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BLKÖ:Toscana, Ferdinand IV. Salvator Großherzog

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 46 (1882), ab Seite: 177. (Quelle)
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Toscana, Ferdinand IV. Salvator Großherzog von Toscana (geb. zu Florenz am 10. Juni 1835), ein Sohn des Großherzogs Leopold II. von Toscana [S. 193] aus dessen zweiter Ehe mit Maria Antonia, Tochter des Königs Franz I. von Sicilien [S. 213]. Der Tag der ersehnten Geburt des Prinzen war ein Tag des Jubels und der Freude für die treue Bevölkerung Toscanas. Um den neugeborenen Erbgroßherzog gleichsam durch einen Act des Wohlthuns ins Leben einzuführen, ließ der fromme Großherzog reichliche Almosen vertheilen und aus seinen Privatmitteln hundert arme Mädchen aussteuern. Er ordnete auch ein Volksfest an bei welchem, einer patriarchalischen Sitte gemäß, die großherzogliche Residenz allen Bevölkerungsclassen offen stand. Da aber gerade um diese Zeit in Livorno die Cholera auftrat, wurde dasselbe unterbrochen, „indem“, wie ein Bericht aus jenen Tagen lautet, „der gemeinsame Vater sich der Freude nicht hingeben mochte, wenn manche seiner Kinder trauerten“, und die Festlichkeiten fanden erst später statt. Die dem Erbgroßherzoge Ferdinand ertheilte Erziehung war der künftigen Bestimmung des Prinzen, welcher eines Tages den durch seiner Väter Weisheit mit solchem Glanz umgebenen Thron besteigen sollte, vollkommen entsprechend. In der Leitung der Erziehung folgten sich in jeder Hinsicht berühmte Männer: Marquis Cosimo Ridolfi, dessen Name Fortschritt bedeutete, Marquis Bartolini Baldelli, ein hoch angesehener Patricier, der später die Würde eines Obersthofmeisters bekleidete, dann der Director des Florentiner physikalischen Museums, Vincenz Antinori, welcher dem alten Adel seiner Familie den Ruf eines hervorragenden Gelehrten zugesellte und Italien mit der Geschichte der „Accademia del Cimento“ beschenkte. In die literarischen Studien führte den jungen Prinzen der Lehrer Agostino Giuliani, Verfasser mehrerer Unterrichtswerke, ein; die mathematischen Studien leitete der berühmte Professor Filippo Corridi, der später Director der polytechnischen Schule wurde; in der Physik und der Astronomie unterrichtete ihn der tüchtige Professor Gonnella, in den Rechtswissenschaften der gewiegte Jurist Adalbert Del Rosso, in den militärischen Studien der General Della Rocca, welcher nicht blos ein gelehrter Strategiker, sondern auch ein tapferer Soldat war. Als der Erbgroßherzog das achtzehnte Jahr erreicht hatte, wurde er vom Vater zum „Gran Conestabile“ des großherzoglich-toscanischen St. Stephansordens ernannt und zur Erlangung praktischer Verwaltungskenntnisse zu den Ministerrathssitzungen zugelassen, indeß er das Stimmrecht erst nach [178] zurückgelegtem einundzwanzigsten Jahre erhielt. Cavaliere Baldasseroni, damaliger Ministerpräsident, schreibt in seiner „Geschichte Leopolds II.