BLKÖ:Müller, Karoline

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 19 (1868), ab Seite: 391. (Quelle)
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51. Müller, Karoline (k. k. Hofschauspielerin, geb. zu Gratz in Steiermark, nach Anderen zu Salzburg im Jahre 1806). Ueber ihren Geburtsort sind die Angaben verschieden. Nach dem „Allgemeinen Theater-Lexikon“ ist sie in Gratz, nach Adolph Bäuerle aber in Salzburg geboren; letzteren Umstand benützte auch Bäuerle gelegenheitlich, um der Künstlerin eine Artigkeit zu sagen, als er darauf hinwies, daß sie und Mozart an einem und demselben Orte das Licht der Welt erblickt hätten. In Gratz betrat sie in jungen Jahren zuerst die Bühne und spielte dann einige Zeit auf mehreren Provinzialtheatern der Monarchie. Einem Gastspiele, welches im Jahre 1826 im Wiener Hofburg-Theater statthatte, folgte das Engagement auf derselben. Nach dem „Conversations-Lexikon der Gegenwart“ wäre sie erst im Jahre 1830 an das Hofburg-Theater gekommen, welchem sie bis zum Jahre 1840 angehörte. Im genannten Jahre entsagte sie der Bühne und vermälte sich mit einem in der Gegend von Oedenburg begüterten ungarischen Edelmanne, Herrn von Simonyi. Seit einigen Jahren hat sie sich jedoch aus Ungarn weggewendet und lebt gegenwärtig (1866 war sie noch dort) mit ihrem Gatten und ihrer Tochter in Passau. Als Schauspielerin zählte sie – und mit Recht – zu den Zierden des Hofburg-Theaters, ja der deutschen Bühne überhaupt; reich an Geist und Anmuth und besonders im feineren Lustspiele, in naiven, koketten, muthwilligen und launigen Partien war sie ausgezeichnet. Nach ihr kamen andere, ganz vortreffliche Darstellerinen des Faches, das sie spielte, aber eine Karolina Müller kam nicht wieder, und in den Kreise der feinen, der Salonwelt lebt ihr Andenken heute – nach fast drei Jahrzehnden – ungeschwächt fort. Meynert [392] nennt sie den „Hauptpfeiler des Salonstückes im Burgtheater“ und auch außerhalb der Bühne einen Liebling des Salons. Er vergegenwärtigt uns ihr Wesen durch eine ganz vortreffliche Silhouette und Charakteristik. Ihr großes, dunkles, geist- und lebensvolles Auge, das bald fest zu seinem Gegenstande sich erhebt, bald etwas unstät um denselben schweift, nöthigt die Blicke der übrigen, unwillkürlich seiner Richtung zu folgen. Man fühlt, daß dieses Auge hat befehlen gelernt. Und doch liegt in den feingeschnittenen Zügen eine gewisse Weichheit, und auf der von braunen Locken umspielten Stirn verräth sich keine Spur eine Stolzes. Je nach dem Anlasse, den der Moment und die Unterhaltung mit sich bringt, lösen Ernst und Frohsinn sich in der Herrschaft auf diesem interessanten Antlitz ab. Ihre Toilette ist elegant, mehr aber noch geschmackvoll. Man entdeckt in ihrer Kleidung nichts raffinirt neues, und doch findet man, daß hier eine ganz andere als die gewöhnliche Eleganz waltet, eine Eleganz, die ohne hoffärtiges Hervordrängen gleichwohl dadurch überrascht, daß die Formen, unter welchen sie sich gibt, noch nicht dagewesen zu sein scheinen. Eigentlich heimisch, schreibt er, war sie in jenen Lustspielen, durch welche die Odeurs der vornehmen Welt ziehen. Junge Witwen mit großen Titeln und Reichthümern, die koketten Herzoginen und Marquisen der französischen Intriguenstücke waren die Glanzpuncte ihres Repertoirs. Durch eine hohe, schlanke Gestalt in ihrer Repräsentation unterstützt, zeichnete sie da die Caprice, die Schalkheit, die offene oder versteckte Eitelkeit in anmuthigen Zügen, aber ihr feiner Anstand weiß Alles abzuwehren, was in minder tactvollen Händen eine Anwandlung des Trivialen oder Frivolen erfahren könnte. Für dergleichen Rollen steht ihr überdieß in ihrer unübertroffenen Toilettenkunst eine mächtige Verbündete zur Seite. Sie bedarf keines Modejournals, im Gegentheil, ihr auf diesem Gebiete unerschöpflich