BLKÖ:Szántó, Simon

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Szántó, Johann
Band: 41 (1880), ab Seite: 161. (Quelle)
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Szántó, Simon (Schriftsteller und Pädagog, geb. zu Groß-Kanizsa in Ungarn am 23. August 1819, gest. 1873). Sohn des Rabbiners von Groß-Kanizsa. Er stammt aus einer seit dem 16. Jahrhunderte durch jüdische Gelehrsamkeit hervorragenden Familie. Nach dem Tode seiner Eltern kam der zehnjährige Knabe zu einem in Lackenbach wohnenden orthodoxen Rabbiner in die Pflege. Als er im dreizehnten Lebensjahre von diesem eines Tages beim Lesen eines ketzerischen Buches ertappt wurde, entfloh er aus Furcht vor der Strafe, welche er für diese Versündigung zu gewärtigen hatte, und gelangte unter mannigfachen Entbehrungen in die Talmudschule zu Jenikau in Böhmen. Nachdem er sich daselbst mit den Elementen des profanen Wissens vertraut gemacht hatte, ging er zunächst nach Prag, wo er das Untergymnasium privatim absolvirte, darauf aber an das zu jener Zeit in trefflichem Rufe stehende evangelische Lyceum in Preßburg, an welchem er das Zeugniß der Reife erlangte. Unter den Professoren dieser vorzüglichen Lehranstalt war es besonders der berühmte Literarhistoriker Schröer [Bd. XXXI, S. 348], welcher den Jüngling mächtig anregte und ihm das Verständniß für deutsche Geistesarbeit erschloß. Nach Prag zurückgekehrt, besuchte Szántó daselbst die philosophische Facultät von 1839 bis 1840. Hier war es der nachmalige Ministerialrath Professor Dr. Franz X. [162] Exner [Bd. IV, S. 115], welcher sich der philosophischen Bildung des jungen Mannes sehr warm annahm, indem er ihn zu Versuchen auf dem Gebiete der empirischen Psychologie im Zusammenhange mit Sprachphilosophie aufmunterte. Auch ließ er eine der von seinem Schützling verfaßten Abhandlungen durch den Druck veröffentlichen. Im Jahre 1844 erlangte Szantó von Seite des Prager Ober-Rabbinates, des sogenannten Collegiums der Appellanten, die Ordination zur Führung des Rabbineramtes. 1845 kam er nach Wien, wo er seine literarische Thätigkeit, welche er in Prag als Mitarbeiter mehrerer wissenschaftlichen Journale begonnen hatte, zunächst durch die Herausgabe eines in hebräischer Sprache abgefaßten Commentars zum Pentateuch fortsetzte. Dieses philosophisch-archäologische Werk [erschienen bei Eduard von Schmied in Wien von 1846 bis 1848) wurde von hervorragenden Autoritäten, wie: I. Reggio und Professor S. D. Luzatto, als bestes exegetisches Compendium für Hochschulen erklärt und trotz einer Auflage von 5000 Exemplaren rasch vergriffen. Um dieselbe Zeit veröffentlichte er in deutscher Sprache: „Bilder aus Alexandriens Vorzeit“, eine historische Studie, in Form eines Romanes, und die kleine Novelle „Judenthum und Romantik“, den einzigen Versuch, den er auf dem Gebiete der Novellistik gemacht hat. Im Jahre 1848 wurde er Redacteur des von I. Busch in Wien herausgegebenen „Centralorgans“ und schrieb für die „Wiener Zeitung“ eine Reihe von Artikeln, unter welchen die Serie, betitelt „Sturmpetition eines Pädagogen“, trotz der aufgeregten Zeit Beachtung fand. 1849 gründete er eine Lehr- und Erziehungsanstalt für Knaben und lieferte zumeist Beiträge in pädagogische Blätter. Im Jahre 1860 wurde seinem Erziehungs-Institute der Charakter der Oeffentlichkeit mit dem Rechte der Ausstellung staatsgiltiger Zeugnisse verliehen. Von literarischen Arbeiten aus dieser Zeit stammen einige Artikel theologischen Inhaltes in fachwissenschaftlichen Journalen, ferner Beiträge zur Erziehungskunde für das von Joseph Ritter von Wertheimer und Dr. Leopold Kompert herausgegebene „Wiener Jahrbuch für Israeliten“, dessen ständiger Mitarbeiter er war. Später übernahm er in eigener Redaction eine neue Folge dieses Jahrbuches, wovon drei Jahrgänge erschienen sind, von 1865–1868. 