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BLKÖ:Wehle, Karl (Charles)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wehler, Albert
Band: 53 (1886), ab Seite: 241. (Quelle)
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Wehle, Karl oder, wie er gewöhnlich genannt erscheint, Charles (Claviervirtuos, geb. in Prag 17. März 1825, gest. in Paris 2. Juni 1883). Er zeigte in früher Jugend Talent, zur Musik und wurde deshalb im Alter von 7 Jahren in das Musikinstitut des J. Proksch [Bd. XXIV, S. 8] zum Unterricht im Pianospiel gegeben. Vier Jahre blieb er daselbst, dann kam er zur weiteren Ausbildung unter die Leitung Kisch’s und Todesco’s, unter welchen Beiden er ausgezeichnete Fortschritte machte. Nichtsdestoweniger bestimmten die Eltern den jungen Künstler für den Kaufmannsstand und schickten ihn, als er 14 Jahre alt war, zu diesem Zwecke auf die kaufmännische Schule in Leipzig. Dann kam er als Zögling in ein ähnliches Institut in Hamburg. Dort erkrankte er und mußte zur Erlangung seiner Gesundheit ins südliche Italien reisen; ein Zufall brachte ihn von Malta nach Marseille, wo er nun als kaufmännischer Gehilfe in ein Geschäft trat. Indessen vernachlässigte er nicht im geringsten seine musicalischen Studien und mit seiner Vervollkommnung in denselben wuchs sein Eifer und seine Vorliebe dafür; aber die Eltern blieben für diese Neigung des Sohnes taub, und er mußte sich ihrem Willen beugen. Das Jahr 1846 brachte ihn nach Paris, wo er wieder in einem Handlungsgeschäfte diente. Dort kam er mit mehreren jungen und talentvollen Leuten zusammen, die nichts weniger als seine Neigung für den Kaufmannsstand nährten, so daß er, als 1848 die Februar-Revolution ausbrach, die ganze Kaufmannschaft fahren ließ, [242] und als die Unruhen sich steigerten, mit noch einigen Collegen im Juni dieses Jahres nach London ging, wo er wohl einige Zeit als Commis in einem Geschäft diente, nebenbei aber Unterricht im Pianospiel ertheilte. In der Themsestadt, in welcher eben Thalberg concertirte, vertraute er demselben seine Absicht, sich ganz der Kunst zu widmen, an. Thalberg rieth ihm nun – da London für weitere musicalische Ausbildung der Boden nicht sei – dieselbe in Deutschland fortzusetzen, und gab ihm ein Empfehlungsschreiben an Moscheles [Bd. XIX, S. 116] in Leipzig mit. Als Wehle 1849 bei diesem Meister erschien, zählte er 23 Jahre; er bildete sich nun unter ihm weiter aus, während er bei Richter Unterricht in der Harmonielehre und im Contrapunkt nahm; 1850 ging er dann nach Berlin, wo er als Schüler Theodor Kullak’s zwei Jahre vornehmlich auf seine Ausbildung in der Technik des Clavierspiels verwendete. In diese Zeit fallen seine ersten Versuche in der Composition, und so schwach dieselben sind, so zeigen sie doch unverkennbar ein originales, wenngleich noch bildungsbedürftiges Talent. Von Berlin kehrte er nach Paris zurück, welches dem jungen Künstler ohnehin nicht mehr fremd war. 1853 gab er sein erstes Concert in der Seinestadt, und zwar mit günstigstem Erfolge, nun war das Eis gebrochen, auch erschienen bei Verlegern in Frankreich und Deutschland seine Compositionen im Druck. 1854 unternahm er seine erste Kunstreise durch Spanien nach Portugal, wo er in Lissabon und Oporto concertirte; 1856 sehen wir ihn wieder in Paris, wo er Concerte gab, und im Sommer 1857 ging er nach Irland, und von da nach Paris zurück, um daselbst den Winter über zu verbringen. 1858 besuchte er seine Heimat und rüstete sich im October dieses Jahres zu einer größeren Kunstreise nach Deutschland und Rußland, auf welcher er in Berlin, Königsberg, Posen, Riga, Dorpat, Reval, Petersburg und Moskau Concerte gab. In letzterer Stadt verweilte er längere Zeit und kehrte im Mai 1861 nach Prag zurück. Von da begab er sich im October desselben Jahres wieder nach Paris und nahm daselbst seitdem seinen ständigen Aufenthalt. Von der Seinestadt aus, in welcher er auch als Compositeur eine große Thätigkeit entfaltete, unternahm er von Zeit zu Zeit Kunstreisen und in Gemeinschaft mit dem Cellisten Kletzer eine größere, die er über Aegypten bis nach Indien ausdehnte, wo er längere Zeit verblieb. Von dieser Tour kehrte der Künstler 1871 nach Paris zurück, wo er im Alter von 58 Jahren starb. Wehle war ein fleißiger Componist, die Zahl seiner Opera, die meist in Paris verlegt sind, mag nahe an die hundert reichen. Es ist darin das ganze Genre der Salonmusik vom Impromptu bis zur Nocturne und Tarantella vertreten. Wir geben unten eine Uebersicht derselben, so weit wir von seinen Compositionen Kenntniß erhalten konnten. Hugo Riemann räumt Wehle’s Claviercompositionen ein, daß sie „brillant“ seien; Friedrich Bremer charakterisirt dieselben als „voll Originalität, Effect, Frische und glänzender Technik“.

