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BLKÖ:Trembecki, Stanislaus

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Treml, Cajetan
Band: 47 (1883), ab Seite: 110. (Quelle)
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Trembecki, Stanislaus (polnischer Dichter, geb. im Krakauer Gebiete um das Jahr 1730, gest. zu Tulczyn, einer Besitzung des Grafen Potocki, am 12. December 1812). Der Sohn eines Edelmannes, verlebte er die Jugend auf den väterlichen Besitzungen, welche im Krakau’schen gelegen waren. Im Jahre 1752 besuchte er zugleich mit seinem Bruder Andreas die Krakauer Hochschule, an welcher Adalbert Mieciński als Rector fungirte. Die erste Anregung zu poetischem Schaffen soll ihm daselbst Professor Tomecki, der mit Gewandtheit lateinische Verse schrieb, gegeben haben. Nachdem er einige Jahre, im Ganzen nicht ohne Erfolg, auf der Universität zugebracht hatte, fuhr er, da er vermögend war, der Sitte seiner Zeit folgend, nach Paris, wo der junge polnische Adel sich äußeren Schliff und auch sonst manches Ueberflüssige aneignete, was dann der Mehrtheil bei seiner Heimkehr nicht eben zum Wohle des Vaterlandes anwendete. Einzelnheiten über Trembecki’s Aufenthalt in der Seinestadt sind wenig bekannt. Sein Auftreten daselbst war das eines vollendeten Dandy, der seine Zeit im Duell- und Frauensport – er soll über dreißig Duelle und Geliebte nicht zu zählen gehabt haben – verlebte. Aber in Paris lernte ihn Prinz Stanislaus Poniatowski näher kennen. Als dieser dann den polnischen Thron bestiegen hatte, erschien auch Stanislaus Trembecki auf dem königlichen Schlosse in Warschau. Der König erinnerte sich seines Pariser Genossen und ernannte ihn zu seinem Kammerherrn und ließ durch den Hofmaler Marteau Trembecki’s Miniaturporträt vollenden. Er zog den geistvollen Kammerherrn immer näher an sich, machte ihn gern zum Vertrauten [111] seiner Geheimnisse, bediente sich in besonderen Fällen, denen er eine gewisse Wichtigkeit beilegte, der Feder seines Günstlings, und so blieb dieser an der Seite Poniatowski’s bis zu den letzten Lagen des Königthums. Auf Anregung seines königlichen Freundes schrieb Trembecki auch politische Verse. Als nämlich Adalbert Turski, der berüchtigte polnische Demagog des achtzehnten Jahrhunderts, seine „Gedanken“ (Mysli, 1790) herausgab und mit denselben den Samen der französischen Revolution überall in Polen ausstreute, forderte der über dieses Beginnen nicht wenig erschreckte Stanislaus seinen Günstling auf, in einer Gegenschrift den gefährlichen Demagogen anzugreifen. Trembecki ließ das Spottgedicht: „Joannes Sarcasmus“ (Warschau 1791) erscheinen, worin er Turski und dessen revolutionäre Ideen lächerlich zu machen sucht und ihn selbst für das Narrenhaus reif bezeichnet. Als dann im Jahre 1793 auf dem Grodnoer Reichstage die Bewegung einen bedenklichen Charakter annahm, es war der unselige Reichstag, auf welchem die Abgeordneten unter dem Drucke russischer Bajonnete – denn russische Soldaten hatten das Sitzungsgebäude umstellt – die zweite Theilung Polens genehmigten, schrieb Trembecki, abermals vom Könige aufgefordert, den offenen Brief an die vom Grodnoer Reichstage heimkehrenden Landboten. Später, zur Zeit der Barer Conföderation hielt er sich, als Agent des Königs, in der Nähe der Conföderirten auf und bemühte sich, die Parteigänger desselben zusammenzuhalten. So lange Stanislaus regierte, blieb Trembecki ununterbrochen in dessen nächster Umgebung und war nicht nur der Vertraute der politischen Ideen und Ziele, sondern in nicht geringerem Maße auch der