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Ausgrabungen bei Ystad

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Textdaten
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Autor: Ernst Friedel
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Titel: Ausgrabungen bei Ystad.
Untertitel:
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. S. 182–183
Herausgeber: Wilhelm David Koner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Dietrich Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Scans auf Commons Google
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Ausgrabungen bei Ystad.


Auf dem internationalen Congresse für vorgeschichtliche Menschenkunde zu Kopenhagen vom 27. August bis 3. September 1869 berichtete der Gymnasial-Director Brunzelius aus Ystad über das Auffinden eines Torflagers mit Baumstämmen und Kunsterzeugnissen im Hafen seines Wohnorts, 10 Fuß unter dem jetzigen Ostseespiegel. Der um die Untersuchung unserer nordischen Alterthümer verdiente Bergassessor aus Neurode, Herr Baron F. F. v. Dücker, besuchte die Fundstelle im September v. J. und hat hierüber soeben einen Bericht veröffentlicht, dem wir die nachfolgenden Bemerkungen, unter gleichzeitiger Benutzung eines Artikels der dänischen Zeitschrift „Dagbladet“ vom 15. Juni 1869, entnehmen[1].

Der Besucher fand eine Hafenstrecke von einigen Morgen Größe abgedämmt, durch Dampfkraft trockengelegt und 10–12 Fuß unter dem Meeresspiegel ausgeschachtet[2]. Auf dem Boden der Ausschachtung bemerkte er, 10 Fuß unter dem Meeresspiegel, die Wurzeln und Stämme von Holzgebüsch stehen. Ueber demselben am steilen Abstich der Ausschachtung ein Torflager von 1½–2 Fuß Mächtigkeit (omtrent 18 Tommers Tykkelse nach Dagbladet) in schwach nach Südosten geneigter Lage, überdeckt von 6–8 Fuß Sand. Die Vorkommnisse in der Ausschachtung hat Herr Brunzelius genau verzeichnet. In der oberen Sandlage 21 moderne Schiffe, Kanonenkugeln, Bronzegeschütze und Geräthe aller Art. Im Torf recente Land- und Süßwasser-Muscheln und mit den Wurzeln im Grunde sitzende, oben abgebrochene Eichenstämme und Sträucher. Unter dem Torflager ½–1 Fuß tief in einem blauen sandigen Thone mit Diluvialgeröllen fand man einen Bronzeknopf einer Keule, ein zierlich geschnitztes Messerheft, aus welchem die eiserne Klinge ausgerostet war, wie eine schwarze Färbung andeutete, und zu unterst die Schneide einer polirten Steinaxt. Messerheft und Bronzeknopf wollen Kenner dem Beginn der geschichtlichen Zeit für dortige Gegend, also frühestens dem 9. Jahrhundert n. Chr. zurechnen, wonach etwa 1 Fuß Senkung auf jedes Jahrhundert bis jetzt fiele.

Dieser Mittheilung des Herrn B. v. Dücker mag hinzugefügt werden, daß gegenüber von Ystad an der Rügenschen Küste ähnliche Beobachtungen gemacht worden sind. Wälder frei unter dem Wasser und in Torfmooren darstehend, als wenn die Stämme abgehauen wären, finden sich hier z. B. auf einer Wiese zwischen Ralow und Lieps, südwärts davon auf dem abgespülten Lindenhaken, auf dem Lobber Schaar (Halbinsel Mönchgut), auch auf der pommerschen Festlandsküste. Ein versunkener Eichenwald liegt bei Bornholm, andere bei Fehmarn und Heiligenhafen; zahlreiche andere versunkene Moore, Wiesen und Wälder von der Küste Schonen’s erwähnt Nilsson (Steinalter, deutsch von Mestorf. S. 187). Weiter ziehen sich diese Senkungen durch die Ditmarschen und Wilstermarschen, wo ebenfalls Holz- und Torfreste mit Artefacten vorkommen. Im Wattenmeer sind diese untermeerischen Vorkommnisse [183] bei Husum von Forchhammer, ganz neuerdings von mir bei Röm, Sylt, Föhr und Amrom festgestellt. Hieran schließen sich bei Wangeroog, Norderney und Borkum ähnliche Funde, die ihre Replik noch westlicher an den Küsten von Holland, Belgien, Nord-Frankreich (Bretagne) und Cornwall (Menschenschädel im untermeerischen Torf) finden.

Beachtenswerth für Vergangenheit wie Zukunft unseres Geschlechts ist eine hieran geknüpfte Betrachtung v. Dücker’s: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß durch das nördliche Europa in der Linie von der Ostsee zum Pas de Calais eine südwestlich streichende Senkungsmulde geht, welche parallel ist mit dem nördlichen Erhebungssattel Scandinaviens und Schottlands. Aber auch der südliche correspondirende Erhebungssattel scheint sich schon bemerkbar zu machen, wenngleich dieser wegen Mangels der Berührung mit Meeresküsten schwerer beobachtet werden kann. Der Pariser Professor Quatrefages erzählte mir in Kopenhagen, daß er selbst beträchtliche Erhebungserscheinungen aus geschichtlicher Zeit an der Westküste Frankreich’s, an der Mündung der Charente, beobachtet habe. – Möchte nicht etwa die Stromschnelle des Rheins bei Bingen eine Andeutung geben, daß dort der Boden steigt? Würde nicht sonst der Rhein mit seinem unaufhörlichen, gewaltigen Kraftangriff durch Waschen, Reiben und Stoßen schon längst die Vertiefung hergestellt haben, welche jetzt der Strombaumeister Nobiling künstlich auszuführen bemüht ist?“

Ernst Friedel.

Anmerkungen

  1. B. v. Dücker; Geologische Notizen und Beobachtungen von einer Reise nach Dänemark und Schweden. (Beilage zum „Berggeist“, Cöln, 4. Februar 1870.)
  2. Nach Dagbladet bis zu einer dybde af 15 fod under Havfladen.