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BLKÖ:Nadherny, Ignaz Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Nádaskay, Ludwig
Band: 20 (1869), ab Seite: 25. (Quelle)
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Nadherny, Ignaz Ritter von (Arzt und Medicinal-Referent im k. k. Ministerium des Innern, geb. zu Prag 7. September 1789, gest. ebenda im J. 1867). Der Sohn eines Prager Bürgers, wurde er in Prag erzogen, machte ebenda seine sämmtliche Studien, nach deren Vollendung er, erst 23 Jahre alt, am 12. September 1812 an der Karl-Ferdinands-Universität den medicinischen Doctorgrad erlangte. Schon im folgenden Jahre wurde ihm die Supplirung der erledigten Lehrkanzel der theoretischen Medicin, bald darauf jene der Staatsarzneikunde übertragen und die letztere ihm endlich auch (1814) definitiv verliehen. Aus jener Periode stammen zwei von ihm veröffentlichte Werkchen, welche durch lange Zeit, sowohl beim Unterrichte als im öffentlichen Sanitätsdienste, viel benützt worden sind, und zwar die geschätzte Abhandlung: „Ueber die Verletzungen in gerichtlich-medicinischer Beziehung“ (Prag 1818 [Haase Söhne], gr. 8°.) und die „Darstellung des Physikatswesens in den österreichisch-deutschen Erblanden, mit Beziehung auf die diessfalls erlassenen Gesetze u. s. w.“ (Wien 1821, Schmidl, n. Aufl. 1831, gr. 8°.). Nur wenige Jahre bekleidete er das Lehramt, schon im Jahre 1819 wurde er an die Stelle des damaligen Protomedicus Dr. Mattuschka, der aus Gesundheitsrücksichten in den bleibenden Ruhestand getreten war, zum Gubernialrathe, Protomedicus und Sanitäts-Referenten für Böhmen ernannt, als welcher er zugleich Director der medicinisch-chirurgischen Studien, bleibender Beisitzer des akademischen Senats und Präses der medicinischen Facultät war. Er war somit Chef des gesammten Medicinalwesens im Lande und vereinigte bis zur politischen Umgestaltung Oesterreichs in seiner Person eine solche Fülle von Macht und Einfluß, wie sie seither nicht mehr in die Hand eines Einzigen gelegt worden ist. Die Bedeutenheit seiner damaligen Stellung wird in ihrem ganzen Umfange erst dann klar, wenn man die Consequenzen des früheren absoluten Regierungssystems vergleicht mit den Verhältnissen, welche durch die im Jahre 1850 eingeführte neue Organisation der Behörden geschaffen wurden. Nach dieser letzteren hat der Landes-Medicinalrath mit den Studien nichts mehr zu thun, auch nicht mehr den gleichen Rang mit den übrigen Räthen der Statthalterei, und ist nur in den reinen Sanitätsangelegenheiten Referent und Votant; die Geschäfte der Studiendirectoren sind an die Professorencollegien übertragen worden, deren Beschlüsse der jeweilige Decan lediglich auszuführen hat; die Function eines Präses der Facultät besteht nicht mehr und dem Collegium der Doctoren ist die uralte Autonomie unter selbgewählten Decanen wieder zurückgestellt, nachdem die letzteren während des jede freie Regung der Corporationen ängstlich überwachenden Absolutismus durch lange Zeit zu einer traurigen Scheinrolle verurtheilt waren. Gubernialrath Nadherny wußte aber auch seinen umfang- und einflußreichen Wirkungskreis, durch beharrliche, kein Hemmniß scheuende Verfolgung der angestrebten Ziele, gewandte Benützung aller dazu führenden Mittel und Wege, durch Selbsteingreifen, Anspornen und Drängen, sowie durch musterhafte Pünctlichkeit und Ordnung in der Amtsführung, auf die fruchtbringendste Weise zu verwerthen. Die Regulirung der