BLKÖ:Tarnowski, Johann Felix Amor Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Tarnowski, die Grafen, Genealogie | ||
Band: 43 (1881), ab Seite: 85. (Quelle) | |||
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Johann war Starost von Kahorlicki, die Mutter Rosalie eine geborene Czacki. Schon in jungen Jahren zeigte der Sohn, der unter den Augen seines Oheims von mütterlicher Seite, des berühmten Gelehrten Thaddäus Czacki erzogen wurde, große Vorliebe für Literatur und Poesie, und Proben aus letzterer brachte er bereits damals in dem von Dmochowski redigirten „Pamiętnik Warszawski“, d. i. Warschauer Gedenkblatt. Bald aber wendete er sich ernsteren Arbeiten zu, er begann die alten Classiker zu studiren und versuchte sich in Uebersetzungen aus denselben in seine Muttersprache. Wir gedenken hierbei seiner Uebertragung der Abhandlung Cicero’s „Ueber die Freundschaft“. Dem jung Vermälten verleidete der Schmerz um mehrere frühverstorbene Kinder, sowie über den Tod seines Schwiegervaters, des Senators und Grafen Valerian Stroynowski [Bd. XL, S. 102, Nr. 4], die Heimat, und er begab sich mit seiner Familie nach Italien, wo er zwei Jahre verblieb. In dieser Zeit aber sammelte er mit großen Kosten Kunstwerke aller Art, stellte sich eine Sammlung der Meisterwerke der Malerei aus allen Schulen zusammen, dann Collectionen von Handzeichnungen, Kupferstichen, Vasen und Alterthümern. Ein großer Theil dieser Schätze wurde auf dem Transport nach seinen Besitzungen[WS 1] von den Engländern, welche sich im Kriege mit den Franzosen befanden, mit Beschlag belegt und ging verloren. Mit dem noch immer ansehnlichen Rest seiner kostbaren Erwerbungen, welcher sich gegenwärtig im Tarnowski’schen Schlosse von Dzikow befindet, heimgekehrt, begann er, dem Beispiele seines Oheims, des auch als Sammler berühmten Czacki folgend, an der Herstellung einer „Biblioteca polska“ thätig zu sein und ging dabei, wieder keine Kosten scheuend, mit solchem Eifer, solcher Sachkenntniß und solchem Geschick vor, daß er bald als einer der ersten Bibliophilen seines Volkes galt. Er spürte jeder bibliographischen Seltenheit nach, unternahm ihretwegen nicht selten Reisen und brachte in einer Reihe von Jahren mit Gold aufgewogene Bücherschätze zusammen, unter denen sich Einzelheiten befinden, die nirgend anderswo anzutreffen sind. Sein Biograph bemerkt ausdrücklich, daß es einen Sammler und Kenner der polnischen Bücherschätze, wie Tarnowski es gewesen, heutzutage gar nicht mehr gebe. Im Jahre 1806 als Beisitzer in den galizischen Centralrath berufen, wurde der Graf bei Errichtung des Herzogthums Warschau vom Könige von Sachsen zum Mitglied der Delegation ernannt, welcher die Regulirung der Grenzen zwischen Galizien und dem neucreirten Herzogthum auf Grundlage der abgeschlossenen Tractate oblag, eine Aufgabe, die er mit Eifer und Geschick zur Zufriedenheit aller daran Betheiligten löste. Als [86] Freund und Kenner der Wissenschaften allgemein bekannt, ward er von der damaligen Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde in Warschau zu ihrem wirklichen Mitgliede erwählt, und da sich dieselbe unter anderem auch die Vollendung der von Naruszewicz unbeendet hinterlassenen Geschichte Polens zur Aufgabe gestellt hatte, übertrug sie dem Grafen die Darstellung der Geschichte Polens in der königlosen Zeit nach dem Tode Sigismund Augusts, sowie der Geschichte der Regierung Heinrichs von Valois. Da er überdies als ein tüchtiger Kenner der Sprache galt, der auch mit den Erzeugnissen der Literatur auf ziemlich vertrautem Fuße stand, wurde