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BLKÖ:Schöpfer, Heinrich von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 31 (1876), ab Seite: 196. (Quelle)
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Schöpfer, Heinrich von (k. k. Major, geb. in Tirol, Geburtsort und Jahr unbekannt). Zeitgenoß. Schöpfer dürfte um das Jahr 1820 geboren sein, im Jahre 1343 war er der zweitjüngste Unterlieutenant n. G. im Infanterie-Regimente Schön von Treuenwerth Nr. 49. Im Regimente rückte er stufenweise zum Hauptmann vor, machte den italienischen Feldzug 1848/49 mit, und nachdem er bei Novara verwundet worden, zog er sich, mit dem Majors-Charakter in den Ruhestand versetzt, nach Botzen zurück, wo er der Kunst lebt und durch seine Leistungen die öffentliche Aufmerksamkeit in nicht geringem Maße auf sich gezogen hat. Zuerst geschah dieß im Jahre 1863, als er seine „Anleitung zum Figurenzeichnen auf Grundlage des geometrischen Gliedermanns“, 17 Vorlageblätter sammt Gliedermann und sieben einzelnen Bestandtheilen desselben, herausgab, zunächst für Figurenzeichner, Zeichnenlehrer, und Officiere, welche mit Freihandzeichnungen in ihren Mußestunden sich zu beschäftigen pflegen. In dieser „Anleitung“ tritt Schöpfer mit einer neuen Methode des Unterrichts im Figurenzeichnen hervor, mit welcher er bei völlig Ungeübten binnen kurzer Zeit auffallende Erfolge erzielt. Dieselbe beruht auf dem einfachen Principe, mit dem Ganzen der Figur zu beginnen, statt wie bisher von den Theilen auszugehen. Zu dem Ende wird nicht nur mit dem Zeichnen nach geometrischen einfachen Körpern, statt nach Vorlegeblättern angefangen, sondern Schöpfer hat auch einen sinnreich eingerichteten Gliedermann construirt, der die menschliche Figur selbst als ein Ganzes geometrisch einfacher Körper darstellt. Erst wenn der Schüler diesen in allen Stellungen richtig hat zeichnen lernen, geht er zur Zeichnung wirklicher Figuren über, deren Verständniß in den schwierigsten Stellungen ihm durch jene Vorübung sehr erleichtert wird. Kaulbach, Piloty, Schwind und andere Meister haben diesem Principe ihre vollkommene Anerkennung angedeihen lassen, und Dyck, Vorstand der Schule des Münchener Vereins zur Ausbildung der Gewerbe, sowie der Vorbereitungsclasse für die Akademie, hatte diese Methode [197] sofort versuchsweise eingeführt. In weit höherem Maße aber wendete sich die Aufmerksamkeit der Kunstwelt dem kaiserlichen Officier zu, als dieser im Jahre 1871 den Münchener Kunstverein mit 24 großen historischen Compositionen beschickte. Friedrich Pecht, der das Scepter der Kunstkritik in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ seit Jahren mit ebenso viel Kenntniß als Strenge führt, berichtet: wie in dem abgelegensten ultima Thule deutschen Wesens, in Botzen, ein Officier Namens Schöpfer, der diesen Namen wahrlich nicht mit Unrecht führt, aus dem Born echter Kunst ganz im Stillen tiefer zu schöpfen versteht, als gar Viele, so sich Künstler nennen und täglich inmitten der reichsten und anregendsten Production sich bewegen, während S. erst eine italienische Kugel bei Novara die Gefälligkeit erzeigen mußte, ihm die Möglichkeit zu verschaffen, sich überhaupt der Ausbildung seines Talents widmen zu können. Von diesen 24 historischen Compositionen, in welchen sich eine großartige, idealistische Weltanschauung kundgibt, die an die Dichtungen Lingg’s mahnt, nennen wir, um den Charakter dieser Arbeiten mit einem Titel zu bezeichnen: „Der letzte Tag von Pompeji“; – „Bachus und Ariadne“; – „Prometheus“; – „Das goldene Kalb“– „Die Eumeniden“; – „Das Lager des Spartacus“; – „Die Todtenfeier des Alarich“; – „Das Todtengericht der Egypter“; – „Die Götter Griechenlands“; – „Szene aus der Völkerwanderung“; – „Die Erweckung von Jairi Töchterlein“ u. s. w. Diese historischen