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BLKÖ:Dworžak, Johann Kaspar

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Dworžak (Maler)
Band: 3 (1858), ab Seite: 403. (Quelle)
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Dworžak, Johann Kaspar, oder wie er sich später nannte: Debureau, Jean Gaspard (Schauspieler, geb. zu Kolin in Böhmen 31. Juli 1796, gest. zu Paris 1846). Ist der Sohn eines Soldaten, der zuvor Seiltänzer gewesen, und als er den Militärstand 1803 verließ, die alte Kunst wieder aufnahm. Vater, Mutter, zwei Töchter und drei Söhne, darunter unser Johann Kaspar, zogen hin und her, die Schaulust der Menge durch Sprünge befriedigend. Nur Hanns Kaspar besaß kein Talent für die ihm aufgedrungene Kunst und hatte sich keiner besondern Gunst und freundlichen Behandlung im Kreise der Seinigen zu erfreuen. Auf diesen Wanderungen kam die Familie nach Amiens, wo sie eine Erbschaft erheben sollte, welche dem Vater von einer Verwandten, die einem französischen Soldaten in die Fremde gefolgt war, zufiel. Diese aber war so gering, daß sie nicht ausreichte, die Kosten der Rückreise zu decken. Nun ging es nach Konstantinopel, wo die kleine Gesellschaft im Palaste des Sultans Vorstellungen gab. Hierauf kam die Familie nach vielen Querzügen durch Deutschland nach Paris und ließ sich im Hofraum eines Hauses in der rue Saint-Maur nieder, wo sie täglich Vorstellungen gab, die stark besucht wurden. Hanns Kaspar machte den Paillasse (Bajazzo), d. i. jene charakteristische Rolle eines Menschen, der, wenn er hungrig und betrübt ist, Spässe machen [404] und drollige Gesichter schneiden muß, zum Ergötzen der Gesättigten und Fröhlichen. Unzufrieden endlich mit der rohen Behandlung der Seinigen, verließ er dieselben und fand neue Thätigkeit im Theater der „gelehrten Hunde“ (chiens savans) in der Eigenschaft eines springenden Mimen. Mit dieser springenden Mimik – Leibesübungen verbunden mit stummer Darstellung – gestaltete sich das Theater der „gelehrten Hunde“ allmälig in das Théâtre des funambules um, wo noch heute Pantomimen und kleine Vaudevilles gegeben werden. Da war es, wo Dworžak-Debureau dem Pierrot einen Charakter gab, der nach dem Stücke, das man ihm schrieb und das er sich selbst zurechtlegte, wechselte. Er zeichnete wie Gavarni lebendig und bis in die Details; die Bewegung eines Fingers drückte oft dem ganzen Bilde das Gepräge der tiefsten Wahrheit auf. Zugleich mit Debureau begann Frederic Lemaitre auf derselben Bühne seine Laufbahn. Als jedoch mittelst eines amtlichen Erlasses jedem Schauspieler der Funambules das Seiltanzen zur Pflicht gemacht wurde, verließ D. diese Bühne und ließ sich als Possenreißer im Cirque Franconi anwerben. Da er aber ebensowenig reiten als seiltanzen konnte, wurde Dworžak bald verabschiedet; er fand nun ein Unterkommen im Odéon, wo er die merkwürdigen Gestalten eines Robert Macaire, Don Cesar de Bazan, Ruy Blas u. a. geschaffen. Die Aufmerksamkeit des großen Publicums richtete sich aber erst nach einem Processe auf ihn, in welchem er gegen seinen Director klaghaft auftrat: daß ihm dieser ein unterirdisches gesundheitgefährliches Loch als Loge zum Ankleiden angewiesen habe. Der Director stützte sich auf seinen Vertrag, worin wirklich Debureau das Recht benommen war, sich gegen diese Loge zu beklagen. Der Advocat Debureau’s aber machte keine lange Rede, sondern zog als Argumentum ad hominem eine Schachtel hervor, aus welcher er einen mächtigen