BLKÖ:Sitte, Franz
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 35 (1877), ab Seite: 37. (Quelle) | |||
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Joseph’s R. v. Führich [Bd. V, S. 5] verwandt. Mit acht Jahren verwaist, schien sein übergroßer Hang zu einigen alten Chroniken mit den illuminirten Ansichten von Jerusalem, Bethlehem u. s. w., und zu einer Kiste mit Krippenfiguren von der Hand von Führich’s Vater einen höheren Beruf anzuzeigen, und er wurde zum Schulmeister bestimmt, und zunächst bei einem solchen in Kost und Lehre gegeben. Hierauf kam er nach Reichenberg in die vierte Classe, um hierauf den dortigen Präparandencurs durchzumachen. Hier aber machte er Bekanntschaft mit zwei Baumeisterssöhnen, mit welchen er die Bauten besuchte, und fand daran so großes Gefallen, daß er nach vollendeter Lehrzeit seiner eigenen Neigung folgte, und bei einem Baumeister, der eine gute Fachbildung in München genossen hatte, sich als Lehrling aufnehmen ließ. Hier wurde er bald ausschließlich in der Kanzlei verwendet, und nützte seine ganze freie Zeit zu Copien und Ausarbeitungen nach den Kupfern von Stuart, Schinkel und Klenze, welche sein Lehrherr besaß. Mit diesen Arbeiten und dem Rest seines Erbes ging er nach vollendeter Lehrzeit nach Wien an die Akademie, und wurde auf Grund der mitgebrachten Zeichnungen von Director Pietro Nobile [Bd. XX, S. 376] ausnahmsweise sogleich in die Architectur-Abtheilung aufgenommen, verließ die Akademie aber nach zwei Jahren trotz Erlangung eines akademischen Preises und der Zusicherung eines Stipendiums, weil an die Ertheilung desselben ausdrücklich die Bedingung geknüpft war, dem bisher mit Vorliebe gepflegten Studium der Münchener Schule und dem Hange nach Versuchen in der Gothik zu entsagen. Er fand sogleich Aufnahme im Atelier des Architekten Franz Lößl [Bd. XV, S. 407], und ging nach einigen Jahren im Auftrage Friedrich Förster’s [Bd. IV, S. 273] als Localbauführer nach Brünn. Die Ersparnisse dieser Jahre reichten endlich hin, die gehegte Sehnsucht einer Reise nach München zu befriedigen, wo eben die Bauthätigkeit in höchster Blüthe stand. Die Ludwigskirche, Bibliothek, Basilika und Walhalla waren gerade in Bau. Die Residenz, Post, Glyptothek, Pinakothek, Aukirche, Allerheiligenkirche schon vollendet. Da gab es viel zu sehen, und der längere Aufenthalt wurde ausschließlich dem Studium gewidmet. Nach Wien zurückgekehrt, betheiligte er sich an der Bewegung der Wiener Künstler, welche bei Gelegenheit des Baues der Altlerchenfelderkirche dem Concurrenzwesen und der modernen Richtung Bahn brach. Beim Baue dieser Kirche trat er zunächst als Bauleiter unter Georg Müller [Bd. XIX, S. 376, Nr. 38] ein, und nach dessen früh erfolgtem Tode wurde ihm die technische und künstlerische Oberleitung übertragen, und vollendete er diesen in der neuesten Kunstentwicklung merkwürdigen Bau nach dem nur flüchtig skizzirten Originalentwurf Müller’s mit seltener Selbstverläugnung und feinst empfundenem Eingehen auf die künstlerische Denk- und Empfindungsweise Müller’s so, daß sich die letzte Hoffnung desselben, welche er als Wunsch kurz vor einem Tode niederschrieb, und womit er Franz Sitte als denjenigen bezeichnete, dem er allein getrost sein Werk anvertrauen könne, erfüllte. Mit Ausnahme der Sockelgesimse, die Müller noch zeichnete, sind alle Detaillirungen, selbst [38] die in der Wiener Bauhütte irrthümlich als Müller’s Composition publicirten Maßwerkfenster