BLKÖ:Vorwort (Band 49)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 49 (1884), ab Seite: III. (Quelle) | |||
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Die Schwierigkeiten, welche sich mir bei Bearbeitung der Biographien in den Buchstaben U und V entgegenstellen, veranlassen mich für die Benützer meines Werkes zu einigen Bemerkungen. Die Willkür, mit welcher bei der Schreibung von Namen vorgegangen wird, ist eine heillose, theilweise auf den Launen grammatikalischer Puristen, theilweise auf einem althergebrachten, durch Nichts gerechtfertigten Brauche beruhend. Einige Beispiele mögen das Gesagte erläutern. So findet man den Namen Vaněk in folgenden Schreibungen: Vaniek, Vanjek, Wanek, Waniek, Wanjek. Wenn dies bei verschiedenen Trägern desselben der Fall wäre, so müßte man es eben als Schreibebrauch gelten lassen, dabei hat es aber durchaus nicht sein Bewenden: vielmehr erscheint Ein Träger dieses Namens öfter in allen Schreibungen. Ein Gleiches kommt bei Varga, Várady, Vávra, Vay, Veit, Verner, Veselý, Vivenot, Vocel, Volný, Vrabec, Vukassovich u. s. w. vor. Der grammatikalische Purismus der Čechen hat zum Beispiel mit einem Male bei allen Namen, die bis zu Anfang dieses Jahrhunderts und noch im ersten Viertel desselben mit W anlauteten, dafür das V einzuführen begonnen, so daß die Namen fremder Nationen, etwa die deutschen mit W geschriebenen, wie Wiesbaden, Wismar, Wurm, Wurzach, sich in der Schreibweise Visbaden, Vismar, Vurm, Vurzach ganz sonderbar ausnehmen; ja wir finden sogar Weyr zu Vejr entstellt!
[IV] Nun aber, die Dinge stehen so und lassen sich nicht ändern, man muß mit den Thatsachen rechnen oder, wie ich bei dem vorliegenden Falle in meinem Lexikon, auf einen Ausweg sinnen, wie mit Berücksichtigung aller dieser Uebel- und Umstände die Benützung des Lexikons gefördert, d. h. das Auffinden des Namens nur immer ermöglicht werden könne. Der vorerwähnte Uebelstand hat sich schon manchen Lexikographen sehr fühlbar gemacht, und Einer und der Andere versuchte es, sich dadurch zu helfen, daß er die Buchstaben U und V und dann wieder V und W zusammenfaßte, wie es Dlabacz in seinem „Allgemeinen historischen Künstler-Lexikon für Böhmen“, wie es Zedler in seinem „Universal-Lexikon “ gethan. Nun, dieses Radicalmittel erscheint mir geradezu als monströs, und das Suchen eines Namens auf U und V bei Zedler bringt Einen zur gelinden Verzweiflung.
Ich zog es vor, einen in der Politik heutzutage häufig gewählten Ausweg, nämlich jenen des beliebten oder sagen wir lieber berüchtigten „Von Fall zu Fall“ einzuschlagen, welcher aber für Benützer des Lexikons alle jene Schrecken verliert, die er für Diplomaten oft genug haben mag. Ich zog es vor, von jeder bestimmten Regel abzusehen und mich „von Fall zu Fall“ zu entscheiden, dabei aber vor Allem die übliche Aussprache eines Namens und die alphabetische Folge der Taufnamen im Auge zu behalten und zugleich immer an jener Schreibung des Namens selbst festzuhalten, welche die übliche. Verschiedene Rückweise vervollständigen diese Einrichtung, so daß das Auffinden des gesuchten Namens unter allen Bedingungen sehr erleichtert ist und derselbe, wenn er im Lexikon vorkommt, gewiß baldigst gefunden wird.
