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BLKÖ:Tunner, Peter Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tunner, Marie
Band: 48 (1883), ab Seite: 124. (Quelle)
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Tunner, Peter Ritter von (k. k. Hofrath und emeritirter Director der k. k. Bergakademie in Leoben, geb. zu Untergraden bei Köflach am 10. Mai 1809). Der Sohn eines Gewerkes, welcher das noch heute unter dem Namen „Tunnerhammer“ bekannte, im Besitze der Vordernberg-Köflacher Montan-Industrie-Gesellschaft befindliche Hammerwerk mit einem gegenwärtig kaum mehr als Ruine kenntlichen Eisenhochofen in Salla, einer im Köflacher Decanat gelegenen Ortschaft, besaß, vollendete er seine technischen Studien 1831 am Wiener Polytechnicum. Unter der Leitung seines Vaters,[WS 1] der mittlerweile als Verwalter des Eisenhochofens in Turrach in fürstlich Schwarzenberg’sche Dienste übergetreten war, eignete er sich bald eine werthvolle Praxis an und wurde dann selbst Verweser des Hammerwerkes Katsch bei Murau in fürstlich Schwarzenberg’schen Diensten. Gleich in den ersten Jahren gelang es ihm, in diesem relativ beschränkten Wirkungskreise solche Erfolge zu erreichen, daß Erzherzog Johann auf den jungen Mann aufmerksam wurde, und als bald darauf eine montanistische Fachschule am Joanneum zu Gratz ins Leben trat, erhielt Peter Tunner auch wirklich am 21. März 1835 von den steiermärkischen Ständen die Professur der Berg- und Hüttenbaukunde an derselben. Um den ebenso strebsamen als in seinem Fache tüchtigen jungen Professor in seinem Berufe zu fördern, gestatteten ihm die Stände einen mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland, Schweden, England, Belgien, in der Schweiz und in Italien, damit er sich über das Montan- und Hüttenwesen genannter Länder an Ort und Stelle durch [128] den Augenschein unterrichte. Indessen wurde der Beschluß gefaßt, die Fachschule nach Vordernberg in die unmittelbare Nähe der obersteirischen Haupteisenwerke zu übertragen, und als daselbst das Lehranstaltsgebäude errichtet war, eröffnete Tunner im November 1840 seine Vorlesungen über Bergbau und Hüttenkunde. Er besaß die ungemein glückliche Gabe, aus dem reichen Schatze seines durch gründliche Studien, tüchtige Praxis und aus den Anschauungen auf Reisen gewonnenen Wissens das Beste und Brauchbarste seinen Schülern in klarer, allgemein verständlicher Weise mitzutheilen. Bei seiner Beharrlichkeit, verbunden mit regstem Fleiße und dem Streben, dem vorgesteckten Ziele möglichst nahe zu rücken, dann bei dem stetigen engsten Verkehr mit jedem Einzelnen seiner Schüler, erwarben diese in der verhältnißmäßig kurzen Frist eines zweijährigen Curses einen solchen Grad von besonders praktischer Ausbildung im Bergbaue und Eisenhüttenwesen, daß die steiermärkisch-ständische montanistische Lehranstalt zu Vordernberg nach wenigen Jahren einen weitverbreiteten Ruf als Schule des Eisenhüttenwesens gewann und ihr Schüler aus allen Theilen des In- und Auslandes zuströmten. Tunner selbst aber begründete durch seinen regen Verkehr mit den montanistischen Autoritäten Oesterreichs, Deutschlands, Schwedens und Englands und durch seine schriftstellerischen Leistungen im Gebiete seines Wissenszweiges immer fester seinen Ruf als ausgezeichneter Fachmann. Als die politisch-nationalen Wirren des Jahres 1848 das Verbleiben der deutsch-österreichischen Studenten an der Bergakademie zu Schemnitz in Ungarn unmöglich machten, benützte die Regierung die bestehende steirisch-ständische Lehranstalt zu Vordernberg als provisorische Staatsakademie. Der äußerst günstige Erfolg dieses Provisoriums, sowie der immer schärfer hervortretende Gegensatz der cis- und transleithanischen Zustände bewogen dann die Staatsverwaltung zur bleibenden Umbildung