BLKÖ:Werner, Franz (Theolog)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wernekingh, Joseph
Band: 55 (1887), ab Seite: 46. (Quelle)
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Werner, Franz (gelehrter Theolog, geb. zu St. Pölten in Niederösterreich am 26. October 1810, gest. daselbst am 17. Februar Morgens 1866). Sein Vater, Schornsteinfegermeister seines Zeichens, war ein wohlhabender und angesehener Bürger in St. Pölten. Die Mutter Thekla heiratete nach dem Tode ihres Mannes des Geschäftes wegen zum zweiten Male, und zwar einen Italiener Conti, dessen lebendige und leicht reizbare Gemüthsbeschaffenheit auf den Knaben nicht ohne Einfluß geblieben sein mag. Die Studien machte Werner am Gymnasium zu Melk, dann an der Universität in Wien, und betrieb die alten Classiker, vornehmlich Lateiner und Griechen, mit Vorliebe. Mit Joseph Schmonn, damals Professor im Seminar zu St. Pölten, später Pfarrer in Böheimkirchen, zuletzt Consistorialkanzler am Domcapitel zu St. Pölten, und mit Franz Xaver Schmiedinger, zuletzt Dechant zu Gresten, schloß er Freundschaftsbande, welche nur der Tod löste. 1834 empfing er die Priesterweihe und trat zunächst als Cooperator zu Tulln in die Seelsorge. Während er sich mittlerweile für das theologische Doctorat vorbereitete, [47] ward er in das höhere weltpriesterliche Bildungsinstitut zum heiligen Augustin in Wien gesendet, wo Ludwig Haynald [Bd. XI, S. 425], Spiridion Litwinowicz [Bd. XV, S. 296] und Jacob Stepischnegg [Bd. XXXVIII, S. 225] seine Collegen waren. Zum Doctor promovirt, wurde er nach kurzer Verwendung als Cooperator an der Stadtpfarre zu Krems zum Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechtes in St. Pölten berufen, in welcher Stellung er vierzehn Jahre (1838–1852) verblieb. Auf einer in dieser Zeit unternommenen Reise an die katholischen Universitäten Deutschlands lernte er Görres, Möhler, Hirscher, Staudenmayer, Hefele, Mayer und Andere persönlich kennen, wodurch er seinen kirchlichen Sinn erhöhte und stärkte. Mit der Bewegung des Jahres 1848 trat auch ein Umschwung in den kirchlichen Verhältnissen Oesterreichs, ein, und Werner blieb daher nicht ein müßiger Zuseher. Zunächst bewarb er sich um das Mandat eines Deputirten ins Frankfurter Parlament und wurde auch als solcher zu Melk gewählt. Doch spielte er dort keine hervorragende Rolle und zog, als nach der Kaiserwahl das Frankfurter Parlament nach Stuttgart übersiedelte, sich in seine österreichische Heimat zurück. 1852 wurde er zum Canonicus an der Kathedrale zu St. Pölten ernannt, nachdem ihm schon früher die Direction des Clericalseminars übertragen worden war. Für diesen mit seinem ganzen Wesen nicht zusammenstimmenden Posten erwies er sich um so weniger geeignet, als gerade das Bewegungsjahr 1848, in welchem er denselben versah, einen thatkräftigen Mann als Seminardirector verlangte, der er bei allen sonstigen trefflichen Eigenschaften, die er besaß, durchaus nicht war. Nach vier Jahren legte er die Directoratsgeschäfte nieder und widmete sich fortan einfach der Wissenschaft und den canonistischen Arbeiten, welche Bischof Feigerle ihm übertrug. Dazu gehörten die Vorarbeiten für die bischöfliche Versammlung zu Wien, die Abfassung der Capitelstatuten, die Organisirung der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Ehesachen für die Diöcese St. Pölten, die Referate für das bischöfliche Consistorium in seiner Eigenschaft zuerst als Vicepräses, dann als Präses des bischöflichen Ehegerichtes. Innerhalb neun Jahre rückte er zur ersten Dignität im Capitel, zum Dompropste, vor, und war er der erste kraft des Concordates vom heiligen Vater ernannte