BLKÖ:Hugo, Karl

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 9 (1863), ab Seite: 413. (Quelle)
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Hugo, Karl (Schriftsteller, geb. zu Pesth 1808). Der Sohn armer israelitischer Eltern in Pesth, hat er seinen wirklichen Namen Karl Bernstein mit dem obigen, Karl Hugo, vertauscht und mit demselben eine eigenthümliche Berühmtheit erworben. Schon in früher Jugend brach ein ungewöhnliches Talent hervor, aber da der Vater aus ihm einen Geschäftsmann machen, Karl jedoch Schauspieler werden wollte, fehlte es nicht an Conflicten, welche die Mutter zu lösen verstand. Er beendigte die Studien zu Pesth und begann auf den Wunsch der Mutter das Studium der Chirurgie. Um die ihm fehlenden Mittel zum Rigorosum zu bestreiten, trat er für 20 Monate in das Militär ein und bezahlte mit dem Ersparniß das Rigorosum, dem er sich sofort unterzog. Als im Jahre 1830 die polnische Insurrection ausbrach und ganz Europa für die Polen Partei ergriff, trieb es auch ihn nach Warschau, wo er nun das Doctorat machte (?), zum Stabsarzt in der polnischen Armee ernannt und für seine im Dienste bewiesene Unerschrockenheit mit einem Ehrenzeichen belohnt wurde. Nach dem Falle Warschau’s kam er in russische Dienste, in denen er aber nicht lange blieb, sondern in seine Heimat zurückkehrte und sich der ärztlichen Praxis widmete. Es war Cholerazeit und da bei Behandlung dieser Seuche die ältere Heilmethode sich unzulänglich erwies, studirte H. die Lehre Hahnemann’s und wurde ein eifriger Anhänger derselben. Zu gleicher Zeit betrat er die schriftstellerische Laufbahn, vertheidigte das System Hahnemann’s und polemisirte gegen dessen Gegner. Es erschienen um diese Zeit mehrere polemische, wenig gekannte Broschüren, als: „Mosaik“, medicinischen Inhalts, „Doctor Ego“, „Saphir geschliffen und à jour gefaßt“, u. m. A. Hahnemann, auf seinen Anwalt aufmerksam geworden, lud ihn zu sich nach Paris ein, welcher Einladung H. auch 1839 folgte. Nur sein Unabhängigkeitsdrang war Ursache, daß H. auch seinen Lehrer nach einiger Zeit verließ. In Paris waren es insbesondere die Theater, die H.’s Aufmerksamkeit fesselten und als er sah, wie an der Bühne der Seinestadt kleine Talente groß lebten, wuchs auch seine Zuversicht und er war entschlossen, seine Talente bestmöglich zu verwerthen. Von Paris begab er sich, 1840, nach Hamburg, wo er auf Subscription seine gesammelten Gedichte unter dem Titel: „Sehnsuchtsklänge eines wandernden Hagestolzen“ herausgab und von Veröffentlichung eines Pamphletes über die deutschen Bühnen, dessen Herausgabe er beabsichtigte, nur durch Vorstellungen seiner Freunde, daß er sich dadurch mit allen Bühnen verfeinde, abgehalten wurde. Indessen wuchs seine Liebe für die Bühne, und in seinem reformatorischen Drange, das deutsche Bühnenwesen vom Grunde aus zu verbessern, begab er sich nach Berlin, wo er kein geringeres Vorhaben verwirklichen wollte, als Shakespeare’s Dramen nach einer eigenen Idee zur Darstellung zu bringen, zugleich aber die Hauptrollen Romeo, Lear, Shylok, Hamlet, u. A. selbst zu spielen. Aber die Berliner Theater wollten des Segens, der aus H.’s Reformen hervorgehen sollte, nicht theilhaftig werden. Er verließ demnach Berlin und kehrte nach Hamburg zurück. Da indessen eine heilige Scheu vor seinem Namen sich allmälig zu entwickeln begann, bediente er sich der ersten Silbe seines wahren Namens, trat als Schauspieler Bern aus Linz auf und spielte in Altona den Roderich in „Traum ein Leben“. Wie günstig – andere [414] Stimmen melden das Gegentheil – auch sein Erfolg gewesen, er führte ihn nimmer zum Ziele und seine Blicke richteten sich nunmehr auf Wien, dessen Hofburg-Theater dem Ideale, welches er sich von einer Bühne gemacht, am nächsten kam. 1841 begab er sich dahin. In