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BLKÖ:Tessedik, Therese

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 44 (1882), ab Seite: 35. (Quelle)
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Tessedik, Therese (Pastorenfrau, geb. zu Szarvas in Ungarn um das Jahr 1740, gest. ebenda am 26. Juni 1791). Therese, eine Tochter des evangelischen Predigers Markovits zu Szarvas, vermälte sich mit ihres Vaters Amtsnachfolger Samuel (II.) Tessedik, dem berühmten ungarischen Humanisten des vorigen Jahrhunderts. Dieser, dessen Lebensskiz[ze] wir in dem vorangegangenen Artikel dargestellt haben, ging bei Ausführung seiner mannigfaltigen landwirthschaftlichen. und humanistischen Unternehmungen in seiner eigenen Familie mit gutem Beispiele voran, und ertheilte den nöthigen Hausunterricht seinem Gesinde, seinen Kindern, einigen Zöglingen, die bei ihm in Kost und Wohnung waren, vornehmlich aber weihte er seine für sein Gebaren ganz empfängliche erste Frau Therese und die älteste Tochter in seine Pläne ein und gewann bald an ihnen ein paar ebenso thätige als einsichtsvolle Mitarbeiterinen an der Erreichung seiner menschenveredelnden und beglückenden Zwecke. Insbesondere half ihm die Gattin Therese alle Kosten und Arbeiten tragen und durch treues Ausharren und opferwilliges Selbstvergessen die vielen Schwierigkeiten des Unternehmens überwinden. Wenn ihn seine geistlichen Obliegenheiten hinderten, den landwirthschaftlichen Verrichtungen nachzugehen, dann ertheilte Therese an seiner Stelle Unterricht und Anweisung im Pflanzen, in den verschiedenen Arbeiten beim Kleebau, bei der Bienenzucht und besonders in der Pflege der Maulbeerbäume und in der Seidengewinnung. Letzterer Industriezweig war in jener Gegend noch ganz fremd, aber mit den glücklichsten Erfolgen wurden Theresens Mühen belohnt, denn mehrere Jahre hindurch erzeugte sie die ansehnliche Menge von sieben Centnern Seide, welche sie dann auch mit ihren Kindern und ihrem Gesinde ganz verarbeitete. Um die Seidencultur gründlich zu erlernen, war sie, als Mutter von zehn Kindern, mit ihrer ältesten Tochter nach Alt-Ofen gereist und hatte sich von dem dortigen Oberdirector des Seidenbaues in der ganzen Behandlung, namentlich aber im Spinnen der Rohseide unterweisen lassen. [36] Nach ihrer Rückkehr errichtete sie eine Seidenspinnerei in ihrem eigenen Garten und betrieb dieselbe mit unendlicher Sorgfalt und dem glücklichsten Erfolge. Ein dieser Pastorenfrau gewidmeter Nachruf schildert sie als ein Wesen, das Jedem, der sie sah, Achtung und Verehrung einflößte. Patriarchalische Einfalt in den Sitten, zu einer Zeit, als diese durch um sich greifende Convenienz und Mode allenthalben zu schwinden begannen, ein durch Uebung in nützlichen Geschäften aufgeklärter Verstand, der immer das Gute und Brauchbare im Auge behielt, ein lebhafter Trieb, immer etwas Nützliches zu lernen und zu thun, ungeheuchelte auf Ehrfurcht gegründete Liebe zu ihrem Gatten machten die Grundzüge des seltenen Charakters aus, den diese Frau besaß. Ein schwerer Schlag traf sie, als ihr der Tod die älteste Tochter entriß, welche, in die Denk- und Lebensweise der Mutter ganz eingeweiht, ihr bereits eine treue und sichere Gehilfin in dem ausgedehnten Haushalte war. Zur Linderung des Schmerzes, den ihr dieser Verlust bereitete, unternahm sie – Ende Sommers 1790 – mit ihrem Gatten eine Reise durch Deutschland, auf welcher sie ihr ältester Sohn begleitete, der in einem tüchtigen Institute in der Oekonomie und Chemie die beste Ausbildung erhalten sollte. Auf diesem Ausfluge wurde ihr und ihrem Gatten von Fachmännern die Anerkennung, daß sie Beide in ihrem Vaterlande für bessere Erziehung und Landwirthschaft ohne Geräusch mehr gewirkt und geleistet hätten, als sie in den Ländern, welche sie eben bereisten, und die an glänzenden Entwürfen und Theorien einen Ueberfluß besäßen, ausgeführt finden würden. Aber nicht lange überlebte sie die mit großartigen Hoffnungen für weitere Vervollkommnung und Ausdehnung ihrer Unternehmungen angetretene Reise. Noch war kein Jahr verflossen, als sie dem Gatten durch den Tod entrissen wurde. Kaiser Joseph II., der ihre und ihres Mannes Verdienste in dem betreffs der Landescultur damals noch sehr im Argen gelegenen Ungarn in ihrer ganzen Bedeutung zu würdigen wußte, zeichnete zugleich mit ihrem Gatten auch die Pastorin mit einer goldenen, 25 Ducaten schweren Denkmünze aus, welche auf einer Seite das Brustbild des Monarchen, auf der andern das Sinnbild des von Gott gesegneten Fleißes mit der Aufschrift des kaiserlichen Wahlspruches „Virtute et exemplo“ trug und ihr feierlich durch einen königlichen Rath überreicht wurde.