1861 gründete er in Gemeinschaft mit Dr. L. Kompert die bis zu seinem Tode von ihm redigirte Wochenschrift für politische, religiöse und Culturinteressen „Neuzeit“, von welcher er noch den dreizehnten Jahrgang erlebte. Dieses Blatt diente durchwegs den Principien des entschiedenen Fortschrittes und hat daher dem Redacteur von Seiten der Orthodoxen und conservativen Parteien vielfache Verketzerungen zugezogen, ehe das redliche Streben desselben die gebührende Schätzung erlangen und eine Partei sich heranbilden konnte. Einige Artikelserien dieses Blattes haben Anspruch auf wissenschaftliche Bedeutung, so z. B. „Die Geschichte der jüdischen Frauen“, „Die Lügenwirthschaft“. „Die Stammes- und Glaubensgenossenschaft“. Im Jahre 1869 zog sich Szántó allmälig von der Leitung des von ihm gegründeten Erziehungsinstitutes zurück, um sich ungestörter der literarischen Thätigkeit widmen zu können. Aus dieser Periode stammen einige in hebräischer Sprache verfaßte Artikel streng wissenschaftlichen [163] Charakters, als: „Ueber Farbenbezeichnung“ u. s. w.; ferner culturhistorische Feuilletons, welche in großen Wiener Journalen unter verschiedenen Chiffren und Pseudonymen herauskamen. Hievon nennen wir die unter dem Pseudonym Dr. Unbefangen für die „Tages-Presse“ und deren Beilage, die „Illustrirte Frauenzeitung“, 1869 geschriebenen: „Sophie, eine Geistergeschichte“, ein Versuch, die Geschichte der griechischen Philosophie für gebildete Damen darzustellen, und „Illustrirte Erziehungskunde für Frauen“; dann zahlreich in der „Neuen Freien Presse“ (1870–1872) unter der Chiffre *** erschienene Feuilletons, welche nicht selten über den Charakter gefälliger Zeitungscauserie hinausreichen; ferner seine unter derselben Chiffre für die „Presse“ (1872–1873) gelieferten Feuilletons, besonders jenes: „Wie Götter sterben“, eine prähistorische, von neueren Culturhistorikern wiederholt beachtete Studie; endlich die für das „Neue Wiener Tagblatt“ unter dem Namen S. Pflüger – deutsche Uebersetzung des magyarischen Wortes Szántó – geschriebenen Feuilletons. Auch ist er Verfasser mehrerer anonym erschienenen Flugschriften, welche zumeist Tagesfragen behandelten, deren Titel aufzufinden uns leider nicht gelang. Als Feuilletonist hat Szántó die Popularisirung wissenschaftlicher, meist psychologischer und culturpolitischer Untersuchungen mit vielem Glücke versucht, und fanden seine mitunter schneidigen Artikel, deren wir unten noch eine Reihe aufzählen werden, gerechte Würdigung. Auf pädagogischem Gebiete will uns der viel zu wenig beachtete Szántó als eine Autorität erscheinen. Seinem Styl wird von Gutzkow in dessen „Unterhaltungen am häuslichen Herd“ Energie des Ausdruckes, Präcision, Durchsichtigkeit und Lebendigkeit nachgerühmt. Neben seinem schriftstellerischen Berufe war Szántó noch anderweitig wissenschaftlich beschäftigt. Als nämlich im J. 1863 in Wien ein Privatverein eine Art theologischer Lehranstalt unter dem Namen „Bethhamidrasch“ begründete, übernahm Szántó die Lehrkanzel für Bibelkunde und classisch-althebräische Literatur. 1864 wurde er Gerichtsdolmetsch für hebräische Sprache bei dem Wiener Landesgerichte und 1870 vom israelitischen Cultusvorstande zum Religionsschulinspector ernannt und als solcher vom k. k. Landesschulrathe bestätigt. In den israelitischen Synoden zu Augsburg und Leipzig (1867 und 1870) erfolgte seine Wahl zum Obmann der Unterrichtssection, überdies haben ihn verschiedene humanitäre und pädagogische in- und ausländische Vereine zum Ehrenmitglied ernannt. Von S.’s mit seinem Namen bezeichneten Arbeiten kennen wir: „Zwei Briefe an den heiligen Geist im Concil“ (Wien 1870, Herzfeld und Bauer, 8°.) und in der neuen Folge des von Wertheimer herausgegebenen „Jahrbuches für Israeliten“ (Wien, 8°.): im II. Jahrg. (1855/56): „Schullehrers Paradoxa“ [S. 94 u. f.]; – im IV. Jahrg. (1857/58): „Musterungen zur Charakteristik der Erzieherwelt“ [S. 38 u. f.]; – im VII. Jahrgange (1860/61): „Fahrende Juden. Zur Geschichte der Gesetzkunde“ [S. 29–64); – im VIII. Jahrgange (1861/62): „Enthüllungen und Streiflichter“ [Seite 63–86]; – im IX. Jahrg. (1862/63) „Staat und Synagoge in Oesterreich“ [S. 195 u. f.]; – im X. Jahrgange (1863/64): „Studien in der Polterkammer“ [S. 75 u. f.] und in der zweiten Folge im I. Jahrg. (1865/66) [164] „Des Buches Selbst- und Rückschau“ [S. I–XLIV]. In diesen zunächst im Hinblick auf jüdische Verhältnisse geschriebenen Aufsätzen ist – namentlich in pädagogischen Fragen – vieles enthalten, was an und für sich als auf das Wesen der Erziehung im Allgemeinen Bezug nehmend beachtenswerth erscheint.

Neue Freie Presse, 1873, Nr. 3124, Abdbl.