BLKÖ:Vécsey von Hajnácskeő, Karl Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 50 (1884), ab Seite: 47. (Quelle)
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Vécsey von Hajnácskeő, Karl Graf (ungarischer Rebellengeneral, geb. in Pesth 1809, hingerichtet zu Arad am 6. October 1849). Der älteste Sohn des Grafen August Vécsey aus dessen Ehe mit Amalie Colson, widmete er sich gleich seinem Vater und Großvater, welche Beide die höchste militärische Auszeichnung, den Maria Theresien-Orden, erkämpften, dem Waffendienste in der k. k. Armee. Er trat in ein heimisches Huszaren-Regiment, wurde 1843 bereits zweitältester Rittmeister bei Erzherzog Joseph Palatin-Huszaren Nr. 2 und rückte in demselben 1845 zum Major auf. Bei Ausbruch der Bewegung im Jahre 1848 ging er zur Rebellenarmee über, in welcher er, wie Levitschnigg berichtet: „die Rolle des Städteeroberers, jedoch ohne sonderlichen Erfolg und Applaus, übernahm“. Die Festung Arad, deren im Ganzen aus 500 Mann und 40 Geschützen bestehende Besatzung der Feldmarschall-Lieutenant Berger befehligte, hielt sich lange gegen die Insurgenten. Schon am 6. October 1848 hatten die Feindseligkeiten begonnen. Im December gelang es dem k. k. Generalmajor Leiningen das bedeutende Bloquadecorps der Rebellen auf das rechte Marosufer zu werfen und die Festung, in welcher bereits Mangel an Lebensmitteln so fühlbar war, daß Pferde geschlachtet werden mußten, auf ein halbes Jahr mit Lebensmitteln und Munition und mit etlichen dreißig- und sechsunddreißigpfündigen Mörsern zu versehen. Aber schon Ende December mußte Leiningen nach Temesvár sich zurückziehen. Von General Vetter übernahm Vécsey die Leitung der Belagerungsarbeiten. Seit 22. März sammelten sich die feindlichen Massen, welche die Festung einschlossen, in erschreckender Weise. Schon zählte das Belagerungscorps 30.000 Mann mit 100 Geschützen. Vierzehn Tage lang ließ Vécsey aus 18 Batterien die Festung beschießen, und zu gleicher Zeit wurde der Bau der Parallele gefördert. 10.000 Schüsse waren gefallen!! Da sich die fünfhundert Mann in Arad so bewunderungswürdig hielten, beschloß Vécsey, die Festung zu bloquiren. Mehrere Aufforderungen an die Besatzung, sich zu ergeben, wurden abgelehnt. Man hoffte immer noch auf Entsatz. Als aber dieser immer nicht kam, als der Festungscommandant durch ausgesandte Officiere in Erfahrung brachte, daß Temesvár von den Insurgenten cernirt, das ganze Banat, Szegedin, Ofen und Pesth in die Hände der Rebellen gefallen sei, und als auch die Lebensmittel in der Festung ausgingen, knüpfte er am 24. Juni mit dem Feinde Unterhandlungen an, welche am 28. durch Kriegsrathsbeschluß zu einer ehrenvollen [48] Capitulation führten. Am 1. Juli fand der Ausmarsch der Besatzung statt. Weniger glatt gingen die Dinge in Siebenbürgen ab, wo General Bem, welcher durch einen Handstreich Hermannstadt genommen hatte, nur das Heranrücken des von Vécsey commandirten Armeecorps erwartete, um seine Gegner ganz aus dem Lande zu vertreiben. Aber dem kaiserlichen General Leiningen, welcher aus der Festung Temesvár debouchirte, um die Vereinigung der unter Vécsey aus Arad kommenden Verstärkung mit dem Heere Bem’s zu vereiteln, gelang nicht nur dieses Manöver, sondern er warf auch letzteren General in mehreren Gefechten siegreich zurück. Bem aber sandte nun dem General Vécsey Befehl, aufzubrechen und den Kaiserlichen in den Rücken zu fallen, Und so würde denn General Leiningen in eine strategische Mausfalle gerathen sein, wenn dieser Plan nicht in höchst eigenthümlicher Weise vereitelt worden wäre. Vécsey antwortete nämlich dem Courier des polnischen Rebellengenerals ganz trocken: Bem habe ihm nicht ein Jota zu befehlen, und verblieb in seiner