BLKÖ:Millenkovics, Stephan von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Millauer, Maximilian
Band: 18 (1868), ab Seite: 320. (Quelle)
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Millenkovics, Stephan von, Pseudonym Stephan Milow (Poet, geb. zu Orsova an der österreichisch-walachischen Grenze 9. März 1836). Sein Vater[WS 1] war Oberst; von sechs Söhnen, welche alle als Officiere in der kaiserlichen Armee gedient, ist nur mehr Stephan am Leben. In der Jugend wechselte er mit seinen Eltern öfter den Aufenthalt, wie dieß durch die militärische Stellung seines Vaters bedingt war. Gleichfalls für den Militärstand bestimmt, trat er im Jahre 1849 in die mittlerweile aufgelöste Cadeten-Compagnie zu Olmütz, wurde von dort im Jahre 1852 zum 37. Linien-Infanterie-Regimente ausgemustert und gleich darauf zum Officier befördert. Nach zweijähriger Dienstzeit bei diesem Regimente wurde er dem militärisch-geographischen Institute in Wien zugetheilt, wo er, nur zeitweilig zu Vermessungsarbeiten ausgesandt, fortwährend verweilt und stufenweise zum Hauptmann und Adjutanten des Institutes avancirte. Im Februar 1865 vermälte er sich mit der Tochter Elsa des Feldmarschall-Lieutenants Joseph Freiherrn von Reichlin-Meldegg. Dieß ist in Kurzem sein äußerer, nicht eben sehr bewegter Lebensgang. Die Lust zum poetischen Schaffen erwachte schon im zartesten Knabenalter in ihm, und zwar ganz spontan, da ein äußerer Anstoß hiezu nicht da war. Wiewohl seiner Abstammung nach ein Slave, so wurde in seinem Elternhause doch stets deutsch gesprochen, und all sein Denken und Sinnen ist durch und durch deutsch. Seine freie Muße benützte er zu der für den Beruf des Dichters nothwendigen Ausbildung: zum Studium der Philosophie, der Literatur, Sprachen u. s. w. All das konnte freilich, da seine Erziehung eine andere Grundlage hatte, und er, einmal Soldat geworden, seiner amtlichen Stellung genügen mußte, nur lückenhaft betrieben werden, was jedoch immerhin sein ästhetisches Gefühl so weit läuterte und klärte, daß er kaum mit einem poetischen Versuche zu Ende gekommen, eben gerade wieder so weit vorgeschritten war, um [321] ihn als schlecht zu erkennen und zu verwerfen. Mit dem gleich durch seine erste Arbeit als Dichter von nicht geringer Begabung bekannt gewordenen Ferdinand von Saar lebt er seit vielen Jahren in dem innigsten Verkehre; beide Freunde, wie dieß unter gleiche Ziele verfolgenden strebenden Sangsgenossen nicht selten der Fall ist, tauschten und recensirten wechselseitig jede ihrer Arbeiten: lyrische Gedichte, Epen, Dramen, und schritten so gewissermaßen vereint dem Ziele, in der Poesie etwas, was sich über das Maß des Gewöhnlichen erhebt, zu leisten, entgegen. Auch die Philosophie Schopenhauer’s blieb nicht ohne Einfluß auf sein Dichten und Schaffen, wobei es ihm jedoch bald bedenklich erschien, den Schopenhauer’schen Pessimismus nur einfach und ungeläutert in die Poesie zu übertragen, eine Erscheinung, der man in neuester Zeit in Werken jüngerer und viel versprechender Poeten leider nicht selten begegnet. Im Jahre 1864 trat M. mit einem Band „Gedichte“ (Heidelberg, Verlag von Georg Weiß; zweite Auflage ebd. 1867, Miniaturformat) zum ersten Male in die Oeffentlichkeit. M. ließ dieselben unter dem in seinem Namen Millenkovics enthaltenen Pseudonym Milow erscheinen, und Professor von Reichlin-Meldegg, ein Namensverwandter der Frau des jungen Poeten, durch Inhalt und Form der anmuthigen, gehaltvollen Poesien gewonnen, gab der ersten Auflage in einem empfehlenden Vorworte das Geleite in die Oeffentlichkeit. Die Kritik verhielt sich aufmunternd, wenn sie gleich von der politischen Strömung der Gegenwart fortgerissen, denselben wie aller Dichtung überhaupt, weniger Aufmerksamkeit zuwendete, als es echte Poesie, zu welcher Zeit immer sie erscheinen mag, in der Regel verdient. Den „Gedichten“ folgte die Erzählung: „Verlorenes Glück“ (Heidelberg 1866, G. Weiß, 8°.), welche übrigens die widersprechendsten Urtheile, das wärmste Lob und den herbsten Tadel erfuhr. Diese Erzählung erschien in dem für literarische Erzeugnisse so ungünstigen bewegten Jahre 1866, und noch in demselben Jahre erschien die bereits erwähnte 2. Ausgabe der Gedichte, welche um einen Elegien-Cyklus unter dem Titel: „Mit Weib und Kind“ vermehrt ist. In jüngster Zeit aber (1867) ließ M. einen größeren Elegien-Cyklus: „Auf der Scholle“ (ebenfalls bei G. Weiß in Heidelberg), erscheinen, zu welchem sich jene wenigen der zweiten Ausgabe der „Gedichte“ angefügten Elegien wie unwillkürlich erweiterten, wie dieß auch im Prolog zu „Auf der Scholle“ ausgesprochen ist. Dieses Werk hat bei der Kritik einstimmiges Lob und einen entschiedenen Erfolg errungen; es wurde in vielen Journalen und mit Recht sehr warm besprochen. M.’s bisher in die Oeffentlichkeit gedrungenen Arbeiten haben, wie das immer so vorkommt, wohl manche flüchtige, theils briefliche, theils persönliche Berührung mit literarischen Persönlichkeiten nach sich gezogen, im Uebrigen lebt er aber doch fortwährend in der größten Zurückgezogenheit seinem Berufe, seiner Familie und der mit ihr in innigster Verbindung stehenden Muse, wie ja dieß aus allen Dichtungen so deutlich herausklingt. Gegenwärtig, heißt es, arbeitet er an einer größeren Dichtung, die den Titel: „Hymne“ führen soll, auch soll er ein Trauerspiel fast vollendet und im Pulte liegen haben. Nach den bisher erschienenen Arbeiten M.’s zu urtheilen, tritt uns in M. ein Poet in des Wortes edelster Bedeutung entgegen, der mit schwungvoller [322] Phantasie, einem seltenen Gedankenreichthum und einer wohlthuenden Reinheit des Gedankens begabt, nach einer Vollendung der Kunstform strebt, die zwar in neueren poetischen Werken gewöhnlich angetroffen wird, aber in so gefälliger, leicht hinfließender, antike Formen mit anmuthiger, fast zwangloser Kraft bemeisternder Weise nur höchst selten vorkommt.

Constitutionelle Zeitung (Dresden) 1867, Nr. 90 [im Feuilleton]. – Wiener Zeitung 1867, Nr. 233, S. 6. – Heidelberger Jahrbücher der Literatur 1866, Nr. 39, S. 616; 1867, Nr. 10, S. 146. – Die Reform. Wochenschrift von Franz Schuselka (Wien, gr. 8°.) 1867, Nr. 44, S. 1400. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 1090, Abendblatt, in der auf der vierten Sekte befindlichen „Bücher-Zeitung“.

Anmerkungen (Wikisource)