Compositionen, nicht gemalt, ja nicht einmal schattirt, sondern nur in Contouren gezeichnet, zeigen schon in der bloßen Wahl und Auffassung des Stoffes einen ungewöhnlichen Geist und eine großartige, idealistische Weltanschauung; aber auch die Form mit einer einfachen Größe, Knappheit und Musterhaftigkeit und von einem Manne gezeichnet, welchem keinerlei Hilfsmittel von Modellen u. s. w. zu Gebote standen, beweist wieder, daß der Maler wie der Poet geboren und nie gemacht oder erzogen wird. Denn die Meisterhaftigkeit in der Beherrschung der Form ist groß genug, daß sich diese einfachen Contouren ganz wohl selbst neben die, wenn auch allerdings ungleich sorgfältiger durchgearbeiteten Genelli’schen stellen dürfen, an welche sie am Ende doch noch am ehesten erinnern, obwohl ihnen gerade das Gesuchte und Gezierte, das jene oft haben, nie anklebt, sie im Gegentheile weit mehr Naturlaute und feine Beobachtung zeigen. Ueberdieß hat Schöpfer einen Zug echten Humors, wie wir ihn außer bei Schwind bei keinem anderen deutschen Künstler wiederfinden. So z. B. sind sehr originell die „Götter Griechenlands“, eines Giulio Romano nicht unwürdig componirt, die offenbar pensionirt von den Wolken herab höchst verblüfft ihre Altäre gestürzt und an ihrer Stelle auf einem Berggipfel die Pyramide einer k. k. Triangulirungs-Commission für Landesvermessung aufgerichtet sehen. Wenn in der künstlerisch durchgebildetsten, reinsten und reizendsten Composition in der „Wiedererweckung von Jairi Töchterlein“, dieses eine Petroleumlampe neben sich, die Todtenfrau ein Bündel Wachskerzen im Arme hat, so sind dergleichen Anachronismen, wie die höchst freie, humoristische Behandlung des Costums nicht etwa Belegstücke der mangelhaften archäologischen Bildung unseres Künstlers, sondern eben die Götterblitze eines Humors, wie er nur einem wirklichen Genie eigen und selbstverständlich, da seine Wirkung am rechten Platze [198] auch in der Kunst gestattet ist. Dabei ist die Formengebung von einer stylvollen Größe, die Verkürzung von einer Meisterhaftigkeit, die flüchtig mit Röthel hingezeichnete Contour weiß uns die Rundung der Gestalt mit einer Sicherheit auszudrücken, daß man die Zeichnungen eines alten Meisters der Cinquecento und nicht die eines modernen k. k. Majors vor sich zu haben glaubt. Letzterer Umstand, bemerkt rückhaltlos der geistvolle Kunstkritiker der „Allgemeinen Zeitung“, verschuldet vielleicht, daß ein so seltenes Talent nicht zu voller Entfaltung kommen konnte. Denn Wien, wo man die einheimischen Kräfte immer erst gelten läßt, wenn sie im Auslande Beachtung gefunden – nun, das ist so ziemlich Brauch in aller deutschen Herren Ländern, aber eben nur in diesen – vermochte Schöpfer mit diesen seltenen Productionen niemals die geringste Aufmunterung oder auch nur Aufmerksamkeit zu erregen, und es erging ihm genau so, wie Führich, Rahl, Schwind, Makart und allen den großen Talenten, die man dort erst auf die niederträchtigste Art lange Jahre hindurch ignorirte, verfolgte und verhöhnte, bis sie in München oder anderswo so entschieden zur Geltung kamen, daß eine längere Mißhandlung nicht mehr möglich war. – Schöpfer, dessen Talent der Plastik jedenfalls noch mehr zuneigt als der farbigen Darstellung, hat auch sehr geistreiche Reliefs gemacht, dieselben aber – es ist unglaublich, aber wahr – bis jetzt nicht einmal geschenkt zur Aufstellung bringen können.

Botzner Zeitung 18163, Nr. 85: „Vaterländische Kunst“. – Volks- und Schützenzeitung (Innsbruck, 4°.) XXVI. Jahrg. (1871), Nr. 80, gleich im ersten Artikel. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1871, Beilage Nr. 185, S. 3306, in F. P.(echt)’s Artikel: „Münchener Kunst“. – Illustrirte Militär-Zeitung. Von Ritter v. Hack (Wien, 4°.) 1863, Nr. 13, S. 106, in den „Kunst-Notizen“. –