Uebersicht der Compositionen von Charles Wehle. „Tarantella“. Op. 5. – „Pensee d’amour. Romance“. Op. 6. – „3 Mazurkas”. Op. 7. – „3 Bohèmiennes“. Op. 9. – „2 Impromptus. (Berceuse. Choeur de chasse)“. Op. 10. – „Ballade in G-m. Op. 11. – 1) Chanson napolitaine in H-moll. 2) Rayons et ombres in Es. 3) La plainte. Romance in As. Op. 12. – „Stammbuchblätter. (Ammenmärchen in F. Alma in Des. Zerstörtes Glück [243] in As. Styrienne in As. Sérénade in G-moll. Adieu in As“. Op. 13. – „Menuet de festin in Ass“. Op. 14. – „Notturno“. Op. 15. – „Barcarole en forme d’étude“. Op. 16. – „3 Bohémiennes“ 2ième suite (siehe Op. 9). Op. 17. – „2 Valses“, Op. 18. – „La fête de Noël (Musicalischer Weihnachtsbaum) cinq, esquisses caractéristiques: Dans l’église. L’enfant Jésus. St. Nicolas. Fête de Noël. Eia popeia, berceuse“. Op. 20. – „La pauvre mendiante“. Op. 22. – „Improvisation. Mélodie de Meyerbeer: Komm, du schönes Fischermädchen“. Op. 23. – „Allegro de Concert in G“. Op. 25. – „Galop di bravura“. Op. 26. – „Bachanale. Chanson à boire“. Op. 27. – „Fête bohémienne. Caprice“. Op. 28. – „2de grande Valse brillante“. Op. 29. – „Un songe à Vaucluse. Réverie-nocturne“. Op. 30. – „Sérénade napolitaine“. Op. 31. – „Fête danubienne. Rondo-Caprice“. Op. 32. – „Polacca“. Op. 35. – „Mignon regrettant la Patrie. 2 Mélodies. No. 1: Regrets; No. 2; Aspiration“. Op. 36. – „Marche cosaque“. Op. 37. – „Grande Sonate in C-moll. Op. 38. – „Troisième Nocturne“ (siehe Op. 15, 48, 53, 61). Op. 39. – „Impromptu Styrien“. Op. 40. – „Allemande. Morceau de Salon“. Op. 41. – „Mazurka brillante“. Op. 42. – „Sérénade“. Op. 43. – „Dans un Salon. Andantino“. Op. 47. – „Nocturne. Barcarole“. Op. 48. – „Canzonetta, No. 1“. Op. 52. – „Nocturne, No. 4“ (siehe Op. 15 und 48). Op. 53. – „Allemande“. Op. 54. – „Große Polonaise“. Op. 55. – „Tarantelle“ (siehe Op. 5). Op. 56. – „Un Songe de Venise. Rêverie“. Op. 57. – „Sonate in D-moll“. Op. 58. – „Souvenir d’un bal. Caprice“. Op. 59. – „Marche tartare“. Op. 60. – „Nocturne, No. 5“ (siehe Op. 15, 48, 53). Op. 61. – „Canzonetta, No. 2“ (siehe Op. 52). Op. 62. – „Impromptu“ (siehe Op. 10). Op. 73. – „Ballade et Nocturne“. Op. 79. – „Allegro à la Hongroise“. Op. 81.
Dalibor. Hudební časopis, d. i. Dalibor. Musik-Zeitschrift. Redigirt von Em. Melis (Prag, 4°.) IV. Jahrg. 1861, Nr. 23: „Charles Wehle“. – Prager Morgenpost (Localblatt) 1838, Nr. 186. – Riemann (Hugo). Musik-Lexikon. Theorie und Geschichte der Musik, die Tonkünstler alter und neuer Zeit mit Angabe ihrer Werke u. s. w. Leipzig 1882, bibliogr. Institut, 8°.) S. 1004. – Bremer (Friedrich). Handlexikon der Musik. Eine Encyklopädie[WS 1] der ganzen Tonkunst (Leipzig 1882, Reclam jun., 16°.) S. 771. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Offenbach 1861, André, gr. 8°.) Nachtrag, S. 350. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1883, Nr. 6744, Morgenblatt, S. 13 a. – Schwäbischer Merkur, 1883, S. 1003 a. – Allgemeine Zeitung (München, 4°.) 1883, S. 2429 b.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Encyklopedie.