Aus dem Musikantenleben

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Titel: Aus dem Musikantenleben
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 221, 224
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[221] 

Die Harmonie im Schnee. Originalzeichnung von H. Lüders.

[224] Aus dem Musikantenleben. (Mit Abbildung, S. 221.) Wer wäre einem solchen Trüppchen, wie es unser heutiges Bild darstellt, noch nicht begegnet? Die unentbehrlichsten und bereitwilligsten Diener der Freude und des Leids, die mit denselben Instrumenten zum Tanz und zum Grabgang aufspielen wer hätte sie, auch abseits von den Leipziger Meßstraßen, den Radien ihres einst magnetischesten Centrums, nicht einmal als ein fast immer erheiterndes Reisebild vor Augen gehabt? Sie gehören zu den rastlosesten Zugvögeln unter den Menschen, die vor jenen jedoch den Vorzug haben, daß ihnen hinsichtlich des Wachens und Schlafens Tag und Nacht völlig gleich und eine Jahreszeit wie die andere ist: denn getanzt, gefreit und gestorben wird immer.

Leider verdüstert sich das Bild nur zu oft, wenn der Schimmer vom Glanze des Reichthums und des Luxus auf die schäbigen Röcklein und mageren Faltengesichter der Leute hinter den Notenpulten auf dem Orchester droben fällt. Unten an langen, lecker duftenden Tafeln das Knallen der Champagnerpfropfe – und droben das Knurren hungriger Mägen, deren Inhaber die fröhlichsten Töne zu den Lebehochs da drunten liefern! Aber wie freudig die rauschenden Klänge begrüßt werden, zwischen den Menschen, die unten schreien, und denen, die oben blasen und spielen, ist das Tafeltuch entzwei geschnitten, führt kein Band von Seele zu Seele. Wenn all’ das harmonische Geräusch eine Drehorgel besorgte, wär’s für die vornehme Gesellschaft ziemlich dasselbe.

Viel wohler fühlt sich der Musikant auf dem Dorfe und in dorfähnlichen Landstädten. Da ist das ehrliche Volk für die Freude noch dankbar. Ohne tiefer darüber nachzudenken, ahnt es doch, wohin es längst mit dem Bischen Poesie in seinem Leben gekommen wäre, wenn es keine Musikanten gäbe. Darum verherrlicht es sie auch dafür schon in seinen ältesten Sagen. Wie langweilig wär’s auf die Dauer dem Rübezahl in seinem Riesengebirg geworden, wenn ihm nicht die böhmischen Musikanten so viel Gelegenheit zu höherem Uz gehoten hätten, und der Barbarossa wäre im Kyffhäuser längst für ewig eingeschlafen, hätten nicht die Hörner und Schalmeien Thüringens ihn immer wieder an das Leben gelockt.

Von einer so romantischen Partie kommen unsere Musikanten wohl nicht, sie haben nur gewöhnlichen Menschenkindern gestern zum Tanz aufgespielt. Deshalb ist etwas Uebernächtiges hie und da nicht zu verkennen. Namentlich muß der grimmig vermummte Waldhornist gestern einen schweren Trunk gethan haben, an welchem er jetzt an diesem düsteren Schneemorgen noch leidet. Und dafür wird er von seinen beiden Nachbarn noch belächelt; doch meint’s der zu seiner Linken, der wahrscheinlich ein Klappenhorn im Lederfutteral unterm Arm trägt, gut mit ihm, denn er bietet ihm einen erwärmenden Schluck an. Auch der Clarinettist dahinter macht ein bedenkliches Gesicht. Dagegen schreiten der alte Bassist und der Lehrbursche mit dem zweiten Waldhorn in lebhafter Unterhaltung fürbaß. Nur der Posaunist zeigt sich in all’ der ruhigen Würde, die sein alttestamentliches Instrument von Rechtswegen beansprucht.

Fahrt wohl, ihr treuen Handwerker der Tonkunst, und möge es euch beschieden sein, auf eurem musikalischen Wandel mehr Freude als Leid durch das Leben zu begleiten!