“: „Vom ersten Tage an, wo der Erbgroßherzog in dem Ministerrath erschien, in den Geschäften ganz neu bescheiden, aufmerksamer und fleißiger Zuhörer der Berichte und Debatten, zeigte er immer einen ungewöhnlichen Scharfsinn, eine überaus leichte Auffassungsgabe, großen Hang zum Nachdenken. ein von Natur zum Guten neigendes Gemüth. Wer den Prinzen sah und kennen lernte, konnte sich der Erwartung hingeben, daß derselbe eines Tages, mit Gottes Willen, des Vaters und der Ahnen würdig gewesen wäre“. Zur Vervollkommnung seiner Erziehung unternahm Ferdinand auf väterlichen Befehl im Jahre 1856 eine Reise, welche ihm auch Gelegenheit bot, sich eine Lebensgefährtin zu wählen. Nachdem er die größten Höfe Europas besucht hatte, an denen er die seiner Würde entsprechende Aufnahme erfuhr und überall ein sympathisches Andenken zurückließ, erkor er sich die hochgebildete und liebenswürdige Prinzessin Anna, Tochter des Königs Johann von Sachsen, zur Braut. Die Hochzeitsfeier fand am 24. November 1856 zu Dresden statt, und so wurden zum dritten Male die Verwandtschaftsbande des königlichen Hauses von Sachsen mit dem großherzoglichen von Toscana enger verknüpft. Im folgenden Monate noch hielt das neuvermälte Paar seinen Einzug in Florenz, wo es, wie in den anderen Städten des Großherzogthums ein Gegenstand herzlichster Huldigungen war. Die Erbgroßherzogin Anna, der Liebling der großherzoglichen Familie, gewann sich bald auch die Liebe des Volkes. Am 10. Jänner 1858 gebar die Erbgroßherzogin eine Prinzessin, welche in der Taufe die Namen Maria Antoinette [siehe S. 211] erhielt. Das glückliche Ereigniß wurde von dem erlauchten Großvater durch zahlreiche Wohlthaten gefeiert. Leider waren dem erbgroßherzoglichen Ehepaare die Tage des häuslichen Glückes zu kurz bemessen, denn schon am 10. Februar 1859 starb die Prinzessin Anna in Neapel an einer Krankheit, die man mit allen Mitteln der Heilkunst vergeblich bekämpft hatte, und ließ den Gemal, die großherzogliche Familie und Alle, denen es gegönnt war, ihre seltenen Vorzüge zu bewundern, in tiefster Trauer zurück. Dieser Verlust war der erste jener Schicksalsschläge, welche das Jahr 1859 zu einem für Toscana und dessen erlauchtes Herrscherhaus so unglücklichen gestalteten! Am 27. April desselben Jahres verließ Großherzog Leopold II. sein geliebtes Toscana, um sich den beleidigenden Zumuthungen zu entziehen, mit denen der schwärzeste Verrath an ihn herantrat. Die ganze großherzogliche Familie folgte ihm, darunter der Erbgroßherzog, der mit edlem Unmuthe die ihm gemachten hinterlistigen Anträge zurückwies und erklärte, „daß er keinen Thron besteigen wolle, zu welchem der Weg über den Leib seines Vaters führe!“. Auf die am 11. Juli 1859 zu Villafranca geschlossenen Präliminarien entschied sich Leopold II., um der Revolution jeden Vorwand gegen die Rückkehr seines Hauses auf den durch dieselben in keiner Weise berührten rechtmäßigen Thron zu benehmen, am 21. Juli zur Abdankung zu Gunsten seines ältesten Sohnes, der den Titel „Großherzog Ferdinand IV.“ annahm und als solcher auch von den Fürstenhöfen anerkannt wurde. Da aber der neue Großherzog die durch den Züricher Vertrag vom 18. October 1859 reservirten Rechte [179] gegenüber der allgewaltigen Revolution nicht zur Geltung zu bringen vermochte, so faßte er den Entschluß, vorderhand in die ruhige Thätigkeit des Privatlebens sich zurückzuziehen. Mit einigen Getreuen nahm er in einer am Bodensee bei Lindau gelegenen Villa längeren Aufenthalt und übersiedelte dann nach Oesterreich, wo Seine Majestät der Kaiser dem geliebten Vetter einen Theil des kaiserlichen Residenzschlosses in Salzburg zur Verfügung stellte. Am 11. Jänner 1868 vermälte sich Großherzog Ferdinand IV. zum zweiten Male, mit Alice von Bourbon, Tochter des verstorbenen Herzogs Karl III. von Parma, einer Prinzessin, welche durch ihre Mildthätigkeit gegen die Armen und