BLKÖ:Lindheim, Hermann Dietrich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 210. (Quelle)
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Lindheim, Hermann Dietrich [Vater] und Alfred Hermann [Sohn] Edle von (Industrielle). Hermann Dietrich, der Vater (geb. in der preußischen Grafschaft Glatz im Jahre 1791, gest. zu Wien 11. März 1860), war aus Preußen nach Oesterreich gekommen und errichtete im Jahre 1837 zu Skalitz in Böhmen eine Baumwollenspinnerei, deren großartige Ausdehnung und musterhafte Leitung wesentlich zur Hebung dieses Industriezweiges beitrug. Im Jahre 1840 gründete Hermann Dietrich L. mit einem Verwandten oder Bruder, J. M. Lindheim, in Wien ein Großhandlungshaus. Später hob er auf der in Böhmen angekauften Domäne Wilkischen den ganz in Verfall gerathenen Steinkohlenbergbau, und förderte dadurch nicht wenig den Wohlstand der benachbarten Gegend. Mit seinen beiden mittlerweile herangewachsenen Söhnen Ernst Hermann (geb. 3. November 1832) und Alfred Hermann bereiste er zu industriellen Zwecken Westböhmen, und erschloß daselbst zahlreiche neue Erzlager, erweiterte mehrere ältere, schuf neue Hochöfen und Walzwerksanlagen, führte den Puddlings- und Walzproceß, die Erzeugung von Eisenbahnschienen und die verbesserte Blechfabrication in Böhmen ein. Die Schwierigkeiten, welche dabei zu überwinden, die Hindernisse, welche zu beseitigen, und die bald örtlicher, bald technischer Natur waren, können hier nur im Allgemeinen angedeutet werden. In einem durch Dr. Rieger im Prager Gewerbeverein vorgetragenen Berichte über den Fortschritt der Eisenindustrie in Böhmen heißt es: Vom Jahre 1844 datirt der Fortschritt und die ungemeine Ausdehnung des Eisenwerkes zu Wilkischen. Es wurde der Hochofen zu Karolinengrund, nebst den erforderlichen Werksanlagen, das Puddl- und Walzwerk zu Josephihütte, die Hermannshütte, unmittelbar auf dem Steinkohlenlager zu Wilkischen neuerbaut, viele Hochöfen in der Umgegend auf längere Zeit gepachtet, umfangreiche und kostspielige Schürfungen unternommen und durch Auffindung neuer Eisensteinlager der Bedarf von Eisenerzen und durch Aufschließung neuer ausgedehnter Kohlenlager der Bedarf von Steinkohlen für eine lange Zeit gesichert. Bereits im Jahre 1853 lieferten diese ausgedehnten Eisenwerke die ersten Eisenbahnschienen in Böhmen (60.000 Ctr.), steigerten bis 1856 die Erzeugung auf 150.000 Ctr., beschäftigten an 2500 Berg- und Hüttenarbeiter, für welche eigene Wohnungen gebaut und für deren Bedürfnisse durch Gasthäuser, Mehlniederlagen, Bäckereien u. dgl. m. gesorgt wurde. Auch wurde ein eigenes Arbeiterspital mit Arzt und Apotheke eingerichtet. Ferner war es L., der in Gemeinschaft mit dem kaiserl. Generalconsul Ernst Merck zu Hamburg die Concession zum Baue einer Eisenbahn von Wien nach Salzburg ansuchte und erhielt. Ihre Vollendung hat er nicht mehr erlebt, vielleicht wäre sonst mancher Irrthum, der bei ihrem Ausbau vorgekommen, vermieden worden. Lindheim’s Verdienst in dieser Angelegenheit besteht in erster Linie, daß er es verstand, den Bau dieser wichtigen Linie zu sichern, denn dem Klange seines Namens, darüber war [211] man seiner Zeit einig, war es vor Allem zuzuschreiben, daß in auffällig kurzer Frist das Capital zum Baue dieser Bahn beigeschafft war. Im Jahre 1857 war es auch L., der als einer der Mitgründer und Hauptförderer der chemischen Fabrik zu Aussig in Böhmen auftrat, wo er die Vereinigung seiner Eisenwerke mit den Hochofenanlagen zu Kladno vollzog, wo er als Pächter der kaiserlichen Stahlwerke wirkte, und thätigen Antheil an der Gründung der Traunthaler Bergwerks-Gesellschaft nahm. Fünftausend Arbeiter und hundert Beamte fanden ihr Brot in den jetzt mit Kladno fusionirten Lindheim’schen Eisenwerken. Große Ortschaften waren entstanden, wo früher wüste Strecken Landes gewesen, und wie die Geschichte der Baumwollenspinnerei im Zollverein Lindheim’s Namen mit