Wien lebte er als homöopathischer Arzt und die reiche Muße, welche ihm die Praxis übrig ließ, benützte er, um seine seit einigen Jahren gedichteten Dramen zur Aufführung zu bringen. Vergeblich, auch da fand er keine Würdigung, nicht eines seiner Stücke wurde angenommen Noch nicht entmuthigt, sparte er sich mühsam die Druckkosten zusammen und gab nun „Das Schauspiel der Welt“, in 4 Acten und als Fortsetzung und Schluß „Den Stein der Weisen“, auch in 4 Acten, beide Dramen unter dem gemeinsamen Titel: „Die grosse Fibel“ (Wien 1844) heraus. Neben viel Verfehltem, Uebertriebenem, Unbrauchbarem fand die Kritik in diesen Dichtungen Phantasie, poetische Schönheiten, philosophischen Geist. War er von ihrer Unbrauchbarkeit für Bühnen, wenigstens unter den bestehenden Theaterverhältnissen, überzeugt, oder fügte er sich den Umständen, kurz, er schrieb nun und gab das bühnengerechte Drama „Brutus und Lucretia“ (Wien 1845) als Manuscript heraus. Aber der Unstern verfolgte ihn auch mit dieser Arbeit. Um diese Zeit trat Ponsard mit seiner „Lucretia“ hervor, des Franzosen Drama machte Sensation, wurde sogleich übersetzt und Hugo sah überall die Arbeit des Franzosen seiner Dichtung vorgezogen und hatte wieder das Nachsehen. Dieses Unglück eines deutschen Dichters entmuthigte ihn tief. Deutschland aufgebend, schwankte er einige Zeit, ob er nach Frankreich gehen oder in seiner Heimat Ungarn sein Heil versuchen sollte. Die Heimat trug den Sieg davon und H. ging nach Pesth. Die ungarische Sprache, welche er in der Kindheit geläufig gesprochen, hatte er vergessen, aber das Unglück stählte seinen Muth und Eifer. Mit der Ausdauer eines deutschen Poeten verlegte er sich sofort auf seine Muttersprache und hatte sie sich bald wieder so angeeignet, daß er sie nicht nur gut sprach, sondern auch geläufig schrieb. Von seinen Mißerfolgen auch körperlich angegriffen, hatte er Heilung im Bade zu Füred gesucht, aber mehr als dieses kräftigte ihn die Mittheilung des Directors der deutschen Bühne zu Pesth, Herrn Forst, daß er eines seiner Stücke zur Darstellung bringen wolle. Sein in ungarischer Sprache ursprünglich gedichtetes fünfactiges Trauerspiel „Egy magyar kiraly“, d. i. Ein ungarischer König, übersetzte er nun selbst in’s Deutsche, es wurde am 2. Juni 1846 im ungarischen Nationaltheater zu Pesth gegeben und gefiel sehr; später erschien es in Druck unter dem Titel „Ein Ungarkönig“ (Pesth 1847). Nun übersetzte er auch sein Drama „Brutus und Lucretia“ in’s Ungarische und das von den deutschen Bühnen zurückgewiesene Stück wurde in Pesth zuerst in deutscher, dann in ungarischer Sprache aufgeführt und gefiel sowohl das eine, als das andere Mal sehr. Nun folgte in ungarischer Sprache „Báró és bankár“, d. i. Baron und Bankier, welches auch sehr gefiel, und viele Jahre später als „Der Kaufmann von Marseille, Drama in 3 Acten“ (Pesth 1859, Rob. Baldini, mit des Dichters Porträt), im Drucke erschien. H. löste darin die interessante Aufgabe, in einem dreiactigen Stücke nur drei Personen auftreten zu lassen; übrigens ist das Stück nicht Original, sondern nach einer französischen [415] Novelle gearbeitet, welche lange vorher von Meynert übersetzt, in Bäuerle’s Theaterzeitung erschienen ist. Auch sein „Schauspiel der Welt“ brachte H. jetzt in bühnengerechte Form und mit Glück auf die Bühne, zugleich übersetzte er dasselbe und die Fortsetzung „Der Stein der Weisen“ unter dem Titel: „A világ szinjateka“ und „Bölcsek köve“ in’s Ungarische. Um diese Zeit erschien noch eine Sammlung seiner lyrischen Gedichte unter dem Titel: „Psalmen eines armen Poeten“ (Pesth 1846). Auf diese Weise seine eigenen Stücke aus dem Ungarischen in’s Deutsche und aus dem Deutschen in’s Ungarische übersetzend und mit Erfolg auf die Welt der Breter eingeführt, glaubte er sein Glück