Auf die Mensur!

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Autor: Skl.
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Titel: Auf die Mensur!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 587
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Auf die Mensur!
Originalzeichnung von C. Gehrts. Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

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Auf die Mensur!


Ich sitze allein auf unserer Kneipe; rings im Kreise blicken mich Schläger, Schilder, Bilder, zum Theil Zeugen einer längst vergangenen Burschenherrlichkeit, zutraulich an, als grüßten sie in mir einen alten, guten Freund und Bekannten; und sie haben Recht, denn der frohe Burschensang, der oft in diesen geheiligten Räumen klang, zog mich gar oft mit magischer Gewalt in seinen Zauberkreis. Da fällt mein Auge auf ein Bild, das an hervorragender Stelle prangt. Das Bild ist so frisch und lebenswahr aufgefaßt; aus jedem Eckchen blitzt uns das volle Verständniß des Vorwurfs entgegen, daß jeder Kundige die Unterschrift „Nach dem Leben“ mit gutem Gewissen unterschreiben wird. Es ist auch in der That draußen im grünen Wald entstanden unter Kommandoruf und Schlägerklang. Der Maler desselben, Carl Gehrts, welcher während eines längeren Sommeraufenthalts in Bonn mit unserer Burschenschaft in nähere Berührung trat und auf der Kneipe wie bei der Mensur stets ein willkommener Gast war, fand an dem forschen Waffenspiel flotter Studenten so viel Anregendes, daß er sich entschloß, die studentische Mensur in ihren verschiedenen Phasen getreu im Bilde zu verewigen. Wir Jungen, als die kompetentesten Sachverständigen, haben ihm mit unserm Rath nach Kräften beigestanden, und so ist dieses Bild entstanden, welches wohl für junge und alte Kouleurstudenten eine willkommene Gabe bildet. Aber auch weitere Kreise, die dem studentischen Leben fernstehen, wird es gewiß interessiren. Bietet es doch einen trefflichen Einblick in das streitige Wesen der Mensur. Es bringt Vorzüge und Nachtheile derselben gleichmäßig zur Anschauung und bietet dem Freunde wie dem Feinde der Mensuren gleich willkommene Beispiele zur Bekräftigung ihrer Anschauungen.

Wir aber wollen bei der Erklärung des Bildes uns mit der Streitfrage nicht befassen, weder Paukanten noch Sekundanten sein, sondern unparteiisch das Bild durch das Wort ergänzen.

In der Mitte des Tableaus beginnt die Mensur. Die beiden feindlichen Brüder stehen sich kampfbereit gegenüber; Jeder hat zur Seite den treuen Sekundanten, welcher, mit einem stumpfen Schläger bewehrt, zu achten hat, daß die einzelnen Gänge commentmäßig verlaufen, oder auch wohl einen Hieb, der seinen Paukanten treffen würde, herausfängt (was aber verboten ist). Der Unparteiische, mit Karte und Bleistift versehen, steht etwas weiter zurück; er ist bei der Mensur die höchste Instanz; sein Urtheil geht auf Ehrenwort und ist für beide Parteien bindend und unfehlbar. Im Vordergrunde links steht der Paukarzt in langer Schürze und Hemdsärmeln; meist ist es ein älterer Kandidat der Medicin, der mit größerer oder geringerer Geschicklichkeit die blutigen Häupter zusammenflickt. Seitwärts, an den Baum gelehnt, liegt ein Philister, der auch mal Mensuren sehen wollte; es scheint ihm aber schlecht bekommen zu sein; beim Anblick des ersten „Blutigen“ ist ihm die blasse Furcht in die Glieder gefahren und nun sammelt er in einer erquickenden Ohnmacht frische Kräfte. Im Vordergrunde rechts sehen wir den Kouleurdiener, auch Fax genannt, beschäftigt, für die durstige Corona das eigens dazu mitgebrachte braune Naß in die Gläser zu füllen, während seitwärts neben ihm ein Füchslein die frisch eingezogenen Speere prüft.

Die großen Abtheilungen, welche das eigentliche Mensurbild einrahmen, verbildlichen uns die verschiedenen Abstufungen der Mensur. Oben links wird das Bandagiren dargestellt. Die Kouleurbrüder sind gerade damit beschäftigt, den Paukanten in den „Paukwichs“ zu werfen. Die Mensurhose (ein fester, lederner Schurz, der bis hoch an die Brust reicht und der alle edleren Theile schützt) wird gerade festgeschnallt; die Armbandagen sind auch schon befestigt; es fehlt nur noch die Paukbrille, eine massive eiserne Brille gewöhnlich ohne Gläser zum Schutz der Augen.