er zugleich mit dem Grafen Ossoliński der Deputation zugewiesen, deren Aufgabe es war, die Stoffe zu bestimmen, welche in Schriftwerken dargestellt und behandelt werden sollten. Im Jahre 1813 fiel auf unseren Grafen und auf Stanislaus Zamoyski die Mission, dem in Paris weilenden Czaren Alexander die Huldigung des Landes darzubringen. Als auf Grund des Wiener Tractats das Königreich Polen wieder errichtet wurde, erfolgte Tarnowski’s Berufung zum Referendar der Stande, bald darauf zum Castellansenator, mit welchen Würden er zugleich jene eines ständigen Rathes in der Aufklärungs- und obersten Gerichtscommission verband, in allen mit gleichem Eifer, mit derselben Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit Dienste leistend. Die Muße, welche ihm seine vielseitige Beschäftigung übrig ließ, widmete er dem Studium und schriftstellerischen Arbeiten, deren einige er dann in den öffentlichen Sitzungen der Warschauer Wissenschaftsfreunde vortrug, und von denen auch etliche in den Jahrbüchern dieser Gesellschaft abgedruckt erschienen, andere dagegen handschriftlich in seinem Nachlasse aufbewahrt geblieben sind. Im Jahre 1830, bei Ausbruch jener nationalen Bewegung, welche nach langem Kampfe von den russischen Bajonneten bewältigt wurde, zog er sich von Warschau auf sein herrliches Gut Dzikow in Galizien zurück, wo er inmitten seiner gesammelten Kunst- und Bücherschätze ganz seinen Lieblingsstudien lebend, zunächst mit der „Messiade“ von Klopstock sich beschäftigte, von welcher er sieben Gesänge rhythmisch, sieben weitere nur in Prosa in seine Muttersprache übertrug. Zwölf Jahre hatte er in Dzikow zugebracht, den öffentlichen Zuständen daselbst, soweit es ihm in seinen Verhältnissen nöthig schien, seine Aufmerksamkeit und Theilnahme zuwendend, als er im Alter von 63 Jahren den Seinigen durch den Tod entrissen wurde. Von seinen im Druck erschienenen Arbeiten sind die folgenden aus den Jahrbüchern der Gesellschaft der Warschauer Wissenschaftsfreunde anzuführen: „Badania historyczne, jaki wpływ mieć mogły mniemania i literatura ludów wschodnich na ludy zachodnie, szczególnie we względzie poezyi“, d. i. Historische Untersuchungen über den Einfluß, welchen die Meinungen und die Literatur des Orients auf die Völker des Westens vornehmlich im Hinblick auf die Dichtung ausüben [Bd. XIII, aber auch im Sonderabdruck] (Warschau 1819, 8°.); – „Wspomnienia o życiu i dziełach J. M. Ossolińskiego“, d. i. Erinnerungen aus dem Leben und den Werken des J. M. Ossoliński [ebd., Bd. V]. In Handschrift hinterließ der Graf die ihm zur Bearbeitung übertragene Geschichte des Interregnums nach dem Tode des Königs Sigmund August und der [87] Regierung Heinrichs von Valois, dann die Uebersetzung der „Messiade“ von Klopstock theils in Versen, theils in Prosa, wovon einzelne Bruchstücke wenige Jahre nach seinem Ableben in dem von Ziemęcki redigirten „Pielgrzym“, d. i. Der Pilger [1845, Bd. II, S. 265] erschienen sind. – Wie schon in der Lebensskizze erwähnt ist, war der Graf Johann Felix mit Valeria, einer Tochter des Grafen Valerian Strojnowski aus dessen Ehe mit Alexandra Gräfin Tarnowski, vermält. An der Seite ihres Gatten besuchte Valeria Italien, wo derselbe Kunstschätze aller Art sammelte. Aus einem dem Andenken der Gräfin bald nach ihrem Tode (sie starb am 23. October 1849) gewidmeten Nekrologe erfahren wir ein Pröbchen von Vandalismus, mit welchem die Engländer sich den Umstand, daß Frankreich mit ihnen Krieg führte und polnische Legionen im französischen Heere dienten, zu Nutze machten, indem sie eine ganze