durch ihre herablassende Leutseligkeit gegen Jedermann als wahres Ebenbild ihrer seligen Mutter, der vielgepriesenen Prinzessin Louise von Bourbon gilt. Den Großherzog Ferdinand beschenkte Großherzogin Alice mit vier Söhnen und drei Töchtern (der Erzherzogin Maria Antoinette, Tochter aus seiner ersten Ehe wurde bereits gedacht). Die Kinder aus dieser zweiten Ehe sind die Söhne: Leopold Ferdinand (geb. 2. December 1868), Joseph Ferdinand (geb. 24. Mai 1872), Peter Ferdinand (geb. 12. Mal 1874), Heinrich Ferdinand (geb. 13. Februar 1878); die Töchter: Louise Antonie (geb. 2. September 1870), Anna Marie (geb. 17. October 1879), Margarethe Marie (geb. 13. October 1881), [siehe die Stammtafel] Die großherzogliche Familie verbringt den größten Theil des Jahres in Salzburg; den Sommer entweder auf der Herrschaft Schlackenwerth in Böhmen, oder in der reizend gelegenen „Villa Toscana“ bei Lindau. Dazwischen kommen häufige Reisen und Besuche bei den erlauchten Verwandten in Wien, oder bei den Königsfamilien von Sachsen und Bayern. Großherzog Ferdinand folgt den häufigen Einladungen Seiner Majestät des Kaisers zur Jagd und war auch Begleiter des Erzherzogs Kronprinzen Rudolph auf dessen Reise in den Orient. Immer auf das Wohl seiner Familie bedacht, widmet er alle seine väterliche Sorgfalt unausgesetzt deren Gedeihen. Die ausgedehnte Herrschaft Schlackenwerth kann Dank seinen erfahrungs- und kenntnißreichen Bemühungen als eine Musterdomäne gelten. Die abgebrannte Kirche zu Lichtenstadt bei Schlackenwerth hat Großherzog Ferdinand neu erbaut und jene zu Schlackenwerth ganz restaurirt. Für Schul- und patriotische Zwecke insbesondere durch Vertheilung von Schulbüchern und Lehrmitteln aller Art wirkt der Großherzog in allen jenen Gegenden, wo er entweder Besitzer oder Jagdpächter ist. Ebenso ist er ein Gönner und Förderer aller gemeinnützigen Vereine, als Feuerwehr-, Veteranen-, Schützenvereine u. s. w. Das Schlackenwerther Piaristen-Collegium, dem schon des Großherzogs Vater seine fördernde Huld zugewandt, wurde von den Piaristen selbst, obwohl der Großherzog Alles versuchte, es mit großen persönlichen Opfern der Stadt und Umgebung zu erhalten, ausgelassen. Nun es aber der Staat als eigene Stiftung anerkannt hat, dürfte es wohl gelingen, diese wohlthätige Erziehungsanstalt zum dritten Male ins Leben zu rufen, und es wird die Bevölkerung Schlackenwerths in diesem Bestreben gewiß von ihrem erlauchten Wohlthäter, dem Großherzog Ferdinand, förderlichst unterstützt werden. Einen ebenso neuen als höchst ersprießlichen Gedanken führte Großherzog Ferdinand aus in der [180] Gründung einer guten Bibliothek für sein Hauspersonal, ein Beispiel, das von Guts- und Fabriksherren Nachahmung verdient, da dessen wohlthätige Folgen, in einer Zeit, in welcher die sociale Frage alle Gemüther erregt, außer Frage stehen. Wie alle Prinzen des Hauses Toscana, so hat auch Großherzog Ferdinand, wie schon im Eingange berichtet, eine gediegene Erziehung genossen und Unterricht in den verschiedensten Disciplinen, in denen Fürsten in der Regel nicht unterwiesen zu werden pflegen, empfangen. So hörte er Monate hindurch den medicinischen Curs, um bei Besuchen von Krankenhäusern, Spitälern, Heilanstalten dieselben mit prüfendem Blick zu betrachten und ihnen auf Grund eigener Anschauung die erforderlichen Mittel und nöthige Unterstützung angedeihen zu lassen. Ein Freund der schönen Künste, wie ja die