BLKÖ:Speckbacher, Maria (Mutter und Tochter)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 36 (1878), ab Seite: 130. (Quelle) | |||
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VI. Speckbacher’s Familie.
1. Wie in der Biographie erwähnt worden, hat Speckbacher im Jahre 1794 sich mit Maria Schmiederer verheirathet. Sein Weib, das schöne Maidele, wie man sie allgemein nannte, war ein schlichtes einfaches Wesen und blieb es auch dann, als sie von dem Bauerngütchen zu Rinn herab als kaiserliche Majorsfrau in die Stadt gezogen war. Sie wollte, wie Pfarrer Ascher erzählt, dessen oben in der Lebensskizze gedacht worden, den Wilfling. d. i, den schweren wollenen Bauernrock, wie er dort Landestracht, auch in Hall lange nicht ablegen und verstand erst nach einigen Jahren sich dazu, bürgerliche Kleidung anzulegen. Die Drangsale, welche diese wackere Tiroler Frau nach dem 17. October 1809 zu erdulden gehabt, wie sie sich flüchten gemußt, aus Sorge, nicht für ihren Mann als Geißel weggeschleppt zu werden, das Alles ist in der Lebensskizze ihres Gatten erwähnt. Aber damit waren ihre Leiden noch nicht zu Ende. Es wurde berichtet, daß ihr Mann, nachdem er bei Jacob Troggler bei Wien seinen Aufenthalt genommen, sie aufgefordert, zu ihm zu kommen. Einen Brief, den sie auf eine frühere Aufforderung Speckbacher’s, dem die Bewirthschaftung eines Gutes in Ungarn in Aussicht gestellt war, demselben am 5. Jänner 1811 geschrieben, worin sie zu kommen ablehnt, theilt die „Neue Tiroler Zeitschrift“ im achten Bändchen (S. 144–146) mit. Nach seiner zweiten Aufforderung, zu kommen, säumte sie aber keinen Augenblick. Die Drangsale und Unbilden, welche mit dieser Fahrt begleitet waren, erzählt nun ausführlich die „Tiroler Schützenzeitung“ VI. Jahrgang (1851), Nr. 33, im Aufsatze: „Die Gefangenschaft der Landesschützen-Majors-Gattin Speckbacher“. Ohne Jemand über ihre Abreise ein Wort zu sagen, trat sie die Fahrt nach Wien an, und zwar ging sie in Hall zu Schiff und kam glücklich in der Residenz an, wo sie ihren Mann fand. Aber das bekannte Heimweh blieb auch bei ihr nicht aus; die Sehnsucht nach den heimatlichen Bergen wuchs mit jedem Tage und ihr Mann, als er das Leidwesen seines Maidele sah, meinte selbst, sie möchte wieder heimwärts ziehen, er werde ihr später folgen. So kehrte sie wieder zurück, nachdem ihr Speckbacher einen österreichischen Paß, so wie einen zweiten von dem königlich bayerischen Gesandten ermittelt hatte. Bis Salzburg ging es ohne Anstand. Hier mußte sie die Pässe abgeben, um sie zur Vidirung vorzulegen; doch während sie deren Rückstellung abwartete, kam die königlich bayerische Gendarmerie und arretirte auf polizeilichen Befehl die betroffene Frau. Wie eine gemeine Verbrecherin wurde sie nun in einen der unsaubersten Arreste, der von Ungeziefer wimmelte, geführt. In demselben mußte sie 14 Tage schmachten, ohne zu wissen, was mit ihr geschehen sollte. Nach Verlauf dieser Zeit wurde sie auf einem gewöhnlichen Schubwagen nach München abgeführt. Da man sie von dem Ziele der Reise nicht in Kenntniß setzte, wähnte sie, es gehe Tirol zu, und ward erst am zweiten Tage bitter enttäuscht. Zugleich mit ihr wurde ein Passeirer Bauer Namens Geißebner ebenfalls nach München abgeführt. Die Escorte bestand in einem Gendarmen, der auf seine Beute keinen geringen Stolz hatte und sich nicht wenig zugute that, mit der gefangenen Frau des berühmten Speckbacher und einem gut erhaltenen Exemplar eines Tiroler Bauers in der Residenz einziehen zu können. Am selben Tage, an dessen Abend er in München unter großem Zudrang des Volkes einziehen zu können glaubte, erkrankte auf der Fahrt der Bauer. Schon Morgens klagte der Passeirer über unsägliche Leibschmerzen. Der Arme wand sich wie ein Wurm auf dem Schubwagen. Als sie 21/2 