in Paris versuchen zu können und mit neuen Hoffnungen begab er sich 1847 dahin. In der That schien ihm dieses Mal das Glück zu lächeln. Janin nahm sich seiner an, Alles war schon im besten Zuge, als die Revolution des Jahres 1848 den Dichter wieder um alle seine Hoffnungen brachte. Die Zeit war dem Poeten nicht günstig. Er lebte nun in Paris als homöopathischer Arzt, 1850 in Neapel, wo er sich für einen Tenor – ohne Stelle – ausgab, später wieder in Paris, wo er lange Zeit ein verborgenes Dasein führte, bis ein Proceß mit der Sängerin Borghi-Mamo, von der er für eine ärztliche Behandlung, die in 3 Visiten bestand, das Honorar von 1000 Franken verlangte, ihn zuerst der Lächerlichkeit preisgab. Die Sängerin verweigerte die Zahlung einer so übertriebenen Summe und der Dichter der „Lucretia“ belangte die Künstlerin gerichtlich. Das Gericht wies aber Herrn Karl Hugo Amber-Bernstein, Dr. der Homöopathie und Tenor a. D. ab und verurtheilte ihn in die Kosten. Nach mannigfachen Wechselfällen, die in seinen zur Herausgabe bereit liegenden Memoiren erzählt zu finden sein dürften, kehrte H. im Jahre 1858 in seine Heimat zurück, um seinen 80jährigen Vater zu besuchen. In Paris hatte er zwei französische Dramen geschrieben: „La Comédie infernale“ und „L’Iliade finie“. Dann begab er sich nach Berlin, wo sein Stück: „Der Kaufmann von Marseille“, am 13. December 1859 mit entschiedenem Beifalle gegeben wurde. Nun war längere Zeit nichts von dem Dichter zu hören, bis er im Jahre 1861 Gegenstand des Gespöttes der deutschen Journale wurde, die während der politischen Wirren seine poetischen Ueberschwenglichkeiten zu picanten Feuilletons und Notizen ausbeuteten. Insbesondere war es sein Aufenthalt in Berlin 1861, wo er sich als Vorleser und Mime ersten Ranges bezeichnete, seine Dramen las, und einige Scenen daraus spielte und lächerlich wurde. Diese Behandlung von Seite der Presse und des Publikums sollen nicht ohne Wirkung auf H.’s Gemüth geblieben sein und man meldete, daß H. den Verstand verloren habe, wenigstens wollte man diese traurige Thatsache aus seinen extravaganten Handlungen schließen; zu letzteren gehört u. a. ein in der „Kreuzzeitung“ bald nach der Krönung des Königs erschienenes Inserat, worin er sich selbst nennt einen „Fürsten der Poesie“, der seinen „Feinden gibt Amnestie“, und sein letztes im Drucke erschienenes Werk, halb Pamphlet, halb Unsinn. Dieses führt den Titel: „Karl Hugo Amber Bernstein oder das gemassregelte Genie“ (Berlin 1862), und bildet den vierten Band seiner „Mémoires terribles d’un martyr monstre“, welcher aber der Originalität halber vor den übrigen drei Bänden erscheint. Da dasselbe [416] Beleidigungen von Beamten, hohen und höchsten Personen, auch sonst des Anzüglichen mehr als genug enthält, wollte man anfänglich die Staatsanwaltschaft einschreiten lassen. Nach näherer Prüfung des Inhaltes aber wurde der Physikus, Geheimrath Casper, mit einer Untersuchung des Gemüthszustandes des „Einzig großen Dichters“, so nennt sich Hugo selbst, betraut, dessen Ergebniß war, daß man von einer amtlichen Untersuchung gegen den Verfasser abstand. Später begab sich H. nach Dresden, wo er auch öffentlich auftrat, und im November 1862 befand er sich in Wien und veranstaltete daselbst seine automimischen Vorstellungen. Herausgeber dieses Lexikons wohnte der ersten und (für Wien) wohl letzten Vorstellung bei und ihm erschien H.’s Auftreten und Declamiren im Costume als eine traurige Prostitution des Poetenthums, deren sich bewußt zu werden H. außer Stande zu sein scheint. Schließlich muß zur Beseitigung einer leicht möglichen Verwechslung bemerkt werden, daß der Verfasser des Drama’s „Ludwig der Bayer“, der auch Karl Hugo heißt und in Düsseldorf lebt, eine von obigem Karl Hugo verschiedene Persönlichkeit ist.

