BLKÖ:Petrino, Alexander Freiherr

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Petřina, Franz Adam
Band: 22 (1870), ab Seite: 120. (Quelle)
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Petrino, Alexander Freiherr (Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen [121] Reichsrathes, geb. in der Bukowina im Jahre 1819). Entstammt einer griechischen, in der Moldau ansässigen Familie, aus welcher ein Apostolo Juan P. um das Jahr 1820 in die Bukowina übersiedelte, sich daselbst seßhaft machte und durch verdienstliche Leistungen für gemeinnützige und wohlthätige Anstalten im Gebiete der Landwirthschaft, Gewerbthätigkeit und des Handels sich so hervorthat, daß er im Jahr 1836 in den erbländischen Freiherrnstand erhoben wurde. Dieser Familie entstammt der österreichische Abgeordnete Alexander, hie und da auch Nikolaus genannte, Freiherr von Petrino. Freiherr Alexander beendete in Czernowitz die Gymnasial- und philosophischen Studien, und übernahm im Jahre 1837, kaum 19 Jahre alt, da sein Vater – allem Anscheine nach der obige Apostolo Juan – im genannten Jahre gestorben, die Verwaltung der ererbten Besitzungen. Zu den reichsten Grundbesitzern der Bukowina gehörend, betheiligte er sich an der Gründung eines Vereins für Landescultur, an der Errichtung der Landesbibliothek, an der Lösung der in der Bukowina besonders verwickelten Frage der Grundablösung und an anderen gemeinnützigen Unternehmungen. Dadurch hatte er in maßgebenden Kreisen die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und als mit kais. Patent ddo. 5. März 1860 eine Verstärkung des Reichsrathes durch außerordentliche Reichsräthe angeordnet wurde, erfolgte auch P.’s Berufung als zeitlicher Reichsrath für die Bukowina nach Wien. Als solcher ergriff er in den Verhandlungen bei mehreren wichtigen Gelegenheiten das Wort; in der Sitzung vom 8. Juni 1860 schilderte er die Uebelstande der Landtafel in der Bukowina, durch deren Einrichtung, wie sie zur Zeit bestehe, von einer Feststellung des Besitzes keine Rede sei; in der Sitzung vom 10. September gab er ein Bild der nichts weniger als geordneten Zustände der griechischen Kirche in seiner Heimat, deren für die Bedürfnisse der Schule und Kirche vorhandenen hinreichenden Mittel, zu ganz anderen Zwecken verwendet würden, als zu welchen sie gestiftet und vermehrt wurden; in der Sitzung vom 14. September zeichnete er ein drastisches Bild, des durch die Creirung von Landesregierungen geschaffenen schwerfälligen Verwaltungs-Organismus und der in Folge dessen eintretenden Unzukömmlichkeiten; stellte in der Sitzung vom 18. September als Ursache des schwachen Besuches der Volksschulen in der Bukowina den Umstand dar, daß nicht in der Nationalsprache, sondern in der deutschen der Unterricht ertheilt werde und meint, daß bei dem Vorhandensein von 150 Religionsfondsgütern und einem so namhaften Vermögen des Religionsfondes „ein Federstrich“ genüge zur Beschaffung der für die Schule erforderlichen Mittel, worauf ihm der damalige Minister für Cultus und Unterricht Leo Graf Thun berichtigend erwidert, daß solche Verfügungen wohl nicht mit „einem Federstriche“ getroffen werden können; noch bei mehreren anderen Anlässen ergriff der Freiherr das Wort und spitzten sich seine Bemerkungen im Ganzen auf die Thatsache hin, daß die vorhandenen Uebelstände weniger als Folge der bestehenden Gesetze, als vielmehr der Art und Weise, wie diese Gesetze gehandhabt würden, anzusehen seien. In der wichtigen Debatte über die von der Majorität und Minorität eingebrachten Anträge, betreffend die künftige Constituirung des Reichs [siehe zu besserem Verständniß dieser