BLKÖ:Werner, Franz von (Dichter)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 55 (1887), ab Seite: 49. (Quelle)
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Werner, Franz von (dramatischer Dichter, geb. in Wien am 30. Mai 1836, gest. im Haag am 14. September 1881). Der Sohn eines Gutsbesitzers in Croatien, nahm er später in türkischen Diensten den Namen Murad Efendi an, unter dem er auch als Poet und Diplomat bekannt wurde. Ueber seine [50] Jugendgeschichte und seinen ersten Bildungsgang sind nur ungenaue und lückenhafte Nachrichten vorhanden. Er habe, heißt es, früh österreichische Kriegsdienste genommen und sei während des Krimkrieges (1854/56) Officier in einem österreichischen Huszaren-Regiments gewesen, dann aber in die türkische Armee übergetreten. Nach Anderen wäre er bereits 1853 in türkischen Kriegsdiensten gestanden und hätte in diesen den Krimkrieg mitgemacht. Nach beendigtem Kriege kam er 1856 im ottomanischen Ministerium des Auswärtigen in Verwendung und wurde, da er sich besonders befähigt erwies, dem Großvezier Mehemed Pascha beigegeben und mit verschiedenen Missionen, so 1859 nach Bukarest und 1860 nach Palermo, betraut. 1864 zum ottomanischen Consul für Temesvár ernannt, versah er diesen Posten durch ein Decennium und ging 1873 als Generalconsul nach Venedig und schon nächstfolgenden Jahres in gleicher Eigenschaft nach Dresden. Daselbst 1876 zum Botschaftsrath in Paris designirt, trat er jedoch diese Stellung nicht an, ward aber Anfangs 1877 von dem ihm besonders wohlwollenden Großvezier Edhem Pascha in dessen Cabinet berufen und noch im Sommer dieses Jahres zum Gesandten für Schweden und für die Niederlande im Haag berufen. Dort starb er mitten in einer glänzenden Laufbahn in der Vollkraft seines Lebens, erst 45 Jahre alt. Als Schriftsteller machte er sich frühzeitig bekannt, denn seine ersten lyrischen Gedichte gab er unter dem Titel „Klänge aus dem Osten“ bereits im Jahre 1859 heraus; nach Anderen wäre diese Sammlung erst 1865 oder gar erst 1869 erschienen. Derselben folgte eine zweite Sammlung: „Durch Thüringen“ (Selbstverlag 1870). Die Muße seines Temesvárer Consulardienstes benützte er besonders zu dramatischen Arbeiten, zu denen er sich überhaupt am meisten hingezogen fühlte. 1772 brachte er auf dem Wiener Burgtheater sein erstes Stück: „Selim III., Trauerspiel in 5 Acten“ mit Erfolg zur Aufführung; dasselbe erschien auch als Buch bei Rosner in Wien 1872 und später in der Reclam’schen „Universalbibliothek“ unter Nr. 657. Diesem Stücke folgten bald mehrere, welche er dann gesammelt als „Dramatische Werke“ in drei Bänden (Leipzig 1861, Weigel, 8°.) erscheinen ließ. Der erste enthält außer dem genannten „Selim III.“ noch die Stücke: „Marino Faliero“ (1871), aufgeführt in Dresden und Leipzig; – „Auf dem Kreuzhof“; der zweite Band: „Mirabeau“ (1875); – „Durch die Vase“ (1875); – „Bogodil“ (1874); – „Johanna Gray“; der dritte Band: „Professors Brautfahrt“ (1874); – „Mit dem Strom“ (1874); – „Ines de Castro“ (1872). Außer diesen dramatischen Arbeiten veröffentlichte Werner noch: „Türkische Skizzen“, zwei Bände (Leipzig 1876, Alph. Dürr; 2. Aufl. 1878); – „Nasreddin Chodja. Ein osmanischer Eulenspiegel“ (3. Auflage, Oldenburg 1878, Schulze); – „Ost und West. Gedichte“ (ebd. 1878, Schulze, 8°.); – „Festgruss zum 25jährigen Regierungsjubiläum des Grossherzogs von Oldenburg“ (ebd. 1878) und „Balladen und Bilder“ (ebd. 1878, 8°.)