von Franz Sitte. Ebenso die fünf Portale und alle Thüren. Während dieser Zeit betheiligte er sich an den Concursen für die Votivkirche, die Breitenfelderkirche, deren Bau jedoch nicht in Angriff genommen wurde, und für die Priesterhauscapelle in der Vorstadt Landstraße in Wien, welche letztere auch von ihm ausgeführt wurde und bei welcher in Wien zum ersten Mal der Versuch einer vollständigen Polychromirung gemacht wurde. Die Bilder in derselben sind von Kuppelwieser und Führich, mit dem Sitte stets im regsten Verkehre lebte; Altar, Statuen und Wände ganz in Farben, und außerdem der Fußboden in buntem Mosaik, und in den Fenstern Glasmalerei. Auch das Concursproject zur Votivkirche entstand insofern in gemeinsamer Anregung durch Führich, als von diesem die Anordnungen zu den plastischen und malerischen Darstellungen dazu herrühren. Außer einer Reihe gewöhnlicher Profanbauten führte Franz Sitte aus: Die Kirche in Vöslau bei Wien, und die Kirche in Jedenspeigen[WS 1] im Marchfelde, beide gothisch. Ferner zählen zu seinen Arbeiten das reich in Form eines gothischen Tabernakels aus Granit und Bronzeguß ausgeführte Grabmal des Fürst-Erzbischofes Milde in der St. Stephanskirche, Kreuzcapelle nächst dem ausgebauten Thurm. Schließlich seien noch erwähnt, Thürme und Giebel in gelungener Barocke der aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Piaristenkirche in der Josefstadt in Wien. Im Jahre 1868 hat Sitte im Musikvereinssaale mehrere Vorträge über die Wichtigkeit der Erfindung eines neuen Baustyls gehalten, und seine Ideen darüber in einer besonderen Schrift: „Beleuchtung des äußeren Monumental-Momentes des vom österreichischen Civil-Architekten Franz Sitte entworfenen und zur öffentlichen Betrachtung in der deutschen allgemeinen Kunstausstellung zu Wien vorgeführten Kirchenbau-Projectes, das ein praktischer Versuch sein soll, die Spur zur Beantwortung der brennenden Kunststylfrage aufzufinden“ veröffentlicht. In der historischen Kunstausstellung, welche 1877 anläßlich der Eröffnung der neu erbauten Wiener k. k. Akademie der bildenden Künste in deren Räumen stattgefunden, befanden sich von seiner Hand: „Der Concurrenzentwurf für die Votivkirche“, 2 Blätter, Federzeichnungen; – „Das Franz-Josephs-Thor“, colorirte Bleistiftzeichnung; – „Jägerhaus“, Aquarell- und getuschte Zeichnung; – „Kirche zu Jedenspeigen“, Photographie und colorirte Zeichnung; – „Entwurf für eine Kaiser Franz-Kirche“, lavirte Federzeichnungen; – „Entwurf für eine Kirche“, 3 Blätter Sepiazeichnungen und aquarellirte Zeichnung; – „Die Gruft für den Grafen Walterskirchen“, 3 Blätter, getuschte Zeichnung; – „Entwurf für eine Kirche in Fünfhaus“, 3 Blätter Bleistift- und getuschte Federzeichnungen; – „Entwurf für das Grabmal des Erzbischofs Milde“, Federzeichnung; – „Hauptaltar in der Kirche zu Wels“, Photographie und – „Kirche zu Vöslau“, 3 Blätter, colorirte Originalzeichnungen.
Sitte, Franz (Architekt, geb. zu Weißkirchen in Böhmen, Bunzlauer Kreis 8. Juli 1818). Der Jüngste unter 19 Geschwistern und mit der Familie- Zellner’s Blätter für Theater, Musik, Kunst u. s. w. (Wien, 8, kl. Fol.), in der Besprechung der Kunstausstellung. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1861, Nr. 319, im Aufsatze: „Die Bildhauer, Kupferstecher und Baumeister auf der deutschen Kunstausstellung in Wien 1868“ [erscheint daselbst irrig als Karl Sitte].
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Jedensteigen.