erfinderischer Geist schafft und beherrscht die Mode, und nach ihrem Vorbilde richten sich alle Damen, deren Anzug nicht einer zufällig zur momentanen Geltung gelangten Pariser Schneiderlaune gehorchen mag, sondern sich den Winken eines höheren, reizenderen Geschmackes zu unterwerfen begehrt. Ihre fruchtbare Phantasie blendet immer mit etwas anderem, ungesehenem; unaufhörlich nestelt sie ihr Penelope-Gewebe auf, um aus denselben Fäden ein neues zu weben, und der Stoff des nämlichen Costumes, in welchem sie heute die elegante Damenwelt entzückt, wird mittelst leichter Aenderungen morgen und übermorgen abermals zu einem anderen Kleide, ohne daß das Auge den früheren Bekannten darin wieder zu entdecken im Stande ist. Der stolzen Juno des Lustspiels fehlt, wenn sie will, auch der Gürtel Aphroditen nicht. Sie besitzt, wenn auch weniger die angeborene Anlage, doch ein bestehendes Surrogat selbst für das Gemächliche oder Sentimentale, und ihre „gefährliche Tante“ schmeichelt nicht bloß dem Sinne für das Picante, sondern bewegt auch die Herzen. In ganz eigenthümlicher Weise aber zuckt bisweilen, wie aus einer verborgenen Tiefe ihres Innern, mittendurch die edle Gemessenheit ihres Spieles ein plötzlicher fröhlicher Uebermuth als ein angenehmer Schauer, der eben so schnell verschwindet, wie er gekommen, und von vielen wohl kaum wahrgenommen wird. Von ähnlichen Wechseln der Stimmung und Laune wird sie zeitweise auch außerhalb der Bühne heimgesucht, aber der [393] Schlüssel dazu liegt weniger in ihrer eigenen, als vielmehr in der Hand ihrer Umgebung, Wer sich, was leider oft geschieht, ihr mit Förmlichkeit, mit Unterwürfigkeit nähert, dem blitzt an ihr nicht selten ein Zug von Stolz entgegen; wer ihr aber mit Unbefangenheit begegnet, findet sie einfach, theilnahmsvoll und herzlich. Es ist nicht ihre, sondern die Schuld der Leute, welche im Umgange mit Karolina Müller, statt dieser allein, immer auch zugleich den einflußreichen Kreisen zu huldigen trachten, in welchen die Gefeierte sich bewegt, und die sie solchergestalt gewissermaßen nöthigen, sich zuweilen auf eine Höhe der Vornehmheit zu flüchten, auf welcher sie für die Dauer sich gleichwohl nicht heimisch findet. Und eben dieser letztere Umstand war es, der sie in den Stand setzte, einen Einfluß in Dingen zu üben, die gerade nicht direct in ihrer Sphäre lagen und dessen sich andere ihrer Zeitgenossinen kaum rühmen konnten. Unter Andern war es Graf Sedlnitzky, der ihrem Geiste huldigte, und der Einfluß, den sie auf diesen zum Unheile Oesterreichs so viel vermögenden Mann übte, bewog Schriftsteller und Redacteurs, unter letzteren insbesondere Bäuerle, sich um ihre Protection zu bewerben. Der Kritik gegenüber behauptete sie unter solchen Umständen begreiflicher Weise eine Art von Unverletzlichkeit. In den Jahren 1832–1833 galt der nachmalige General-Major Freiherr von Pacassi als ihr erklärter Bräutigam, jedoch zerschlug sich später dieses Verhältniß.

Wiener Abendpost (Abendblatt der Wiener Zeitung) 1867, Nr. 9, S. 35, im Aufsatze: „Der Wiener Parnaß vor einem Vierteljahrhundert“, von Hermann Meynert. – Allgemeines Theater-Lexikon, oder Encyklopädie alles Wissenswerthe für Bühnenkünstler, Dilettanten u. s. w. Herausgegeben von K. Herloßsohn, H. Marggraf u. A. (Altenburg und Leipzig [1841], kl. 8°.) S. 323, Nr. 9. – Conversations-Lexikon der Gegenwart (Leipzig, gr. 8°.) Bd. IV, 1. Abtheilg, S. 825, im Artikel: „Schauspieler und Schauspielerinen“. – Neues Wiener Tagblatt 1867, Nr. 130, in der Beilage: „Kleine Theatergeschichte aus der guten alten Zeit“, von Otto Kern. – Handschriftliche Mittheilungen von Herrn Dr. Meynert. – Porträt. Unterschrift. Facsimile des Namenszuges: Caroline Müller. Dann folgt: kais. königl. Hofschauspielerin. Kriehuber (lith.). Gedr. bei Joh. Höfelich (Wien, Fol.).