Herzensgeheimnisse Poniatowski’s. Beide, König und Günstling, liebten die Frauen und legten sich in galanten Abenteuern eben keinen Zwang an. Trembecki hatte in dieser Richtung zu Paris die hohe Schule durchgemacht und jenen unter dem Titel „galante Abenteuer“ zusammengefaßten entsittlichenden Brauch aus der Seinestadt nach Polen mitgenommen, wie denn das noch heutzutage von vielen Polen, so nach dem modernen Babel wandern, zu geschehen pflegt. In Paris hatte er sein väterliches Erbe durchgebracht und lebte nun von der Gnade und den Gunstbezeigungen Stanislaus Augusts. Zum Gegendienste schmeichelte und hofirte er dem Könige und erblickte in ihm den Retter der Nation. Als aber das Verhängniß auch über seinen Gebieter hereinbrach, blieb er ihm treu zur Seite, folgte ihm nach Grodno, dann nach St. Petersburg, und erst als Stanislaus 1798 starb, suchte er Schutz bei einem anderen, zwar nicht königlichen, aber immerhin mächtigen Gönner und Magnaten, bei dem Grafen Stanislaus Felix Potocki [Bd. XXIII, S. 168, Nr. 37], dessen patriotische Anwandlungen er auch in Versen feierte. Auf dem feenhaften, für seine geliebte Gattin Sophie mit allem nur denkbaren Zauber ausgestatteten Schlosse Tulczyn mit dem herrlichen Garten Zofijówka nahm der Graf den schmarotzenden und dichtenden Trembecki als Gast auf. Da bezog derselbe ein eigenes ihm zugewiesenes Häuschen und führte alsbald das Leben eines Sonderlings. Seine literarische Thätigkeit ist – obgleich er nicht gewöhnliche Geistesgaben und eine umfassende Bildung besaß – nichts weniger als umfangreich. Sie besteht meist aus Poesien, vorherrschend aus lyrischen. [112] Lange liefen seine Gedichte im Manuscript von Hand zu Hand, und erst spät kam eine Sammlung derselben zu Stande. So erschien vor allen seine Uebersetzung des Dramas von Voltaire „Der verlorene Sohn“ unter dem Titel: „Syn marnotrawny“ (Warschau 1780, 8°.) unter dem Pseudonym Ludwig Azarycz. Dann brachte die Zeitschrift: „Pamiętnik Warszawski“ im Jahre 1792 eine poetische Epistel, welche Trembecki an Naruszewicz gerichtet hatte, als dieser den König 1787 auf dessen Reise in die Ukraine begleitete; eine Sammlung seiner Poesien, welche seine verschiedenen Gedichte und Erzählungen, darunter die beiden Dichtungen „Powązki“ und „Polanka“, dann auch Voltaire’s fünfactige Komödie „Der verlorene Sohn“ in gereimter Uebersetzung enthält, erschien 1806 in Wilna bei Zawadzki in zwei Bänden in 12°. Eine vermehrte Ausgabe besorgte noch Bruno Kiciński, die vollständigste aber kam unter dem Titel: „Dzieła poetyczne Stanisł. Trembeckiego, nowe zupełne wydanie“ 2 tomi (Wrocławia 1828 u Wilh. Bog. Korna, 12°.) heraus, welche durch manches in Zeitschriften Abgedrucktes und Handschriftliches vermehrt ist. 1836 erschien wieder eine Gesammtausgabe seiner Werke, und zwar in Leipzig, die jüngste aber unter dem Titel: „Poezye Stanisława Trembeckiego“ (Sanok 1868, Pollak, 8°.; 348 S.) Schon hoch in Jahren stand Trembecki – man sagt, er zählte deren bereits 75 – als er sein berühmtestes Gedicht „Zofijówka“ schrieb, in welchem er seines Gönners, des Grafen Stanislaus Felix Potocki prachtvollen Garten, an den derselbe der Sage nach zehn Millionen polnische Gulden gewendet haben soll, poetisch verherrlichte. Zwei Jahre hatte er daran gearbeitet – denn er war überhaupt ein träger Arbeiter – aber in schwungvoller Weise besang er die hundert und hundert Wunder einer vollendeten Gartenkunst. Im Jahre 1812 übersetzte Trembecki selbst sein Gedicht ins Französische für einen französischen Edelmann, Namens de Messance, der eigens aus