BLKÖ:Reiberstorffer, D. F. (Julius)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 25 (1873), ab Seite: 144. (Quelle)
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Reiberstorffer, D. F., nach Anderen Julius (Schriftsteller, geb. zu Wien um das Jahr 1815, gest. ebenda an einem der letzten Octobertage 1848 an einer im Augarten erhaltenen Schußwunde). Die Schulen hatte er in Wien besucht und da er mittellos war, trat er nach beendetem Gymnasium bei der k. k. Hofkammer in den Manipulationsdienst ein, heirathete bald darauf die Tochter eines Kanzleidieners dieser Stelle und beschäftigte sich, da sein kleines Gehalt für ihn und seine Familie nicht ausreichte, mit literarischen Arbeiten, die ihm ein nothdürftiges Erträgniß abwarfen. In seine Zeit fiel eben die glanzvolle Periode Ferdinand Raimund’s (1823–1836), dessen Zauberstücke die jugendliche Phantasie R.’s anregten und zum Selbstschaffen aufmunterten. So kam im Jahre 1835 seine erste dramatische Arbeit: „Die Testamentsklausel“ zur Aufführung, welche, obgleich mit Beifall aufgenommen, doch nur viermal über die Bretter ging. Diesem Stücke folgte die zweiactige Posse: „Der Wasserfall im Feenhain oder der unsichtbare Freier“, zum ersten Male im Leopoldstädter Theater am 12. September 1835 gegeben. In diesen Stücken – ein paar andere, die er noch geschrieben, konnte er nicht zur Aufführung bringen – sprach sich schönes Talent aus, das sich offenbar an Raimund herangebildet hatte, und das, wenn ihm auch der Raimund’sche Genius fehlte, den früh dahingeschiedenen Dichter zwar nicht ersetzen, doch einigermaßen seinen Verlust vergessen machen konnte. Reiberstorffer verdanken wir überdieß eine Reihe von Zügen aus dem Leben Raimund’s, welche offenbar zu dem Besten gehören, was über diesen Dichter in die Oeffentlichkeit gelangte und an deren Wahrheit, da R. näheren Umgang mit Raimund gepflogen, kaum zu zweifeln. Sie waren in dem von Joh. Nep. Vogl redigirten „Oesterreichischen Morgenblatte“ 1841, Nr. 112 u. 113, 116–123, unter dem Titel: „Charakterzüge und Episoden aus Raimund’s Leben“ abgedruckt und wurden vielfach nachgedruckt. Auch sonst noch schrieb R. für mehrere Wiener und andere Blätter, aber nicht unter seinem Namen, unter anderen für das Pesther Blatt „Der Spiegel“ unter dem Pseudonym „Adiaphoros“. Aus seiner Feder rühren auch die, wenn ich nicht irre, unter dem Titel: „Viehideen“ in Wiener Blättern abgedruckten Thiergespräche, in denen er Schnecken, Krebse, Fiakerpferde, Hunde in humoristischer Weise humanitäre Dialoge führen läßt, die mitunter geistreich aufgefaßt und durchgeführt sind. Auch war R. eines der beliebtesten Mitglieder des alten Schriftsteller- und Künstlervereins „Concordia“, in welchem er durch seine heiteren humoristischen Beiträge viel zur Belustigung der Gesellschaft beitrug. R. hätte wohl noch manches Entsprechende für die Bühne und das Lesepublicum gebracht, wenn er nicht in seinen besten Jahren durch eine Soldatenkugel hinweggerafft worden wäre. Im Jahre 1848 schloß sich R. der revolutionären Partei an und wurde als Nationalgardist in den letzten Tagen des October bei Gelegenheit einer [145] nächtlichen Streifung in dem von kaiserlichen Feldjägern bereits besetzten Augarten von einer aus den Büchsen der Letzteren entsendeten Kugel tödtlich getroffen. Reiberstorffer erscheint auch mit einem weichen d, Reibersdorffer, geschrieben.

Allgemeine Theater-Zeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1835, Nr. 183. – Oesterreichische Zeitung (Wien) 1864, Nr. 191, im Feuilleton [hier mit dem Taufnamen Julius]. – Kaiser (Friedrich), Unter fünfzehn Theater-Directoren. Bunte Bilder aus der Wiener Bühnenwelt (Wien 1870, Waldheim, 8°.) S. 79, 80 u. 90. – Seidlitz (Julius Dr.), Die Poesie und die Poeten in Oesterreich im Jahre 1836 (Grimma 1837, J. M. Gebhardt, 8°.) Bd. I, S. 156.