Stellung. Letzterer, außer sich über diese Insubordination, erklärte Vécsey schwarz auf Weiß gedruckt für einen Verräther und Dummkopf. Kossuth hatte dann nicht geringe Mühe, die streitenden Generäle auszusöhnen. Endlich aber brachte die „Pesther Zeitung“ folgende Erklärung: „In der Nummer 104 des in Klausenburg erscheinenden „Honvéd“ ist ein Brief von mir an den Gouverneur Präsidenten Ungarns abgedruckt, durch dessen Inhalt General Graf Vécsey sich verunglimpft glaubt. Ich erkläre hiemit, daß die dort ausgesprochene Beschuldigung auf einem Mißverständniß beruht, folglich als nicht geschehen zu betrachten ist. Hauptquartier Alt-Orsova am 16. Mai 1849. General Bem“. Und um dieser Erklärung von Seite der damaligen Revolutionsregierung noch mehr Nachdruck zu geben, wurde von der Debrecziner Junta nachstehendes Decret erlassen: „Der General und Commandant Karl Vécsey hat als Zeichen der Anerkennung seiner Mitwirksamkeit bei der Erstürmung Szolnoks und seiner durch Einnahme der Fabrikstadt der Festung Temesvár um die ungarische Nation erworbenen Meriten den Militär-Tapferkeitsorden zweiter Classe erhalten. Gegeben Debreczin 28. Mai. Ludwig Kossuth m. p. In Abwesenheit des Kriegsministers Kasimir Graf Batthyány m. p.“ Vor Temesvár hatte nämlich Vécsey sein Bombardirungsmanöver wiederholt, entgegen dem Rathe, den ihm Bem, jede weitere Feindseligkeit vergessend, mit den Worten ans Herz legte: „Wenn ich vor Temesvár läge, würde ich keinen Schuß abfeuern, sondern einfach cerniren. Das Fieber wäre mein bester Alliirter in der Festung“. Und so war es auch in der That. Die 8000 Mann starke Besatzung sank hauptsächlich durch Krankheit unter ein Viertheil herab. Aber Vécsey verstand es besser und beschoß die Festung, was seine Kanonen krachen konnten. Dabei gebrauchte man nicht immer nur Kanonen, sondern goß auch aus herbeigeschleppten Glocken weittreibende Mörser. Die Besatzung machte zwar die waghalsigsten Ausfälle, aber einem Erfolge derselben setzten die Uebermacht der Belagerer und die Menge ihrer Feuerschlünde unübersteigbare Dämme entgegen, auch kostete jeder Ausfall mehreren der bravsten und tapfersten Officiere das Leben. Indessen ging es im Lager der Belagerer hoch und lustig her. Man fand daselbst, wie unsere [49] glaubwürdige Quelle schreibt, Belustigungen aller Art, wie Billardstuben, Tanzboden, der Himmel hing für die Belagerer immer – voller Geigen. Aber der Obercommandant General Graf Vécsey war seiner Stelle nicht gewachsen und höchstens befähigt, als Major eine Huszarendivision zu tummeln. Die Erfolge der Rebellen ließen allmälig nach, und die Entmuthigung begann zu steigen. Auch Vécsey’s Belagerungsarmee wurde davon ergriffen. Am 19. August fielen in einem Thale nördlich von Tóth-Várad 72 Geschütze Vécsey’s, welche nicht weiter gebracht werden konnten, zugleich mit hundert Bagagewagen den Kaiserlichen in die Hände. Nach Auflösung seines Corps suchte der Commandant sein Heil in rascher Flucht, er ward aber ergriffen, und man machte ihm als Hochverräther den Proceß. Das Urtheil lautete auf Tod durch den Strang. Am 6. October 1849 wurden in Arad dreizehn Generale und Stabsofficiere der Rebellen hingerichtet, vier durch Pulver und Blei, die anderen durch den Strang, und Vécsey, der Zerstörer Temesvárs, hatte die Qual zu erdulden, daß er der Letzte von Allen, die Anderen vor seinen Augen hinrichten sehen mußte.

Levitschnigg (Heinrich Ritter von). Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth, 1850, Heckenast, 8°.) Bd. I, S. 94. – Schlesinger (Max). Aus Ungarn (Berlin 1850, Franz Duncker. 8°.). Zweite Auflage. S. 450. – Honvéd-Album (Pesth) 1868, in der Beilage. – Vén Honvéd Naptár, d. i. Alt-Honvéd-Kalender (Pesth) 1869, S. 19.