BLKÖ:Meyer, Leopold von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 157. (Quelle)
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94. Meyer, Leopold von (Clavier-Virtuos und Tonsetzer, geb. zu Baden bei Wien 20. December 1816). Sein Vater war Badearzt in Baden und nicht, wie es in der englischen Biographie steht, Staatsrath (State counsellor and knight at the austrian court). M., für den Staatsdienst bestimmt, machte die üblichen Studien, erhielt aber, da er Talent für die Musik zeigte, auch Unterricht in derselben. Als aber sein Vater plötzlich an der Cholera starb, wurde die Musik, bisher Nebensache, zur Hauptsache, und M. wählte sie zu seinem Lebensberufe. Unter Czerny’s [Bd. III, S. 105] und Fischhof’s [Bd. IV, S. 254] Anleitung machte er seine Clavierstudien und bildete sich zu einem trefflichen Pianisten aus. Bald ließ er sich in einigen Salons der Wiener höheren Gesellschaft hören und als er gar die Erlaubniß erwirkte, vor Ihren Majestäten dem Kaiser Ferdinand und der Kaiserin Maria Anna zu spielen, da hatte er auch den Geleitsbrief zu einer Virtuosenlaufbahn, die wenige Menschen, welche sie, wie sehr auch mit Beruf zur Kunst und wirklichem Talent ausgestattet, betreten, so geebnet vorfinden mögen, wie dieß bei Leopold Meyer der Fall war. Neunzehn Jahre alt, machte M. seine erste Kunstreise, und die Walachei war sein erstes Reiseziel. In Bukarest, wo, wie es sein englischer Biograph berichtet, sein Bruder Hofarzt des regierenden Fürsten und Präsident der Akademie der Wissenschaften gewesen sein [158] soll, gab er im Jahre 1835 sein erstes öffentliches Concert. Nun begab er sich nach Jassy und von da nach Odessa, wo er, von dem Fürsten Nikolaus Galiczin angeregt, ein Concert für die Armen gab, in welchem die Fürstin Woranzow, Gemalin des General-Gouverneurs in Südrußland, mitwirkte. Unter solchen Verhältnissen war der Erfolg von vornherein gesichert und ein zweites Concert, das M. für sich gab, fand bei übervollem Hause Statt. In Odessa lernte M. den Grafen Witte, kaiserlich russischen Cavallerie- General, kennen, welcher ihm für sein Auftreten in der russischen Capitale sehr förderlich wurde. In St. Petersburg, wohin sich M. sofort begab, wurde ihm auch die Auszeichnung zu Theil, vor Kaiser Nikolaus und seiner Gemalin zu spielen, und der Xylograph, der die englische Biographie unseres Künstlers mit einigen Werken seines Stichels ausgestattet, hat diesen Moment in einem etwas komischen Bilde gefesselt. In St. Petersburg waren die Erfolge M.’s so geartet, daß er nach einer nicht minder lohnenden Reise nach Moskau vor der Hand in Rußland zu bleiben beschloß, und während der Jahre 1835 bis 1843 die größeren und kleineren Städte des nordischen Kaiserreichs besuchte und überall eine reiche goldene Ernte hielt. Im Jahre 1843 reiste M. mit dem Fürsten Bibesko, der sein Gönner geworden, nach Constantinopel, wo M. im Hause des englischen Gesandten, Sir Stratford Canning, drei Monate lang gastliche Aufnahme fand und in dieser Zeit auch vor dem Sultan Abdul Medjid spielte. M. selbst gibt von dieser Production vor dem Sultan eine nur durch die Ehrenhaftigkeit des Briefschreibers verbürgte Schilderung in einem Schreiben, welches in einem Auszuge im „Wiener Courier“ 1856, Nr. 160, mitgetheilt wird. Erst von Constantinopel aus machte M. eine Rundreise in die vorzüglicheren Städte seines Vaterlandes, und ließ sich in Preßburg, Ofen, Lemberg, Krakau, Czernowitz u. s. w. in öffentlichen Concerten hören, auch besuchte er nach dieser Rundreise seine Vaterstadt Wien, wo er mehrere stark besuchte Concerte[WS 1] gab und bei dieser Gelegenheit das Diplom eines Kammer-Pianisten erhielt. Von Oesterreich aus setzte er seine Kunstreise nach Deutschland, Belgien, Frankreich und England fort, überall glänzende Erfolge feiernd, und nun verließ er den Continent, um jenseits des Oceans seine von nicht minderen Erfolgen begünstigte Künstlerfahrt fortzusetzen. Die Blätter der südlichen und westlichen Staaten der Union feiern in überschwenglichen Artikeln die Anwesenheit des Künstlers, der mit seinen Leistungen sogar den in Kunstsachen schwererregbaren Yankee außer Rand und Band bringt. So setzte M. seine Künstlerfahrten bis in die neuere Zeit fort, und erst im verflossenen Jahre (1866) meldete man aus Paris: „es gehört zum feinen Tone, M. in den Salons zu hören. Welches Fest immer der höchste Adel von Paris veranstalten mag, wird Monsieur de Mayer, von dem