der Vordernberger bisher ständischen Lehranstalt in ein Staatsinstitut. Dieses wurde in Folge der Verhandlungen mit den steirischen Ständen als k. k. Montan-Lehranstalt in Leoben an der Mur gegründet und am 3. März 1849 Tunner zum Director derselben ernannt. Ueber ein Vierteljahrhundert, bis über die Mitte der Siebenziger-Jahre bekleidete er diese Stelle, in der Zwischenzeit, und zwar am 15. November 1858 zum Sectionsrathe, am 3. März 1864 zum Titular-, am 3. April 1871 zum wirklichen k. k. Ministerialrathe ernannt. Was nun seine Lehrthätigkeit anbelangt, so geben mehrere Hundert Schüler, welche über das In- und Ausland als Werksbesitzer, Directoren, Ingenieure u. s. w. zerstreut, selbst schon mitunter hohe Stellungen und Ruf sich erworben haben, Zeugniß von seiner einfluß- und erfolgreichen Thätigkeit. Aber er beschränkte sich nicht auf diese allein, er nahm fortwährend den regsten Antheil an der praktischen Durchführung aller Neuerungen und Verbesserungen im Montanwesen überhaupt, namentlich aber in der Eisen- und Stahlindustrie, und an jedem epochemachenden Fortschritte war er als Vertheidiger, Rathgeber u. s. w. stets in hervorragender Weise betheiligt. Besondere Verdienste erwarb er sich um die Stahlfabrication. Im Jahre 1846 gab er die erste publicistische Anregung zur Bereitung von Glühstahl aus Roheisen, und ihm ist die 1854 erfolgte praktische Durchführung dieses Verfahrens zu danken, welche auf die Entkohlung [129] des Roheisens durch anhaltendes Glühen mit Sauerstoff abgebenden Körpern basirt ist. Im Jahre 1853 rief er zu Eibiswald und Neuberg die Puddelstahlfabrication mit durchgreifendem Erfolge ins Leben. Das Bessemer-Verfahren, nach dessen Erfinder so benannt, brachte zuerst Tunner, und zwar im Jahre 1863, auf dem fürstlich Schwarzenberg’schen Werke zu Turrach in Anwendung. Nicht nur die österreichische Regierung und inländische Gesellschaften und Werkbesitzer, sondern auch das Ausland holte häufig von Tunner Gutachten und Beurtheilungen ein und machte davon Gebrauch. Von 1867 bis 1871 saß er durch das Vertrauen der Wähler des Stadtwahlbezirkes Leoben als Abgeordneter der Städte und Industrialorte Leoben, Vordernberg, Eisenerz und Trofaiach in dem steirischen Landtage, von welchem er am 10. April 1867 in das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes entsendet wurde, wo er immer als fester Anhänger der verfassungsfreundlichen Partei wirkte. Als es sich darum handelte, den Eisenerzer Erzberg nicht in ausländische Hände gerathen zu lassen, war die Bildung der Actiengesellschaft „Innerberger Hauptgewerkschaft“ wesentlich seinen Bemühungen mit zu verdanken. Die Leobener Bergschule für Heranbildung von Hutleuten und Aufsehern aus dem Arbeiterstande, welche sich seit ihrer Gründung 1869 in anerkennendster Weise bewährte, wurde wesentlich nur durch ihn bei der Regierung und den einzelnen Gewerken zuwege gebracht. Werfen wir noch einen Blick auf Tunner’s wissenschaftliche Thätigkeit, so begegnet er uns in Fachblättern oft mit Abhandlungen aus seiner Feder. Von seinen selbständig im Druck erschienenen Werken nennen wir: „Bericht über jene Gegenstände der Londoner Welt-Industrie-Ausstellung von 1862, die den metallurgischen Processen angehören. Nebst einer kritischen Beleuchtung der betreffenden Processe und der dabei benützten Materialien, Apparate und Maschinen“ (Wien 1863, Tendler und Comp., gr. 8°., mit in den Text gedruckten Holzschnitten und zinkogr. Tafeln in Fol., V u. 136 S.); auch im zwölften Bande der neuen Folge seines „Berg- und hüttenmännischen Jahrbuchs; – „Die Walzencaliberirung für die Eisenfabrikation“ (Leipzig 1867, Felix, gr. 8°., XII und 94 S., mit in den Text gedruckten Holzschnitten und 10 Steintafeln in Fol.); – „Die Zukunft des österreichischen