Liebe für dieselben im Hause Toscana traditionell, ist er nicht nur ein Bewunderer und Kenner schöner Gemälde, sondern zeichnet und malt selbst vorzüglich, hat auch bereits manches treffliche Bild vollendet und widmete sich längere Zeit der Photographie. Ebenso erstreckt sich sein Studium auf Architektur und Marinewesen. Die Villa Toscana bei Lindau am Bodensee hat er selber 1876 zu bauen begonnen; und seine daselbst zur Befahrung des Sees befindlichen Schiffe, die in einem besonderen für sie angelegten kleinen Hafen liegen, sind nach seinen eigenen Entwürfen gebaut und haben sich als gute Schnellsegler bewährt. In Böhmen, wie in Salzburg und überall, wo der Großherzog auch nur kurzen Aufenthalt nimmt, gewinnt er sich die Gemüther durch seine Leutseligkeit und wird wegen seiner großen Mildthätigkeit von den Armen gesegnet. Von aufrichtiger Liebe zu Oesterreich beseelt, liegt ihm doch das Wohl seines Toscana besonders am Herzen, und er hört nicht auf, bis dorthin seine großmüthigen Wohlthaten auszudehnen, so oft es sich um Linderung des Elendes, um Mitwirkung an gemeinnützigen Werken handelt. Der Besuch eines seiner Getreuen ist für den Großherzog stets ein Fest, und jeder Toscaner kehrt tief ergriffen in sein Heimatland zurück und denkt mit schmerzlicher Sehnsucht der vergangenen Zeiten! Großherzog Ferdinand IV. ist zur Zeit k. k. Generalmajor, wurde als Erbgroßherzog von Toscana im Jahre 1854 Oberstinhaber des 8. Dragoner-Regiments und nach dessen 1860 erfolgter Auflösung Oberstinhaber des neu errichteten Infanterie-Regiments Nr. 66, dem er schon vielfache Beweise besonderen Wohlwollens und warmer Fürsorge gegeben und das er sehr oft mit guten Büchern und Lehrmitteln aller Art bedenkt.

Bohemia (Prager politisches und belletristisches Blatt, 4°.) 13. August 1878, Nr. 222: „Von einem stillen Fürstenhofe. Schlackenwerth im August 1878“. – Die Heimat. Illustrirte Wochenschrift (Wien, 4°.) VI. Jahrg., 15. Heft, S. 510 u. f.: „Die Lothringer in Toscana“. – Galluzzi. Storia della Toscana. – Zobi. Storia civile della Toscana dal 1737 al 1848. – v. Reumont. Geschichte Toscanas (Gotha 1877). – Baldasseroni. Leopoldo II. ed suoi tempi. – Repetti. Compendio storico della città di Firenze. – Botta. Storia dei popoli d’Italia. – Forti. Archivio storico italiano. – Leo. Storia d’Italia. – Coppi. Annali d’Italia. [Die vorbenannten Werke dienten auch als Quellen zu den Lebensskizzen Franz I., Leopold I., Ferdinand III. und Leopold II. – Salzburger Zeitung, 1880, Nr. 211: „Förderung des Schulwesens“.]
Porträte. 1) Unterschrift: „Ferdinand IV. Großherzog von Toscana, | k. k. Oberst, | Inhaber des k. k. Linien-Infanterie-Regiments Nr. 66“. Porträt nach einer Photographie lith. von Katzler. Gedruckt bei Jos. Stoufs, [181] Wien (gr. 4°.). – 2) Unterschrift: „Ferdinand IV., | kaiserlicher Prinz und Erzherzog von Oesterreich, königlicher Prinz | von Ungarn, Böhmen etc. etc., | Großherzog von Toscana“ Katzler (lith.). K. k. Hof-Kunstdruckerei von G. Reiffenstein in Wien (gr. Fol.). – 3) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der illustrirten Wochenschrift „Die Heimat“, VI. Jahrg. (1881), S. 505 [guter und ziemlich ähnlicher Holzschnitt]. – 4) In dem Werke: „Die Orientreise des Kronprinzen Rudolph“ (Wien 1882, im Verlag bei Franz Bondy) ist auf S. 25, in der Illustration: „Empfangssalon des Miramare“ der Großherzog Ferdinand IV. neben dem Kronprinzen dargestellt.