Frage die Biographie [122] von Franz Hein [Bd. VIII, S. 215], schloß sich P., welcher stets und noch in neuester Zeit für die weitgreifendste Autonomie der Kronländer plaidirt, dem Antrage der separatistisch-ungarischen Majorität an, und stellte dem Kaiserstaate nicht nur Rußland als Muster entgegen, welches die historisch-politische Individualität Bessarabiens noch immer achte, sondern sprach sogar die Ansicht aus: „dem Majoritätsvotum nicht beistimmen, heißt ein Feind Oesterreichs sein“ (!!), gegen welche sofort der Tiroler Reichsrath Dr. Strasser ein feierliches Veto einlegte. Nachdem der verstärkte Reichsrath am 29. September 1860 geschlossen worden, kehrte auch P. in seine Heimat zurück. Im Jahre 1861 wurde Freiherr P. in Suczawa in den Bukowinaer Landtag und von diesem in das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes gewählt. Wie er die ihm durch Annahme dieses Mandates auferlegten Pflichten eines Reichsraths-Abgeordneten erfüllte, gibt eine Original-Correspondenz ddo. 29. Juni 1863, welche im „Fremdenblatt“ 1863, Nr. 180, abgedruckt war, näheren Aufschluß. Er schien der öffentlichen Meinung in dieser Richtung ein Zugeständniß bringen zu wollen, indem er noch vor Ablauf der ersten Legislaturperiode sein Mandat niederlegte. Im Jahre 1867 wurde der Freiherr wieder zum Landtags- und Reichstags-Abgeordneten gewählt. Im verstärkten Reichsrathe hatte P. sich als Gegner jener Partei, die ein großes centrales Oesterreich anstrebt, ohne Vorbehalt, ja sogar mit dem Beifügen ausgesprochen, daß jeder in dieser Hinsicht Andersdenkende ein Feind Oesterreichs sei; im Verlaufe seiner weiteren Wirksamkeit zeigte er sich als Anhänger jener Partei, der auch ein dualistisches Oesterreich nicht genügt, und die mit oder ohne Bewußtsein der Consequenzen auf den Föderativstaat, und zwar auf einen mit den lockersten Banden, hinarbeitet. Auch hat des Freiherrn von P. Verhalten in der letzten Session (1869/1870), nämlich seine eigenthümliche Motivirung über die Nothwendigkeit der Verwerfung der directen Reichrathswahlen, zunächst die Katastrophe herbeigeführt, welche den Rücktritt Giskra’s und nach diesem den Sturz des Ministeriums Hasner (März und April 1870) zur Folge hatte. Die Partei der Koruna česka für welche das durch Freiherrn von Petrino zunächst erzielte Ergebniß des Sturzes des Ministeriums Hasner, Giskra, Herbst ein großer Sieg war, hat Petrino dafür auf eine der vielen Ministerlisten gesetzt, welche nach der eingetretenen Katastrophe von verschiedenen Seiten in Umlauf gebracht wurden. Es kann auch sehr leicht geschehen, daß Petrino in das Cabinet tritt, jedenfalls wird in Oesterreich manches noch geschehen, bis es sich ermannt und in energischer Weise den heillosen Wirren ein Ende macht, welche seit zwei Jahrzehnden am Lebensmarke der Monarchie zehren.

Verhandlungen des österreichischen verstärkten Reichsrathes 1860. Nach den stenographischen Berichten (Wien 1860, Manz, 8°.) Bd. I, S. 74, 200, 226, 269, 314, 333, 454, 554, 609, 613, 663, 759; Bd. II, S. 258 u. 391. – Hahn (Sigmund), Reichsraths-Almanach für die Session 1868 (Prag 1867, Satow, vormals Credner, 8°.) S. 132. – Politik (Prager polit. Blatt), IV. Jahrg. (1870), Nr. 68: „Der Antrag Petrino’s“. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1861, Nr. 162. – Aquarellen aus den beiden Reichsstuben. Von J. J. K. (Wien 1868, R. v. Waldheim, 8°.) S. 59; Zweite Abtheilung (ebd. im näml. Jahre), S. 79. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1870, Nr. 2014, im zweiten Leitartikel: „Ein politischer Freischärler“; Nr. 2016: „Correspondenz aus Czernowitz“; Nr. 2048, erster Leitartikel.