Eisenwesens, insbesondere der Roheisenerzeugung“ (Wien 1869, Faesy und Frick, gr. 8°., III und 48 S.); – „Ueber die Eisenindustrie Russlands. Bericht an Se. Hohe Exc. den Herrn Finanzminister von Reutern über eine im Sommer 1870 im Auftrage der kaiserlich russischen Regierung ausgeführte Reise nach dem Ural und Südrussland“ (St. Petersburg 1871, Ricker, gr. 8°., 46 S.); – „Russlands Montan-Industrie, insbesondere dessen Eisenwesen. Beleuchtet nach der Industrie-Ausstellung zu St. Petersburg und einer Bereisung der vorzüglichsten Hüttenwerke des Urals im Jahre 1870“, mit fünf lith. Tafeln in gr. Fol. (Leipzig 1871, Felix, gr. 8°., VII und 207 S.). 1850 gab er auch das „Jahrbuch der steiermärkisch ständischen Montan-Lehranstalt zu Vordernberg“ heraus, von welchem die späteren Jahrgänge unter dem Titel: „Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch der k. k. montanistischen Lehranstalt zu Leoben“ (Wien, bei Tendler, gr. 8°.) erschienen. Er führte dasselbe bis zum neunten Bande (inclusive) [1860] fort, worauf es als „Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch der k. k. Montan-Lehranstalten zu Leoben und Przibram und der k. k. Bergakademie zu Schemnitz“ unter der Redaction von Joh. Grimm [130] fortgesetzt wurde. Auch in den „Jahrbüchern der k. k. geologischen Reichs-Anstalt“ ist Tunner durch mehrere Mittheilungen vertreten, diese sind: „Dachschiefer von Turrach“ [Bd. IX, S. 228]; – „Eisenstein-Lagerstätten der alpinen Grauwacke“ [Bd. V, S. 383, Anmerkung]; – „Erzlagerstätte zu Paak“ [Bd. VIII, S. 439]; – „Kieslager an der Zinkwand“ [Bd. IV, S. 465]; – „Neuberger Puddlingstahl und Tyres“ [Bd. III, a, S. 201]; – „Bericht über den montanistisch-metallurgischen Theil der Pariser Ausstellung“ [Bd. VII, S. 198 und 364]; – „Pflanzenschiefer und Anthracit der Stang-Alpe“ [Bd. IX, S. 214]. Ungemein schätzbare Mittheilungen aus seiner Feder enthalten noch die verschiedenen Ausstellungsberichte, so der von Dr. Jonák herausgegebene „Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris 1855“ im ersten Bande, S. 8 u. f.; „Ueber Markscheiderische Karten, Pläne und Modelle“, S. 98–155: „Ueber Roh- und Stabeisen und Stahl“, S. 155 bis 176: „Ueber gemeine Metalle außer Eisen, und edle Metalle“, und der daselbst mitgetheilte Bericht über Bergbaubetrieb, Schürfarbeiten, Bohrverfahren, Hauerarbeiten, Abbau, Wasser- und Wetterführung (S. 13–68) von Fr. Schmitt ist nach Materialien von Rittinger und Tunner gearbeitet; dann schrieb Letzterer in Dr. J. Arenstein’s „Oesterreichischem Bericht über die internationale Ausstellung in London 1862“ den Abschnitt (S. 17 bis 67) über Rohmaterialien des Hüttenwesens. So hervorragende Leistungen brachten Tunner auch mannigfache Auszeichnungen und Ehren. Seine Majestät der Kaiser verlieh ihm 1861 den Orden der eisernen Krone dritter Classe und 1874 das Comthurkreuz des Franz Joseph-Ordens, ebenso schmückten ihn Sachsen, Schweden, Württemberg, Rußland, Preußen, Bayern, und zwar letztere drei zu wiederholten Malen, mit ihren Decorationen; auf allen Industrie- und Weltausstellungen, von jener zu Wien 1845 angefangen, dann 1851 und 1862 in London, 1854 in München, 1855 und 1867 in Paris, 1873 in Wien, war er eines der einflußreichsten und thätigsten Mitglieder der Jury, und ein nicht geringer Theil der Anerkennung, welche die österreichische Industrie bei diesen Gelegenheiten errang, ist seinem entschiedenen Eintreten für dieselbe zu verdanken. Viele Vereine und gelehrten Gesellschaften des In- und Auslandes sendeten ihm ihre Diplome zu, und die Stadt Leoben in Steiermark wählte ihn zu ihrem Ehrenbürger.

Exner (Willi. Franz Dr.). Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Wien 1873, 8°.). Erste Reihe: „Rohproducte und Industrie“, S. 14 und 368.

Anmerkungen (Wikisource)