Wanderer, herausg. von Seyfried (Wien, 4°.) Jahrg. 1849, Nr. 26 und 27: „Gallerie biographischer Skizzen von Dr. H. Meynert. II. Karl Hugo“. – Sonntags-Zeitung (Pesth, 4°.) 1858, Nr. 42, S. 332. – „Karl Hugo“ [mit Porträt im Holzschnitt, nach dieser geb. 1814]. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntagszeitung (Pesth, 4°.) 1858, Nr. 38: „Hugo Károly“ [gibt auch das Jahr 1814 als H.’s Geburtsjahr an]. – Kölnische Zeitung 1860, Nr. 14: „Feuilletoncorrespondenz aus Berlin“. – Schlesische Zeitung (Breslau, Fol.) 1861, Nr. 218 [im Feuilleton von E. K(urnick)]. – Zwischenact (Wiener Unterhalt. Blatt, kl. Fol.) 1861, Nr. 124. – Danielik (József), Magyar irók, Életrajz-gyüjtemény, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Zweiter, den ersten ergänzender Band (Pesth 1856, Gust. Emich, 8°.) S. 118. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1857, Nr. 187: „Ein homöopathischer Arzt“; – 1859, Nr. 326, Abendblatt [in der „kleinen Chronik“]; – 1861, Nr. 123, Abendblatt [ebenda]; Nr. 138, Abendblatt [ebenda]; Nr. 292, Abendblatt [ebenda]. – Der Botschafter (Wiener polit. Blatt, Fol.) 1862, Nr. 113: „Carl Hugo Amber Bernstein oder das gemaßregelte Genie“, von C. v. T. – Fremdenblatt. Herausg. von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1861, Nr. 293: „Karl Hugo’s Amnestie“; – 1862, Nr. 90. – Didaskalia (Frankfurter Unterhalt. Blatt) 1862, Nr. 138 und 139: „Ein verkanntes Genie“. – Lorm (Hieronymus), Wiens poetische Schwingen und Federn (Leipzig 1847, Grunow, 8°.) S. 236. – Gottschall (Rudolph), Die deutsche Nationalliteratur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Breslau 1855, Trewendt und Gramer, gr. 8°.) Bd. II, S. 205. – Oesterreichischer Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Frey-Sing, bei Athanasius und Comp.) S. 8 [nach diesem wäre Hugo zur Zeit 165 Jahre alt, denn er läßt ihn 1707 geboren sein]. – Porträt. Holzschnitt. Mit den Zeilen:

Weh’ dem Dichter, den die Musen nähren,
Der mit Geistern um die Krone ringt,
Und aus wunder Brust von Freiheit singt,
Während Sorgen ihm das Mark verzehren.
                                        Carl Hugo.

[Auch als Titelbild vor seinem als Manuscript gedruckten „Der Kaufmann von Marseille] – Zur literarischen Charakteristik Karl Hugo’s. Während Gottschall Hugo’s „Formlose Dramen nicht ohne Schwung“ findet, seine „Psalmen eines armen Porten“ aber „grillenhafte Jeremiasklänge“ nennt, beurtheilt ihn Hieronymus Lorm schon vor fast zwei Jahrzehenden treffend und schreibt über ihn u. a. – „C. Hugo lieferte ein „Schauspiel der Welt“, worin sich edle Mohren, weise Narren verrückter Weise im Wirbeltanz einer ungeregelten Phantasie drehen. Mehr Lob verdient seine Tragödie „Brutus und Lucretia“, die mit größerem Verständniß des Alterthums als Ponsard’s bekanntes Stück geschrieben ist. Nur bleibt die Charakterzeichnung nicht consequent. Brutus, Collatin vergessen zuweilen wo sie sind und fangen plötzlich zu reden an, wie Carl Hugo, ja in [417] mancher Scene glaubt man zwei Dr. Bernsteine mit einander reden zu hören. Immense Selbstüberschätzung und demüthiges Betteln um Zuwerfung eines Lobesalmosen ließen ihn den Tagesruhm als das höchste Ziel der Poesie erscheinen und bewogen ihn, weil er in Deutschland nicht die verdiente Anerkennung zu finden wähnte, ungarische Dramen zu schreiben. Der niedere Standpunct, auf welchem noch die ungarische Aesthetik steht, verhalf ihm dort zum Namen eines Shakespeare (!). Vom selben Geiste, nicht des Ehrgeizes, sondern der Ruhmesbettelei, sind seine „Psalmen eines armen Poeten“ dictirt.“