Die Flickscene rechts oben zeigt uns den für den Paukanten unangenehmsten Theil der Mensur. Die Schmisse spürt er kaum, aber das Flicken! Der Paukarzt hat wohl eben den Schaden rasirt und ist im Begriff die „Schmisse“ mit einer verdünnten Karbolsäurelösung vermittelst eines Irrigators auszuspritzen und zu reinigen; dann kommt erst die eigentliche Annehmlichkeit des „Flickens“, das heißt das Legen der Nadeln. Ein guter Freund reicht dem armen Schlachtopfer einen Schluck Wein zur Stärkung.

Die beiden unteren großen Bilder zeigen uns zwei Pausen während der Mensur. Bei dem einen: „Pause. Speer krumm,“ hat die eine Partei Pause genommen, um den Speer, der durch das „Flachmeiern“ etwas verbogen ist, gerade zu biegen. Der Schleppfuchs stützt den ermüdeten Arm, während der Testant den Speer zurecht biegt. Der Paukarzt benutzt auch die Pause, um einen Schmiß zu komprimiren, das heißt durch Druck die Blutung zu stillen. – Auf dem andern Bilde „Wie lange geschlagen?“ frägt der Sekundant den Unparteiischen, wie viel Minuten bereits die Mensur dauert. Die gewöhnliche Schlägermensur geht nämlich auf 15 Minuten oder 60 Gänge, das heißt jeder Gang zählt in der Regel eine Viertel Minute. Kommen auf beiden Seiten keine größeren Verletzungen vor, so wird nach 15 Minuten (also abgerechnet der Pausen) die Mensur ex erklärt, das heißt die Paukanten haben ausgepaukt.

Sitzt auf einer Seite ein Schmiß, der nach dem Urtheil des Paukarztes ein Weiterschlagen unmöglich macht, so wird „Abfuhr“ erklärt, das heißt, der eine Paukant wird als überwunden abgeführt. In der Regel ohne Groll gegen den siegreichen Gegner und gemäß dem alten Studentenliede, welches mit Recht sagt:

Hat ein Schmiß gesessen,
Ist der Tusch vergessen
Von dem kreuzfidelen Bruder Studio!“

Das Bildchen „Versöhnung“ giebt eine solche Scene wieder. Kein Wunder, daß der Ernst der Situation hierauf bald vergessen wird und die Parteien sich gegenseitig friedlich im Bierskat bemogeln.

Die vier kleinen Medaillonbilder zeigen uns Bruder Studio vor, während und nach der Mensur. Oben am Kopf der eigentlichen Mensurscene, eingerahmt von Mensuremblemen, als da sind Schläger, Paukbrille, Paukhandschuhe, Paukkravatte etc. der junge, bartlose Fuchs, dessen Milchgesicht noch kein „langes Messer“ berührt; unten der alte inaktive Bursch im Glanz seiner Renommirschmisse, auf die er nicht wenig stolz ist. Links auf dem großen Bilde der mit Paukbrille und Paukkravatte vollständig zur Mensur fertige, und rechts der geflickte, mit Kompresse und Wickelbandage gezierte Jüngling. – Oben links lugt noch die Karte des Unparteiischen heraus, in welche die einzelnen Gänge durch einen Strich markirt werden: vier Gänge bilden ein Quadrat gleich einer Minute. Der Zirkel, der halb von einem Eichenblatt verdeckt ist, ist das Zeichen der einen Burschenschaft; die zwei Striche unter demselben bedeuten, daß der Paukant derselben bereits zwei erklärte „Blutige“ hat. Auf der andern Ecke der Karte ist der Zirkel der Gegenpartei, der auf unserem Bilde verdeckt ist.

Wir glauben, das Bild genügend erklärt zu haben, welches trotz des Wandels der Zeit eine so treffliche Illustration zu den Versen aus Scheffels „Trompeter“ bildet:

„Bin ein flotter Bursch dann worden,
Streifte viel durch Wald und Felder;
Streifte nächtlings durch die Straßen
Serenadend, sporenklirrend,
und so Einer schief wollt’ blicken,
Fuhr die Hand mir an die Wehre –
Auf Mensur! Die Klingen bindet!
Los! Das schwirrte durch die Lüfte;
Und in manche glatte Wange
Hat mein Schläger flott und schneidig
Sich ein Stammbuchblatt geschrieben.“ –

Skl.