goldenen Lettern verzeichnet, so wird in der Eisenhüttentechnik Lindheim immer als derjenige in dankbarer Erinnerung genannt werden, der das Vorurtheil gegen böhmisches Eisen gebrochen und seine Verwendbarkeit auf das Eclatanteste gezeigt hat. Heute noch circulirt in betheiligten Kreisen Böhmens ein Wort, welches ein sehr hochgestellter Eisenhüttenmann aussprach, als Lindheim in Böhmen zu wirken begann, „die Schienen, die Lindheim aus böhmischem Eisen macht, rief er, esse ich alle auf“. Welch einen Wundermagen dieser Eisenhüttenmann hätte haben müssen, erhellet aus dem oben mitgetheilten Auszuge des Berichtes, den Rieger im J. 1856 über die böhmische Eisenindustrie mitgetheilt hat. Die große Entwickelung der böhmischen Eisenindustrie erheischte die Vervollkommnung des Eisenbahnnetzes, namentlich aber eine Verbindung Prags mit dem Kreise Pilsen. Eine solche Linie war bereits an den Bankier S. Lämmer concessionirt, aber im Jahre 1859 noch gar nicht in Angriff genommen worden. Lindheim überzeugte sich täglich mehr von ihrer Nothwendigkeit, und wiewohl schon kränklich, bat er um die Concession und erhielt sie im Verein mit mehreren Freunden. Sein physisches Leiden hinderte ihn nicht, den Bau auf das Energischste zu betreiben, und auf dem Sterbebette hat er noch ihre Ausführung vorbereitet. Mitten in diesen Arbeiten überraschte ihn der Tod. L. zählte, als er starb, 69 Jahre. Auch nach humanistischer Seite war das Haus theils auf seinen eigenen Schöpfungen durch nachhaltige Verbesserung der Arbeiterverhältnisse, wie schon oben angedeutet worden, als auch in anderen Richtungen thätig. In der Kriegsperiode 1859 förderten die Söhne durch Geldspenden und persönliches Einwirken die Bildung des böhmischen Freiwilligen-Corps, und durch bedeutende Spenden zu wohlthätigen Zwecken, wie Errichtung der Gisela-Stiftung[WS 1] in Marienbad, für erkrankte Militärs- und Staatsbeamte, bewährten sie ihren humanen und patriotischen Sinn. Schon der Vater war in Anerkennung seiner um die Hebung der Industrie erworbenen Verdienste in Preußen mit dem Geheimrathstitel und rothen Adler-Orden, in Oesterreich aber mit dem Franz Joseph-Orden ausgezeichnet worden. Den beiden Söhnen aber wurde sowohl in Würdigung der Verdienste des Vaters, wie ihrer eigenen, mit Diplom vom 9. November 1860 der erbländische Adelstand verliehen. – Der jüngere von den Söhnen, Alfred Hermann (geb. zu Ullersdorf in der Grafschaft Glatz 11. October 1836), fördert auch im Wege der Presse zeitgemäße Reformen oder Unternehmungen, und so sind von ihm bereits erschienen: der „Bericht über die Ausstellung landwirthschaftlicher [212] und industrieller Producte des ottomanischen Kaiserreiches, 1863“ (Wien 1864, 8°.), eine Preisschrift; – „Zur Reform der Consulate“ (ebd. 1864) und „Bericht über die Canalisirung der Landenge von Suez“ (ebd. 1865, 8°.). Das Großhandlungshaus Lindheim hat als solches nach dem Tode des Begründers zu bestehen aufgehört und seine Geschäfte liquidirt.

Adelstands-Diplom vom 9. November 1860. – Tagesbote aus Böhmen (Prager polit. Blatt) 1856, Nr. 324: „Zur Geschichte der böhmischen Industrie“. – Wappen. Ein dreifach in die Länge getheilter Schild; mitten schwarz und mit einem dreiblättrigen, von Silber und Gold längsgetheilten Lindenzweige belegt, rechts Silber, links Gold. Auf dem Schilde ruht ein gekrönter Turnierhelm, besten Krone einen offenen schwarzen, rechts mit einer eisernen Spindel, worauf ein weißer Faden aufgewunden, links mit einem goldenen Aufschlaghammer pfahlweise belegten Adlerflug trägt, welchem ein dem im Schilde befindlichen ähnlicher Lindenzweig gleichfalls pfahlweise eingestellt ist. Die Helmdecken sind beiderseits schwarz, rechts mit Silber, links mit Gold belegt. Unter dem Schilde auf goldenem flatternden Bande in schwarzer Lapidarschrift die Devise: „Meritis patris“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gisela-Siftung.