In der Vorrede eines früheren Bandes erhob ich Einwand gegen die Benützung meines Lexikons ohne Angabe der Quelle. Mir wurden nun von den Weisen der Literatur in dieser Beziehung verschiedene Bescheide zutheil, unter anderen auch der: daß mein Lexikon nichts Anderes sei als ein Conversationslexikon, welches man denn [V] doch nicht bei jeder Benützung zu citiren pflege. Diese Einwendung und der Vergleich meines Werkes mit einem Conversationslexikon erscheinen mir doch zu drollig, als daß ich darüber weitere Worte verlieren sollte. Auch hat man nun den Spieß umgekehrt und citirt mein Lexikon mehr als mir lieb ist, da es in ganz eigenthümlicher Weise geschieht. Ein Fall für viele. Jüngst starb der Ballettänzer Paul Taglioni. Alle Zeitungen brachten seinen Nekrolog. An einer Stelle desselben nun, nachdem ein großer Theil der Biographie erzählt worden, heißt es dann wörtlich: „Wie Wurzbach’s „„Biographisches Lexikon““ berichtet, wurde dem berühmten Choreographen vom Kaiser von Oesterreich der Franz Joseph-Orden verliehen“. Ja, das steht unter vielem Anderen auch wörtlich in meinem Lexikon, aber diese Citation erweckt unwillkürlich den Gedanken, als ob dasselbe vor Allem ein Verzeichniß der Decorirten wäre. Daß der ganze übrige und lange Artikel über Paul Taglioni mit allen anderen wenig gekannten Einzelheiten wörtlich meinem Lexikon entnommen ist, das wird nicht mit einer Silbe erwähnt.
Die anderen beliebten Formen, mich zu citiren, wenn zum Beispiel ein Geburts- oder Todesdatum nicht stimmt und mich dann die journalistische Weisheit eines Besseren belehrt, und viele andere komische Methoden will ich, um nicht zu weitläufig zu werden, lieber ad acta legen und mit jenem Touristen, der, wenn ihm etwas Absonderliches auf seinen Reisen vorkam, es in seinem Notizenbuch anmerkte, rufen: „Gut für mein Buch!“ Vielleicht ist es mir denn doch gegönnt, nach Beendigung meines Werkes auch die Geschichte desselben zu schreiben, welche immerhin ein curieuses Buch werden dürfte.
Und nun noch eine Bitte. In den letzten Jahren häufen sich wieder die brieflichen Anfragen, für deren Beantwortung oft eines Tages Arbeit nicht hinreicht, und nicht genug, man setzt mir die Pistole geradezu auf die Brust und legt eine Briefmarke bei: um mich zur Antwort zu zwingen. Nun aber ist die Briefmarke des einen [VI] Landes im anderen Lande ungiltig; ich muß also wenigstens die Briefmarke retourniren und dann für die Rücksendung einer Briefmarke zu fünf Kreuzern österreichischer Währung oder zehn Pfennigen Reichswährung eine bayrische Zehn-Pfennig-Marke verwenden. Ich werde also moralisch zu Brief und Ausgabe gezwungen. Ich finde einen solchen Vorgang unbillig und erlaube mir einen Ausweg vorzuschlagen. Also man frage immerhin an. Kann ich die an mich gestellte Frage beantworten, so geschieht es gewiß; kann ich es aber nicht, welcher Fall ja oft genug vorkommen mag, so zwinge man mich nicht durch Beischluß einer noch dazu unverwendbaren Briefmarke moralisch zur Antwort. Wenn ich nicht antworte, so geschieht es, weil ich nicht Bescheid weiß. Die Bearbeitung meines Lexikons, welche ich ganz allein, ohne Hilfe eines Anderen ausführe, ist mühevoll, zeitraubend und im Hinblicke auf meine vorgerückten Jahre und meinen leidenden Zustand, der sich mit den Jahren eben auch nicht bessert, vielmehr verschlimmert, sehr ermüdend und anstrengend. Ich bin immer froh, wenn ich die Feder weglegen darf, also man mache mich nicht noch zum Correspondenten wider meinen eigenen Willen und zum Cassier für Ausgaben, die ich nicht auf mein Budget nehmen mag.
Berchtesgaden, im Jänner 1884.