St. Petersburg gekommen war, um den Park Zofijówka zu beschreiben, aber nachdem er Trembecki’s Werk gelesen, eine Uebertragung in Versen nicht mehr auszuführen versuchte, sondern mit jener des Dichters sich begnügte. Nun sollte das Werk mit zwölf Ansichten des Gartens nach Zeichnungen von Vivien und mit dem Bildnisse Trembecki’s, dann mit einer Biographie des Besitzers des Gartens Felix Potocki und einer Geschichte der Völker der Ukraine gedruckt werden. Aber die kriegerischen Ereignisse, welche zu jener Zeit Rußland heimsuchten, vereitelten den ganzen Plan, und erst drei Jahre später erschien das Gedicht: „O pisánie Zofijówki, poema przez Stan. Trembeckiego“ (Wien, 4°.) und zugleich die französische Uebersetzung: „Sophiowka, poëme polonais, trad. en vers français par le Comte Lagarde“ (Vienne 1815, impr. de Strauss, 4°., c. 5 fig. au bistre, 84 Francs) in prächtiger Ausstattung. Alle auf dem Congresse versammelten Potentaten und Fürstlichkeiten pränumerirten auf dieses Prachtwerk. Im Jahre 1830 wurde von Hippolyt Klimaszewski eine Auswahl der Dichtungen Trembecki’s veranstaltet und in einem Bande in Wilna herausgegeben. Die „Carmina obscoena“ des Poeten, worin er das eigentlich Beste geleistet haben soll, cursiren in Handschrift und werden in gewissen [113] Kreisen länger sich erhalten als seine anderen Dichtungen. Mit Vorstehendem wäre die literarische Thätigkeit Trembecki’s und die Uebersicht der Ausgaben seiner Schriften erschöpft. Oben bemerkten wir, daß er ein Sonderling gewesen sei, und so kehren wir denn noch einmal zu Trembecki dem Menschen und Poeten zurück. So lange er am Hofe seines Königs und später als er bei dem Grafen Potocki in Tulczyn lebte, blieb er sich in seinen Gewohnheiten gleich. Vor Allem war er ein leidenschaftlicher Kartenspieler, und alle Abend erschien er im Salon, wo er bald Jemanden traf, mit dem er seine Partie machen konnte. Fand er Niemanden, dann suchte er einen Schachspieler; im Schachspiele war er so fest, daß er seinen Gegner immer schlug, ausgenommen, wenn er mit einer Dame spielte, welcher gegenüber er stets verlor; er war das vollendete Ebenbild eines französischen Galan aus der alten Schule und blieb diesen Sitten bis in sein hohes Alter treu. Als er 50 Jahre alt war, erkrankte er schwer; von den Aerzten aufgegeben, erhielt er sich durch die peinlichste Diät das Leben, so trank er nunmehr nur Wasser und Milch und sehr viel Kaffee; seine gewöhnlichen Speisen waren das Dotter vom Ei, Obst und Gemüse, doch von letzterem kein blähendes. So, er sprach es oft aus, würde er es bis über 140 Jahre bringen. Nun, so alt wurde er wohl nicht, aber immerhin brachte er es bis zu 82 Jahren. Kurz vor seinem Tode verlor er fast ganz das Gedächtniß, so daß, als man ihm die Ausgabe seiner Gedichte aus dem Jahre 1806 zeigte, er sich auf seine eigenen Arbeiten nicht mehr besann. In seinen vorgerückteren Jahren arbeitete er nichts, theils konnte, theils wollte er es nicht, wie er denn sein Leben lang träge war. In der schönen Jahreszeit hatte er immer die Fenster offen und voller Spatzen. Die Zahl dieser seiner Lieblinge, die herbeiflatterten, ging über die Zweihundert, es war eine ganze Generation, welche er nach und nach aufgezogen, er kannte jeden einzelnen Vogel, sowie dessen Alter und Eltern. In seinem Zimmer lag der Vogelmist auf Tischen und Stühlen, auf Schränken und an den Wänden. Dreißig Jahre lang hatte er kein Fleisch gegessen und keinen Wein getrunken, erst ein Jahr vor seinem Tode, da er doch Kraft brauchte, änderte er einigermaßen seine Lebensweise. Dieser seiner Gewohnheiten wegen wurde er auch von König Stanislaus gewöhnlich „Pythagoras“ genannt. Als derselbe im Februar 1797 aus Wilna nach St. Petersburg reiste, war seine erste Frage bei der Ankunft: „Wo steckt unser Pythagoras, ist er schon dagewesen?