Pilz nahm, der in der feuchten Loge des Pierrot emporgeschossen. Beim Anblick der giftigen Pflanze entsetzten sich die Richter und die Versammlung. Der Spruch fiel zu Gunsten des Künstlers aus; der Vorfall machte in Paris großes Aufsehen und diente nicht wenig dazu, den Namen des damals noch kaum gekannten Künstlers zu verbreiten. Nun ging Dworžak-Debureau’s Glückstern auf, er wurde der Liebling aller Classen, jetzt erst erkannte man seine Kunst, die aber älter war, als jener über Nacht aufgeschossene Pilz, dem er sein Glück zu verdanken hatte, so daß er mit Recht ein Glückspilz genannt werden konnte. Aber der Stern seines Glückes sollte sich noch einmal trüben und einen düstern Schatten auf seine ganze Zukunft werfen. Debureau hatte sich verheiratet und ging eines Tages mit seiner Frau am Arme spazieren. Plötzlich wird er von einem Blousenmanne als Pierrot des Theaters der Funambules erkannt und in höhnender Weise mit boshaften Anspielungen angesprochen. Debureau wich dem Beleidiger aus und ging seines Weges. Dieser aber folgte D. auf dem Fuße, verlangte von ihm, daß er auf der Straße seine Sprünge mache und schnitt Gesichter. D. erwähnte den frechen Störer, ihn unbeirrt seiner Wege gehen zu lassen und wäre es auch nur aus Rücksicht für seine Frau. Auch diese Vorstellung blieb erfolglos, das Necken und Höhnen nahm kein Ende und wurde nur unverschämter, als D. zu drohen begann. So verfolgt, an der Seite seiner Frau der Aufmerksamkeit aller Leute preisgegeben, ward D. von Wuth ergriffen, schwang einen Stock und führte mit der ganzen Macht seines Zorns einen Streich nach [405] seinem Beleidiger – dieser fiel zu Boden und war – todt. D. wurde verhaftet und vor das Geschwornen-Gericht gestellt. Die Jury aber sprach den Künstler frei, weil die That ohne Vorbedacht geschehn. Auch war D. zu sehr gereizt, ja in Gegenwart seiner Frau zu schwer beschimpft worden, was nach franz. Anschauung unmöglich ertragen werden konnte. D. konnte sich, so lange er lebte, der drückenden Erinnerung an dieses Ereigniß nicht entschlagen. Er starb im Alter von 50 Jahren. Jules Janin nannte ihn „le plus grand Comédien de notre époque“ und die Worte des Einen seiner Biographen: „Berühmt zu werden in Hessencassel, in Halle, in Jungbunzlau, ja selbst in Rom, Wien, St. Petersburg und London, das ist ein Kinderspiel; wer aber berühmt wird zu Paris, der muß alle Götter der Erde und des Himmels zu Freunden, der muß auch wie Achilles sieben Male im Lethe getauft und unverwundbar sein“, dürften die Gewalt und den Eindruck der Urkomik Dworžak-Debureau’s bezeichnen. – Sein Sohn Charles ist in Paris geboren, jetzt etwa 30 Jahre alt und wurde schneller und ohne die Kämpfe des Lebens, welche sein Vater überstanden, der Liebling des Publicums. Er ist auch groß in dem Genre seines Vaters, doch nicht so groß wie sein Vater, der es geschaffen und zur höchsten Vollendung gebracht.

Jules Janin, Debureau. Histoire du théâtre à quatre sous etc. (Paris 1832, 8°., mit Portr.), davon wurden nur 25 Exemplare abgezogen; im nämlichen Jahre erschien eine zweite Auflage in 2 Bänden in 12°. – Ambs-Dales (Jean Baptiste), Histoire de Debureau; troisième édition, augmentée de son procès devant la cour d’assises (Paris 1836, 18°.). – Ueber seinen Sohn Karl Debureau: Monnier (Henri), Biographie de C. Debureau fils (Paris 1848, 8°.). – Correspondenz-Blatt aus Böhmen (Prag, kl. Fol.) Jahrg. 1852, Nr. 175 und 176: „Pariser Skizzen. Böhmen in Paris.“