BLKÖ:Schlesinger, Sigmund (I.)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 30 (1875), ab Seite: 88. (Quelle)
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Schlesinger, Sigmund (I.) (Schriftsteller, geb. zu Wien 1811). Sein Vater, Börsensensal, verlor durch Unglücksfälle sein ganzes, nicht unbedeutendes Vermögen. Mit 11 Jahren besuchte Sigmund das Wiener Schotten-Gymnasium und schon damals fiel er durch die bewunderungswürdige Schärfe seines Gedächtnisses auf. Viele Aufmunterung fand er durch den früheren Prälaten und Vicedirector Meinrad Lichtensteiner [Bd. XV, S. 85]. In Folge des mittlerweile eingetretenen Todes des Vaters mußte sich – der damals erst 15jährige – S. durch Lectionengeben fortbringen. Schon damals beschäftigte er sich mit poetischen Arbeiten, und als 1828 Ludwig Devrient in Wien spielte, veröffentlichte S. im „Sammler“ auf den Mimen sein erstes Gedicht. Im Jahre 1831 schrieb er gelegentlich der Vermälungsfeier des damaligen Kronprinzen Ferdinand ein Festspiel, das auf einer Wiener Bühne wiederholt mit Beifall gegeben wurde. Nun stürzte er sich rückhaltlos auf das Feld der Journalistik, schrieb Recensionen über Theater, Literatur und Musik, und wurde unter dem Pseudonym „Sigmund“ Mitarbeiter der damals von Jahr zu Jahr an Beliebtheit zunehmenden „Theater-Zeitung“. Im Jahre 1833 unterrichtete er den Herzog von Lucca mehrere Monate in den orientalischen Sprachen. Um diese Zeit ließ er das Gedicht: „Eleonore von Toledo“, nach dem Französischen des Marchese Cesare Boccella, bei Ghelen in Wien erscheinen. Die merkwürdigen Verse darin: Dunkler Weltanschauung Flocken fallen | Mir in meine tiefen Seelenklüfte (!) kommen somit wohl nicht auf seine eigene, sondern auf des ursprünglichen Autors Boccella Rechnung? Im Herbste desselben Jahres machte er eine Reise durch Mähren, als deren Frucht die später erschienenen „Mährischen Reisebriefe (Leipzig 1835, 8°.) zu bezeichnen sind, denen die „Herbstnovellen“ (Wien 1835, 8°.) folgten, an welche sich später [89] eine „Neue Folge“ (Leipzig 1838, 8°.) anschloß. Ueber der vorgeschilderten literarischen Thätigkeit ließ er jedoch seinen eigentlichen Beruf – er studirte nämlich an der Wiener Hochschule die Medicin – nicht aus dem Auge und erlangte noch im Jahre 1835 die medicinische Doktorwürde. Später ging er als Arzt nach Dalmatien, dann diente er in den Jahren 1848 und 1849 als solcher in der Honvédarmee. Seit dieser Zeit ist er verschollen. Als Schriftsteller blieb er nach Beendigung seiner medicinischen Studien noch einige Zeit nach zwei Seiten, nach der belletristischen und dann jener seines ärztlichen Berufes thätig, denn es erschienen von ihm noch folgende Schriften: „Josef Gusikow und dessen Holz- und Stroh-Instrument. Ein biographisch-artistischer Beitrag zur Würdigung dieser ausserordentlichen Erscheinung. Mit dem Porträte dieses Virtuosen und Abbildung des Holz- und Strohinstruments“ (Wien 1836, Tendler, gr. 8°.); – „Vindobona. National-epische Dichtung“, 2 Lieferungen (ebd. 1837, Kupffer u. Singer, gr. 8°.), eine verunglückte Nachahmung des Frankl’schen „Habsburgsliedes“ und poetische Geschichte der großen Donaustadt von ihrer Gründung bis in’s 12. Jahrhundert in Nibelungenversen und in vier Abschnitten, die selbst wieder aus einzelnen Romanzen bestehen; – „Pharmazeutisch-chemische Tabellen zum Gebrauche für praktische Aerzte und Apotheker als Hilfs- und Nachschlagstabellen“ (Wien 1838, Heubner, gr. 12°.) Was S.’s Bedeutung als schöngeistiger Schriftsteller betrifft, so ist er in der Literatur nahezu unbekannt, bei Julius Seidlitz in der in den Quellen benannten Schrift kommt er schlecht genug weg.

Feierstunden. Herausg. von Ebersberg (Wien, 8°.) Jhrg. 1835, S. 1453. – Seidlitz (Julius Dr.), Die Poesie und die Poeten in Oesterreich im J. 1836 (Grimme, 1837, J. M. Gebhardt, 8°.) Bd. I, S. 164.