Kreisphysikate, die allgemeine Einführung [26] der Impfung, die Einleitung energischer Maßregeln zur Beschränkung und endlichen Tilgung der das Land heimsuchenden Epidemien und Epizootien – in welcher Beziehung insbesondere an die wiederholten der Cholera, des Typhus exanthematicus, an den im Prager Strafhause zu hochgradiger Ausbreitung entwickelten Scorbut, an die Rinderpest erinnert wird – mehrere treffliche Einrichtungen in den böhmischen Curorten, vor allem aber seine großartigen Bemühungen um das Emporblühen und die zeitgemäße Entwicklung der Prager Sanitätsanstalt, bezeichnen durch unwiderlegliche Thatsachen seine ruhmvolle Thätigkeit als Protomedicus. Wiederholte Erweiterungsbauten im allgemeinen Krankenhause, sowie jene des Gebär- und Findelhauses, wodurch diese Anstalten den doppelten Umfang erlangten, die neue Irrenanstalt, welche mehreren später errichteten Anstalten zum Vorbilde diente, das anatomische Museum und der Secirsaal, die namhafte Erweiterung des botanischen Gartens, das chemische Laboratorium, das physiologische, zoochemische und pathologisch-anatomische Institut, sowie die klinischen Anstalten, deren Zustandekommen er als Director der medicinisch-chirurgischen Studien theils selbst anregte, theils auf das Lebhafteste unterstützte und auf das Wärmste bevorwortete – so daß Prag manche Anstalt weit früher besaß als Wien – sind ebenso viele bleibende Monumente seiner umsichtigen und sachkundigen Thätigkeit. Ferner trug er Sorge für eine entsprechende Vermehrung der Lehrmittel und Erhöhung der Dotationen der einzelnen Anstalten, und bewährte große Umsicht und Scharfblick bei der meist glücklichen Wahl der an denselben bestellten Persönlichkeiten, die er theils höheren Orts vorzuschlagen, theils zu bestätigen hatte. Als aber bei dem Durchbruche der neuen Richtung in der medicinischen Wissenschaft er in seiner amtlichen Eigenschaft im ersten Anfange einigermaßen zum Widerstande gedrängt war, so währte nicht nur derselbe im Ganzen weit kürzer, als dieß anderwärts der Fall war, sondern er stellte sich sogar selbst bald an die Spitze der reformatorischen Bewegung und stützte und förderte dieselbe dann auch mit allem Nachdrucke. Auch sonst verstand er es, den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden: so überließ er gleich zu Beginn des Jahres 1848 mehrere, ihm als Facultätspräses zustehende Prärogative, wie: die Wahl der Gastprüfer bei den medicinischen Rigorosen, die Wahl einer der Anzahl der Professoren gleich großen Anzahl von Beisitzern bei den zur Abgabe gerichtsärztlicher und sanitäts-polizeilicher Superarbitrien berufenen Commission der Gesammtfacultät; ging er, der so lange Zeit zu herrschen gewohnt und befugt war, fortan auch bei den Facultätsverhandlungen rasch und leicht in das Wesen des Constitutionalismus ein und ließ immer mehr und mehr die starren bureaukratischen Formen fallen. Nicht geringen Antheil hatte er auch an dem Zustandekommen der Prager „Vierteljahrschrift für praktische Heilkunde“, dieser periodischen Fachschrift, welche durch ihre Gediegenheit eine hohe Stelle in der wissenschaftlichen Welt seit Jahren behauptet. So vielseitige und so hervorragende Leistungen fanden aber auch verdiente Würdigung; so wurde er für das Studienjahr 1823 zum Universitätsrector, ferner zum Mitgliede mehrerer gelehrten Gesellschaften des In- und Auslandes erwählt, und im Jahre 1835, bei Gelegenheit der Krönung Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand