Zimmer, sämmtlich im besten Geschmack decorirt und mit Allem versehen, was die Gegenwart an Wohncomfort zu Tage gefördert hat.

„Das ist unser Damendepartement,“ erklärte unser Cicerone; „denn Sie müssen wissen, wir haben auch eine ausgebreitete Damenkundschaft. Alles, was aus der vornehmen und vornehmsten weiblichen Welt des Landes zu Pferde steigt und den Reitcorso von Rotten Row in Hydepark, welchen Sie gewiß schon manchmal bewundert haben, zu einem so unvergleichlichen Schauspiele macht, wie es die Erde nicht zum zweiten Male darbietet, dem liefern wir die nöthigen Reitgewänder und die dazu gehörigen festen Unaussprechlichen; und hier im gelben oder blauen oder rothen Gemache können die Herzoginnen und Marquisen, die Gräfinnen und Ladies Anprobe halten, ganz als wären sie in ihren eigenen Toilettegemächern. Den Salon hier“ – er öffnete die Thür zu einem noch kostbarer eingerichteten Raume – „nennen wir den Salon des Prinzen von Wales. Darin pflegt mein Chef Seine königliche Hoheit zu empfangen, wenn uns, was ziemlich häufig geschieht, der Prinz mit seinen Geschäftsbesuchen beehrt.“

In der Nähe dieses fürstlichen Salons hat sich Waters sein eigenes Allerheiligstes hergerichtet, ein kleines, aber echt englisch comfortables Zimmer, in welchem ein bequemer großer Schreibtisch und einige bequeme Lehnstühle standen. Hier hält der große Mann seine Levers, wenn er sich in der Stadt befindet; eine [763] Einladung zu diesen Privatconferenzen pflegt aber den Betreffenden immer einen gelinden Schreck in's Herz zu jagen, denn sie ist ein zarter Wink, endlich einmal auch der Habenseite des Conto zu ihrem Rechte zu verhelfen. Dergleichen Citationen in das Allerheiligste sind übrigens außerordentliche Seltenheiten, zu denen nur im äußersten Nothfalle geschritten wird, denn Waters – so erzählte mir nachher mein Freund - ist ein Gentleman durch und durch. Von unliebsamen Mahnungen oder gar von lästigen Klagen und häßlichen gerichtlichen Maßnahmen ist bei ihm nicht die Rede; im Gegentheil, wenn einer seiner Kunden vielleicht ein Wort fallen läßt von einer gewissen financiellen Ebbe, an der er augenblicklich laborirt, so ist ihm ein willkommener Vorschuß viel gewisser, als eine Aufforderung, die Rechnung zu begleichen. Mit allen reichen Erben steht Waters denn auch auf vertrautestem Fuße, und für gar manche derselben hat er Jahre lang den allezeit bereitwilligen Bankier abgegeben, bis sie zu den Gütern und Titeln ihrer Ahnen gelangten.

Das eigentliche Comptoir des Hauses ist nicht der mindest merkwürdige Theil des merkwürdigen Etablissements; es liegt im Erdgeschoß und hat ganz das Aussehen, als wäre man in einem großen Bankinstitute. Da gewahrt man Reihen von Mahagonypulten, an welchen zahlreiche Commis dickleibige Strazzen und Hauptbücher regieren. Der Erste dieser Schreiberschaar lud uns höflich ein, doch auch das sogenante „Strong Room“, das feuerfeste unterirdische Gewölbe, noch zu besichtigen, das zur nächtlichen Aufbewahrung der Geschäftsbücher dient. Eine sinnreiche Maschinerie hebt diese letzteren jeden Morgen in das Comptoir herauf und läßt sie allabendlich wieder in ihr sicheres Verließ hinab. Es war eine sehr ansehnliche Localität; an den Wänden sah ich lange Regale aufgeschlagen und auf denselben ruhten ganze Generationen von Contobüchern, denen man den fleißigen Gebrauch deutlich genug ansah. Es war ihrer eine solche Masse, als wenn sie die Rechnungen der gesammten Nation umschlössen.

„Nun,“ frug mich mein Freund, als wir wieder auf der Straße standen, „nun, was sagst Du zu diesem König von Savile Row?“

„Ich neige mein Haupt in schuldiger Ehrfurcht vor ihm – aber ich denke, ihn nicht um seine Protection zu ersuchen. Fünfzehn Pfund Sterling für einen Frack, wie ich sie auf dem Conto des Herzogs von Sutherland zufällig notirt fand – das paßt nicht für die Börse eines deutschen Touristen.“



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gewacht