die Pariser Feuilletonisten allwöchentlich etwas Neues und Interessantes zu erzählen wissen, um seine Mitwirkung gebeten“. Meyer ist auch Componist und spielt in den Concerten, welche er gibt, in der Regel nur eigene Compositionen. Die Zahl derselben ist bereits auf das Opus-Nummer 168 gestiegen, mit dieser ist eine elegante Phantasie über Motive aus den beliebtesten Opern (Macbeth von Verdi), welche unter dem Gesammttitel: „Theatralische Blumenlese“ bei Haslinger in Wien erscheint und [159] im Jahre 1861 ausgegeben wurde, überschrieben. Seit dieser Zeit enthalten die österreichischen Musikkataloge kein Werk Meyer’s. Als Techniker betrachtet, nimmt M. unter den Clavier-Virtuosen eine der ersten Stellen ein, und es ist nicht zu verwundern, daß seine stupende Bravour überall angestaunt worden ist. Was seine Compositionen betrifft, so sind es Phantasien über Opern-Motive, Nocturnen, Transscriptionen, Walzer u. dgl. m., unter denen besonders hervorzuheben sind: „Airs russes“, Cah. 1, Opus 20; – „Mackmudier. Air guerrier des Turques“, Op. 22; – „Bajazeth. Air nationale des Turques“, Op. 23; – „Marche triomphale d’Isly“, Op. 30; – „Fantaisie orientale sur deux thèmes arabes“, Op. 38; – „Airs russes. Fantaisie“, Op. 43; – „Air russe, Nr. 3“, Op. 44; – „Air bohémien russe (russisches Zigeunerlied) varié“, Op. 45; – „La Danse du Serail. Grande fantaisie orientale“, Op. 51; – „Grande fantaisie sur les airs nationaux américains: Hail Columbia and Yankee doodle“, Op. 52; – „Grand Caprice sur un chant bohémien“, Op. 58; – „Dem Andenken der im Jahre 1848 in Wien Gefallenen. Trauerklänge“, Op. 59; – „La danse indienne“, Op. 64; – „Airs Styriens variés“, Op. 76; – „Grande fantaisie sur l’Hymne national russe“, Op. 103; – „Trauerklänge. Nachruf an Radetzky“, Op. 134; – „Deux airs bohémiens russes“, Op. 133. Die Urtheile über Leopold Meyer’s Compositionen lauten von Seite der Fachkritik ungemein strenge. Zeitungsnachrichten zufolge befindet sich M. gegenwärtig (1867) in Nordamerika, wo er, wie schon früher, glänzende Erfolge feiert.

The Biography of Leopold de Meyer, Imperial and Loyal Court Pianist, by Diploma to their Majesties the Emperors of Austria and Russia (London 1845, Palmer and Clayton, br. 8°.) [mit 5 Abbildungen, welche Meyer in fünf verschiedenen Attitüden, Clavier spielend vor dem Kaiser von Rußland, dem Sultan, vor Kaiser Ferdinand, vor Ludwig Philipp von Frankreich und in der philharmonischen Gesellschaft in London, darstellen. Auch enthält das Buch eine Menge Journal-Auszüge, Urtheile französischer und englischer Blätter über Meyer, nebst mehreren Gedichten an ihn]. – Allgemeine Theater-Zeitung, herausgegeben von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1844, Nr. 50 [Bericht aus Warschau]; 1856, Nr. 156 [Meyer’s Auftreten vor dem Sultan]; 1857, Nr. 73 [Meyer in Cuba], Nr. 144 [Meyer’s Erfolge in Amerika, von Franz Lipka]. – Wiener allgemeine Musik-Zeitung. Von Dr. Aug. Schmidt (Wien, 4°.) 1843, S. 524; 1846, S. 128. – Blätter für Musik, herausgegeben von Zellner (Wien, 4°.) 1857, Nr. 7 [unter „Eingesendet“]. – Wiener Courier 1858, Nr. 26 [in der Gerichtsverhandlung]. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, gr. 8°.) II. Jahrg. (1843), S. 906: „Herr Meyer vor dem Sultan“. – Ostdeutsche Post (Wiener polit. Blatt) 1858, Nr. 21. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden, R. Schäfer, gr. 8°.) Bd. II, S. 986. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1857, Nr. 37: „Künstlerrache“. – Fremden-Blatt von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1866, Nr. 78 [Meyer in Paris]; 1867, Beilage zu Nr. 176: „Bericht aus Baden“ [aus welchem man erfährt, daß der auf den jetzt im Umlaufe befindlichen Staatsnoten unterzeichnete Meyer der Name des Bruders des Virtuosen ist]. – Porträte. 1) Von Kriehuber lith. (Wien, Haslinger, Fol.) [von Kriehuber ist auch Meyer’s Vater lithographirt und das Bildniß trägt folgende Unterschrift: J. N. E. von Meyer, Doctor der Medicin, praktischer Arzt in Baden, Mitglied der oberlausitzischen Gelehrten-Gesellschaft zu Görlitz (Kriehuber 1832). Gedr. im lith. Instit. in Wien. Fol.); – 2) von Kriehuber lithogr. 1855 (Mainz, Schott Söhne, Fol.); – 3) Caricatur in der oberwähnten Schrift: „The Biography of Leopold de Meyer“, auf S. 10, mit der Unterschrift: „Caricature of M. Leopold de Meyer by Patania after Dantan“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Conconcerte.