Wagenladung kostbarster Kunstwerke, welche als Privateigenthum Tarnowski’s nach Polen gebracht werden sollten, sofort in Beschlag nahmen und nicht wieder herausgaben. Alle Reclamationen der Petersburger Regierung nach dieser Richtung blieben erfolglos. Nach langen diplomatischen Verhandlungen endlich ließ sich England dazu herbei, einen Schadenersatz von 5000 Ducaten für diesen widerrechtlichen Raub zu leisten. Die Statue des Perseus mit der Medusa von der Meisterhand Canova’s [Bd. XI, S. 258, erste Spalte, unter dem Jahre 1800], welche mit 5000 Ducaten bezahlt wurde, kam nicht nach Dzikow, wo die übrigen Kunstschätze vereint sich befinden, sondern blieb, da ihr Transport der Schwere wegen gewagt erschien, in Horochow, einem der Stroynowski’schen Güter in Wolhynien. Valeria lebte, während ihr Gatte in Warschau weilte, in Horochow, in den letzten Jahren in Dzikow. mit der Verwaltung der Güter und mit der Erziehung ihrer Kinder beschäftigt. Als dann der Graf in Folge der politischen Verhältnisse, welche den Aufenthalt in Warschau wenig erquicklich gestalteten, auf seine Güter sich zurückzog, stand ihm Valeria treu zur Seite und half ihm namentlich in seiner ausgedehnten Correspondenz. Ueberdies besaß sie das Talent des Malens, und in Dzikow werden noch heute viele Miniaturen, die aus ihrer Hand hervorgingen, aufbewahrt. Auch hatte sie in Paris das Vergolden und Malen auf Pergament gelernt, und so half sie denn ihrem Gatten bei der Restauration alter kostbarer mit Miniaturen versehener Handschriften. Auch führte sie mit Geschick die Feder, und im Besitz der Familie befinden sich ansehnliche Sammlungen ihrer mit großer Treue und ununterbrochenem Fleiße geführten Tagebücher, Beschreibungen ihrer Reisen in Italien und Frankreich, welche bei der hervorragenden Bildung der Gräfin gewiß einen reichen Schatz von Beobachtungen der Zeit, in welcher, und der Personen, mit welchen sie lebte, enthalten. Dabei war sie eine ebenso fromme als wohlthätige Dame. Auf ihren Gütern unterhielt sie beständig ein Spital für 12 Personen, welche Zahl sich immer in den Tagen des Unglücks nach jeweiligem Bedürfniß vermehrte. Eine von ihrem Vater in Horochow gegründete Armenbank unterstützte sie mit ansehnlichen Mitteln und beugte dadurch mancher Verarmung der auf ihren Gütern von Unglück Betroffenen vor. So lebte sie unter Wohlthun und in ebenso geistiger wie andächtiger [88] Beschaulichkeit, ihren Gatten um sieben Jahre überlebend, beschützt und gepflegt, von ihren Kindern, Enkeln, Freunden und allen jenen, denen sie im Leben Gutes erwiesen. Sie war eine ungewöhnliche Frau, von seltenen Geistesgaben und einer Hoheit der Gesinnung, welche ein Erbtheil ihrer Familie ist.
Tarnowski, Johann Felix Amor Graf (Geschichtsforscher und Schriftsteller, geb. zu Dzikow in Galizien im Jahre 1779, gest. ebenda am 3. Mai 1842). Sein Vater- Biblioteka Ossolińskych, d. i. Ossoliński’sche Bibliothek (Lemberg, 8°.) 1843 [enthält eine längere biographische Darstellung aus der Feder Cajetan Kozmian’s, wovon auch ein Sonderabdruck ausgegeben wurde]. – Przyjaciel ludu, d. i. Der Volksfreund, Jahr IX, Nr. 5, 6, 9, 10 und 14.
- Porträt. Unterschrift: „Jan Felix Hrabia Tarnowski“. P. Frid. Rinn S. J. 1842 (lith., 8°.). [Das Bild ist insofern interessant, als es ein Werk des in Galizien allgemein verehrten Jesuiten P. Friedrich Rinn [Bd. XXVI, S. 163] ist, der ein geschickter Zeichner war und mehrere galizische Notabilitäten seiner Zeit, in deren Häusern er viel verkehrte, abkonterfeit hat.]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Besitzngen.