zum König [27] von Böhmen durch die Verleihung des k. k. Leopold-Ordens ausgezeichnet und in Folge davon in den erblichen Ritterstand des österreichischen Kaiserstaates erhoben; auch hat er seit Aufhebung der Studiendirectorate, die ihm zuerst übertragene Würde des Decans des medicinischen Professoren-Collegiums in Folge alljährlicher Wiederwahl ununterbrochen bekleidet. Mit Allerh. Entschließung vom 14. März 1857 wurde N. zum k. k. Ministerialrath und Referenten für das medicinisch-chirurgische Studium in dem mittlerweile als solchem aufgehobenen und dem Staatsministerium einverleibten Ministerium für Cultus und Unterricht ernannt, auf welchem Posten jedoch im Hinblicke der im Eingange dieser Lebensskizze angedeuteten veränderten administrativen Verhältnisse, seine energische Thätigkeit nicht mehr tief eingreifen und sich zunächst nur auf die Erledigung der einlaufenden Administrationsgeschäfte beschränken konnte. Wie sehr sein vieljähriges Wirken in Prag – er war daselbst durch 40 Jahre auf einem wichtigen und einflußreichen Posten thätig gewesen – sich allseits ehrenvoller Anerkennung erfreute, beweiset die Theilnahme und die festliche Art, mit welcher am 12. September 1862 sein Doctorjubiläum begangen wurde, bei welcher Gelegenheit ihm mit Allerh. Entschließung vom 4. September 1862 auch das Comthurkreuz des Franz Joseph-Ordens in „Anerkennung seines vieljährigen verdienstvollen Wirkens“ verliehen wurde. Mit Allerh. Entschließung vom 3. April 1863 trat N. nach 48jährigem Dienste in den Ruhestand über, kehrte in den Ort seiner vieljährigen verdienstvollen und nützlichen Wirksamkeit nach Prag zurück, wo er im verflossenen Jahre (1867) im hohen Alter von 78 Jahren starb. [Ueber sein festliches Doctor-Jubiläum und den Familienstand vergleiche das Nähere in den Quellen.]

Ritterstands-Diplom für die Brüder Ignaz und Franz von Nadherny ddo. Wien 26. Juli 1849. – Biographisch-literarisches Lexikon der Thierärzte aller Zeiten und Länder u. s. w. Gesammelt von G. W. Schrader, vervollständigt und herausgegeben von Ed. Hering (Stuttgart 1863, 8°.) S. 293. – Vierteljahrschrift für praktische Heilkunde (Prag, gr. 8°.) XIX. Jahrg. (1862), im 4. Bande; XX. Jahrgang (1863), im 2. Bande. – Bohemia (Prager Blatt, 4°.) 1862, Nr. 217, S. 696, u. Nr. 218, S. 613. – Ritter von Nadherny’s fünfzigjährige Feier seiner Doctorpromotion. Dieselbe fand, da der Jubilar jede eigentliche Feier entschieden abgelehnt, am 12. September 1862 in Prag, durch Ueberreichung des Beglückwünschungs-Diploms und eines prachtvoll ausgestatteten Photographien-Albums, in der Wohnung des Jubilars Statt. Die Decane des Professoren- und Doctoren-Collegiums, die Senioren des Professoren-Collegiums, der Facultäts-Notar und einige Mitglieder des Geschäftsausschusses überbrachten dem Jubilar Diplom und Album; dieses letztere enthält 512 Photographien der lebenden Facultätsmitglieder. Das Album, 16 Zoll breit und 111/2 Zoll hoch, ist aus der Fabrik des Herrn Klein in Wien hervorgegangen, es ist in braunem Sammt gebunden, schwer mit Silber beschlagen und hat mit silbernen Buchstaben die Aufschrift: Equiti de Nadherny, doctori jubilari facultas medica Pragensis. Das kalligraphisch ausgeführte Beglückwünschungs-Diplom befindet sich in einer braunen sammtenen, mit einem vergoldeten Lorbeerkranz verzierten Kapsel. Decan Dr. Kraft hielt die Ansprache an den Jubilar, in welcher er seiner vielseitigen Verdienste gedachte. –