Stunden vor [131] München durch einen Wald fuhren, bat der gequälte Mann den Gendarmen, er möchte ihn ein wenig aussteigen lassen. Der Gendarm, dem des Mannes Elend zu Herzen ging, mußte die Bitte gewähren. Der Passeirer verlor sich aber im Wäldchen und kehrte nicht wieder. Dem Gendarmen war das lange Ausbleiben endlich verdächtig, er rief, keine Antwort; er untersuchte das Gehölz, keine Spur war mehr zu finden. Als der Gendarm den Betrug des Passeirer Bauers einsah, fluchte er über den Bauer, rief im nächsten Orte den Landsturm auf, allein umsonst. Der Passeirer, dem indessen die Gesundheit wiedergekehrt war, hatte bereits einen zu weiten Vorsprung genommen. Die Frau Speckbacher aber langte Abends in München an. Sie wurde in den sogenannten Neuthurm eingesperrt. In diesem Gefängnisse wurde Frau Speckbacher elf Wochen ohne in ein einziges Verhör gezogen zu werden, gefangen gehalten. Obwohl ihre Verpflegung und Behandlung im Allgemeinen erträglicher war, so hatte dennoch die Haft und besonders die Ungewißheit ihrer Lage auf die Gesundheit eine störende Rückwirkung genommen. Wenn sie in der Nähe der Gefängnisse Schüsse fallen hörte, wähnte sie stets, daß gefangene Landsleute den Tod erlitten, und des Gedankens an ein ähnliches Schicksal konnte sie sich nicht erwehren. Am meisten aber ängstigte sie der Gedanke, Speckbacher möchte, um ihr die Freiheit zu erwirken, sich stellen und dadurch dem gewissen Tode entgegen gehen. Speckbacher aber war der festen Ueberzeugung, daß seine Frau bereits längst wieder in Tirol wäre; während man hier sie als in Wien sich aufhaltend wähnte. Als daher nach Wochen der entschlüpfte Passeirer Geißebner nach Wien kam und dort von ihrem Schicksale erzählte, wurde Speckbacher fast wüthend über die schmähliche und widerrechtliche Behandlung seiner Frau. Erzherzog Johann hatte sich indessen alsogleich für Speckbacher auf das entschiedenste verwendet, als er von dem Unglück hörte. Seiner Verwendung ist es zuzuschreiben, daß endlich die Freilassung der Frau Speckbacher erfolgte. Sechs Tage vor Fronleichnam ward sie der Freiheit wiedergegeben. Da zu gleicher Zeit der Gefangenschaft auch ihr Sohn Andreas in einer Erziehungsanstalt Münchens, in welche ihn der König von Bayern gegeben, sich befand, so benützte sie die Fronleichnams-Procession, um ihn bei dieser Gelegenheit sehen zu können. Sie wollte sich mit dem Anblicke ihres geliebten Sohnes trösten. Sie stellte sich an einen geeigneten Platz, wo die feierliche Procession vorüberzog, allein sie erkannte ihr Kind nicht wieder, und kehrte, nachdem sie auch dieses Oper der Kindesliebe gebracht hatte, in ihre Heimat zurück. Frau Speckbacher, deren Einfachheit und Schlichtheit wir schon erwähnt, lebte nun mit ihrem Gatten, der im Jahre 1814 nach Tirol zurückgekehrt war, vereinigt. Nur sechs Jahre waren mehr dem Tiroler Helden gegönnt, an seiner Maidele Seite sich des Lebens zu freuen. Daß ihr und ihren Kindern durch kaiserliche Gnade Pensionen und Gnadengehalte verliehen worden, wurde auch bereits berichtet. Maria Speckbacher überlebte ihren Gatten um 23 Jahre, sie starb im Jahre 1843. – Eine ihrer Töchter, Maria, welche ledig geblieben, starb erst vor einigen Jahren – im Juni 1870 zu Hall. Maideles Schicksale bilden auch den Gegenstand einer historischen Erzählung, welche unter dem Titel des Namens der Heldin: „Maria Speckbacher“ zuerst in dem Triester Journal „Austria“ und aus diesem in dem „Frankfurter Conversationsblatte“ 1838, Nr. 110 u. f. gedruckt erschienen ist. Nur sind die Namen in dieser geschichtlichen Erzählung sämmtlich falsch: so heißt Maidele, welche von Haus aus Maria Schmiederer heißt, in der Erzählung Schneider, Speckbacher’s braver Knecht Zoppel statt Zozzel u. s. w., was in einer „historischen“ Erzählung unstatthaft. –