BLKÖ:Szadbej, Gregor Ignaz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Szadbej, Emerich
Band: 41 (1880), ab Seite: 126. (Quelle)
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Szadbej, Gregor Ignaz (Rechtsgelehrter und Schriftsteller, geb. zu Tyśmienicz in Galizien am [127] 6. Mai 1796, Todesjahr unbekannt). Von armenischen Eltern. Er besuchte das Gymnasium und die Hochschule in Lemberg und zeigte frühzeitig ungewöhnliche geistige Begabung. Als Knabe von zwölf Jahren lieferte er poetische Arbeiten und vollendete später in der Zeit von vier Wochen eine Tragödie „Die Mediceer“, welche er an die königliche Gesellschaft, der Wissenschaftsfreunde in Warschau einsendete. Trotz seiner Lieblingsneigung lag er mit Eifer den rechtswissenschaftlichen Berufsstudien ob und erlangte am 24. Juni 1824 daraus die Doctorwürde. Bei seiner Unabhängigkeitsliebe zog er dem Eintritt in ein öffentliches Amt die Advocaten-Praxis vor und zeichnete sich als Rechtsanwalt bald durch die Schärfe seines Geistes und die Gründlichkeit seiner juridischen Kenntnisse so überlegen aus, daß die Rechtsgelehrten und insbesondere die Professoren der Lemberger Hochschule nicht selten in streitigen Fällen seine Ansicht und seinen Rath einholten. Aber sein poetischer Geist fand mit der Zeit an der Prosa des praktischen Lebens immer weniger Behagen und flog nicht selten in höhere Sphären, den Begeisterten bald ganz dem Werktagstreiben des täglichen Einerlei, dessen Regelmäßigkeit ihn ermüdete, zuletzt anwiderte, entführend. Der Poet wollte Poesie, nicht Wirklichkeit. Er hatte eben vom Becher der Phantasie getrunken, dessen Feuertrank den Einen belebt, wenn er den Anderen zerstört. So wurden ihm allmälig die Dinge, welche ihn täglich umgaben, schaal, er sehnte sich, nirgends Rast und Ruhe findend, von den Zerrbildern einer immer regelloser sich gestaltenden Phantasie umgaukelt, nach Abwechslung, vernachlässigte seinen Beruf und als er gar betreff seines Vermögens in unangenehme Rechtsstreitigkeiten verwickelt wurde, verließ er Lemberg und ging zunächst auf Reisen. Welche anderen, vielleicht nicht minder mächtigen Momente sein Sinnen und Trachten sonst noch beeinflußt haben mochten, ist nie ermittelt worden. Kurz, er besuchte Deutschland, dann Paris und segelte endlich über den Canal nach London. Aber der trübe Nebel Albions legte sich schwer auf die ohnehin vom Druck der Verhältnisse belastete Seele und übte auf den ruhelosen Wanderer einen nachtheiligen Einfluß, S. raffte sich auf, verließ die Themsestadt und kehrte auf das Festland zurück. Nach einigen Umwegen erreichte er Wien, wo er einige Jahre verweilt und aufs neue seinem rechtswissenschaftlichen Berufe, wie aus einigen daselbst veröffentlichten Arbeiten zu schließen, gelebt zu haben scheint. Aber der in seinem Gleichmaß gestörte Genius fand sich nicht wieder. Schließlich gab sich Szadbej durch Selbstmord den Tod. Herausgeber suchte vergebens nach genauen Daten; doch möchte der Zeitpunkt dieser tragischen Katastrophe nicht vor Ende der Dreißiger-Jahre zu setzen sein, da eines seiner Werke noch im Jahre 1838 im Druck erschien. Sz. schrieb, und zwar in deutscher und polnischer Sprache gleich geläufig, theils Rechtswissenschaftliches, theils Poetisches, doch nur in letzterer Richtung gab er selbstständige Werke heraus. Die Titel derselben sind: „Poezyje J. Szadbeja“ (Wien 1833, Mechitaristen); – „Poezyje“ (Lemberg 1837, 8°.) eine Fortsetzung der ersten Sammlung: – „Sophonisbe. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen“ (Paris 1838, 8°.); – „Hannibals Tod. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen“ (ebd. 1838). Seine rechtswissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte er, die Inauguraldissertation zur Erlangung [128] der Doctorwürde abgerechnet, welche unter dem Titel: „De jure universo“ (Lemberg 1824) erschien, in der von Dr. Vinc. Aug. Wagner im Jahre 1843 begründeten und redigirten Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde, und zwar: „Kurze Beantwortung der Frage: Ob nach dem polnischen Rechte Erbverträge giltig geschlossen werden können?“ [1827, Bd. II, S. 83]; – „Beitrag zur Begründung der Meinung, daß die Gattin, welche mit der schriftlichen Bestätigung ihres Ehemannes über den Empfang des zugebrachten Heiratsgutes im Concurse einen Beweis machen will, auf bloßen Widerspruch des Massevertreters das Datum der Bestätigungsurkunde außerhalb derselben beweisen müsse“ [1829, Bd. I, S. 107]. Davon erschien auch eine italienische Uebersetzung in dem von Dr. L. Fortis in Venedig bei Antonelli herausgegebenen „Giornale di giurisprudenza austriaca“ [Bd. II, S. 510]; – „Ueber das Vorstellungsrecht, insofern dasselbe auf den Pflichttheil der Enkel und Urenkel bezogen wird, nach dem österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche“ [1834, Bd. I, S. 71], auch davon eine italienische Uebersetzung im oben genannten „Giornale“ [Bd. III, S. 100] und „Zwei Civilrechtsfälle“ (einer über die Löschung alter Haftungen) [1829, Bd. II, S. 199 und 1831 Bd. II, S. 53]. Auf rechtswissenschaftlichem Gebiete behandelte er ausschließlich Erbrechtsfragen, sie lagen ihm am nächsten, da er eben selbst in einen Erbschaftsproceß verwickelt war, der ihm viel Sorgen bereitete und wohl auch nicht unwesentlich zu seiner ruhelosen Stimmung beigetragen haben mag. Als Poet kam er über den Zustand der Gährung nicht hinaus, er erinnert in seinen Arbeiten manchmal an Grabbe. Aber mit unläugbarem Talent verband er reiche Phantasie, seltenen Schwung und eine nicht gewöhnliche Kraft der Sprache. In seinen bei den Mechitaristen in Wien erschienenen Dichtungen befindet sich auch die Uebersetzung eines Fragmentes von Müller’s „Schuld“.

Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine (polnische) Encyklopädie (Warschau 1866, Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXIV, S. 523.