..Sonst kennen wir noch das einactige Lustspiel „Ein Roman“. Ein dramatisches Werk mit dem geheimnißvollen Titel: „Auf dem – Hof“ ist nur im vertrautesten Freundeskreise des Poeten, der es demselben vorgelesen, bekannt geworden. Sein „Selim III.“ ist, von Professor Jonckbloet ins Holländische übersetzt, bei Brill in Leyden [51] im Druck erschienen, und sollte demselben auch die Uebersetzung des „Marino Faliero“ folgen. Mit Werner ging ein noch nicht völlig abgeklärtes vielversprechendes dichterisches Talent zu Grabe. Er hätte sicher noch Vieles und Schönes geschaffen. So lange er lebte, verhalf ihm seine Stellung zu Erfolgen, die er unter anderen Umständen kaum erreicht haben würde. Heute ist er beinahe schon vergessen. Der Dichter besaß auch ein großartiges Vorlesetalent, und während er den Botschafterposten in Schweden versah, gewann er die besondere Zuneigung des Königs Oskar, der, wie bekannt, selbst schaffender Poet ist. Er wurde vielfach ausgezeichnet: österreichischerseits besaß er den Franz Joseph- und den Orden der eisernen Krone; außerdem Decorationen von Schweden, der Türkei, Persien, Sachsen-Weimar und Oldenburg; die Medaillen für Kunst und Wissenschaft von Schweden, Sachsen-Weimar, Oldenburg und Coburg-Gotha, und der König von Holland ließ eigens für ihn eine große goldene Medaille prägen, welche auf einer Seite des Königs Bildniß weist, auf der anderen eine lateinische Inschrift, welche besagt, daß sie als Andenken der Kunst und Wissenschaft für Murad Effendi geprägt sei. Werner war mit der ehemaligen Schauspielerin Henriette Ebell, welche in Gratz und Frankfurt a. M. das Fach der tragischen Liebhaberinen spielte, vermält, und sind aus dieser Ehe zwei Söhne vorhanden, welche im Benedictinerstift Kremsmünster in Oberösterreich erzogen werden. Schließlich sei noch bemerkt, daß sich Werner des Namens Murad Efendi nicht etwa als eines Pseudonyms bediente, sondern denselben bei seinem Uebertritte in türkische Dienste zum Familiennamen machte, so zwar, daß seine Gattin auf dem Partezettel als Henriette Murad-Efendi den Tod ihres Mannes anzeigt und auch nicht in einer Klammer auf seinen Familiennamen Werner hinweist. Jedoch wechselte er mit seinem Uebertritt in türkische Dienste nicht auch seine Religion, sondern blieb katholisch.

Brümmer (Franz). Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Unter besonderer Berücksichtigung der Gegenwart (Eichstädt und Stuttgart 1877, Krüll, schm. 4°.) Bd. II, S. 79. – Derselbe. Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig, Reclam jun., 32°.) S. 75. – Wiener illustrirtes Extrablatt, 1872, 24. Mai im Feuilleton: „Ein Wiener Türk“. – Magazin für Literatur des Auslandes. Herausgegeben von J. Lehmann (Berlin, kl. Fol.) 1880, Nr. 34 in der „Kleinen Rundschau“. – Bornmüller (Fr.). Biographisches Schriftsteller-Lexikon der Gegenwart. Die bekanntesten Zeitgenossen auf dem Gebiete der Nationalliteratur aller Völker mit Angabe ihrer Werke (Leipzig 1882, Verlag des bibliogr. Instituts, br. 12°.) S. 517. – Illustrirtes Musik- und Theaterjournal 1876, S. 1149.
Porträt. Dasselbe befindet sich in photographischer Nachbildung als Titelbild vor seiner Gedichtesammlung „Ost und West“.