“ Die Polizei suchte in der ganzen großen Stadt nach einem Manne dieses Namens, der ihrer Meinung nach zum königlichen Gefolge gehörte. Natürlich war alle Mühe vergebens, bis die Sache sich aufklärte. Was Trembecki’s geistige Veranlagung betrifft, so wer dieselbe nicht gering; außer seinem poetischen Talente, womit er viele seiner Zeitgenossen erfreute, besaß er tüchtige Kenntnisse und war namentlich in der vaterländischen Geschichte gründlich unterrichtet. Naruszewicz, der berühmte Historiker Polens, welcher den Dichter und dessen Geschichtskenntniß kannte, drang in ihn, eine Periode der Geschichte Polens, zum Beispiel jene der Jagielloniden, vornehmlich aber die Zeit der Regierung Sigmunds I. zu bearbeiten. Mündlich und zweimal brieflich forderte er ihn auf, eine so wichtige Arbeit zu unternehmen, und aus beiden Briefen ist [114] auch zu vermuthen, daß sich Trembecki mit geschichtlichen Arbeiten beschäftigte. In einem Gespräche mit seinem Gönner, dem Grafen Potocki, hatte er auch die Bemerkung fallen lassen, daß man unter seinem Nachlasse eine Geschichte Polens, von ihrem Anbeginne bis auf seine Zeiten hinauf, finden werde. Nach seinem Tode ging auch die Rede, daß er der Gräfin Manuscripte übergeben habe, aber bald klärte sich die Grundlosigkeit dieser Gerüchte auf: man fand nichts als Spatzenmist in seinem Nachlasse vor. Bezüglich der Dichtungen Trembecki’s ist zu erinnern, daß man in die Sammlung derselben das Gedicht „Do Mariańskiego Kowala“ ausgenommen hat. Dasselbe ist auch ganz im Geiste und in der Weise der Dichtungen Trembecki’s geschrieben und reiht sich den schönsten poetischen Schöpfungen der Polen an. Aber Trembecki ist nicht der Verfasser dieses Gedichtes, als welcher sich später der Vice-Marschall von Nowogrod Michael Mackiewicz herausgestellt hat. Gewiß zählt Trembecki zu den begabtesten polnischen Poeten, aber er war noch mehr Schmeichler als Poet, er war zuerst Höfling und nach diesem erst erschien der Dichter, so daß man über seine Poesien nicht recht froh werden kann, da sie vorherrschend Höflingsduft athmen.

Quellen. Biblioteka Ossolińskich i t. a, d. i. Ossolińskische Bibliothek (Lemberg, 8°.) tom. VIII (1866). Literarischer Essai von Lucián Siemiński [eine ungemein geistvolle kritische Studie des Dichters und seiner Schriften]. – Chodynicki (Ignacy Ks.). Dykcyonarz uczonych Polaków zawierający krótkie rysy ich życia i t. d., d. i. Lexikon der gelehrten Polen, enthaltend ihre kurzen Lebensbeschreibungen... (Lemberg 1833, Milikowski, 8°.) Bd. III, S. 249–254. – Encyklopedyja powszechna, d. i. Allgemeine Encyklopädie (Warschau 1867, Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXV, S. 524. – Nehring (Władisław). Kurs Literatury polskiej, d. i. Lehrcurs der polnischen Literatur (Posen 1866, J. E. Zupański, gr. 8°.) S. 61. – Rycharski (Łucyan Tomasz). Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Polnische Literatur in historisch-kritischem Abriß (Krakau 1868, J. M. Himmelblau, gr. 8°.) Bd. II, S. 35 und 36 [und auch sonst noch an mehreren Stellen seines Werkes]. – Woycicki (K. Wl.). Historyja literatury polskiej w zarysach, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1845, G. Sennewald, gr. 8°.) Bd. III, S. 268 u. f.
Porträt. Unterschrift: „Stanisław Trembecki“. Ca. Brand (del.). Steindruck von R. Weber (8°.).