Dompropst. Als Bischof Feigerle 1863 starb und die Wahl des Capitel-Generalvicars während der Sedisvacanz auf einen Anderen fiel, während er als erste Dignität und erste geistige Capacität im Capitel vor Allen das Anrecht darauf hatte, verbarg er wohl die gerechte Verstimmung, die er darüber empfand, zog sich aber von nun an von allem öffentlichen Wirken zurück und behielt nur das Prodirectorat über die theologische Lehranstalt und das Ehegerichtspräsidium bei. In den letzten Jahren steigerte sich seine Kränklichkeit; noch las er am 23. October 1864, wenngleich mit sichtlicher Anstrengung, das feierliche Requiem für den verstorbenen Bischof Wagner. Seitdem verrichtete er keine kirchliche Handlung mehr und hauchte nach schwerem Leiden, 56 Jahre alt, seine Seele aus. In seiner gelehrten Stellung als Professor war Werner auch schriftstellerisch thätig, doch zeichnen seine wissenschaftlichen Leistungen sich weniger durch Umfang und Großartigkeit als durch Gründlichkeit, aus. Er schrieb, von dem Zwange der Censur gedrückt, [48] unter dem Schleier der Pseudonymität unter dem Namen Myletor die theologisch-philosophische Schrift: „Der Hermesianismus vorzugsweise von seiner dogmatischen Seite dargestellt und beleuchtet in Briefen zweier theologischer Freunde“ (Regensburg 1845, Manz), und zeigt in dieser Schrift, worin eigentlich die einzelnen der vom heiligen Stuhle gerügten Irrthümer des Hermes bestehen, und gibt eine vollständige Rechtfertigung des päpstlichen Verdammungsdecretes in doctrineller Beziehung, wie sie vor ihm Niemand versuchte. In der Seitz’schen „Zeitschrift für Kirchenrechts- und Pastoralwissenschaft“ veröffentlichte er folgende Aufsätze über die Ehe: „Die Auflöslichkeit einer ursprünglich ungemischt nicht christlichen, später aber durch die Bekehrung, Eines Gatten gemischt gewordenen Ehe, im Falle das eheliche Zusammenleben wegen des christlichen Bekenntnisses durch den ungläubig gebliebenen Ehetheil aufgehoben worden, aus der kirchlichen Tradition nachgewiesen“ [1843, Bd. II, 1. Heft, S. 3 u. f.]; – „Dogmatisch-speculative Darstellung des Begriffes der Unauflöslichkeit der Ehe nach katholischen Lehrentscheidungen und kirchlicher Praxis“ [ebd., S. 49 u. f.]; – „Exegetischer Versuch über Matthäus XIX, 9 und V, 32–34. Ein Beitrag zum Beweise, daß die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe der Bibel nicht widerstreitet“ [1843, Bd. II, Heft 3, S. 135 u. f.)]; gegen die zwei letzteren Aufsätze erhob sich nun Professor Schleyer im Breisgau in der theologischen „Freiburger Zeitschrift“ [1844, 1. Heft] und griff unseren Gelehrten mit leidenschaftlicher Bitterkeit an, zu der Ansicht sich versteigend: aus Liebe zur Orthodoxie sei Werner, ohne es zu wissen, heterodox geworden; daß nach dessen Scheidungsprincipe mehr Ehen aufgelöst werden könnten, als dies nur nach dem laxesten protestantischen möglich wäre; daß Werner’s Ansicht mit der des Rationalisten Dr. Paulus zu Heidelberg, im Grunde genommen, auf dasselbe Resultat hinauslaufe, Ersterer also den Protestanten in die Hände arbeite; daß er (Schleyer) dem ganzen katholischen Deutschland es als eine merkwürdige Erscheinung signalisire, daß ein katholischer Professor an einer bischöflichen Lehranstalt in Oesterreich sich so zu lehren unterfangen könne“. So lange Schleyer’s Angriff beschränkt blieb auf das Blatt, worin derselbe erschienen war, glaubte Werner nicht erwidern zu sollen, als aber der betreffende Aufsatz in unverändertem Separatdruck herauskam, konnte Schweigen als Zeichen der Schwäche gelten, und so veröffentlichte er die Schrift: „Ueber den neutestamentlichen Ehetrennungsgrund bei Matthäus 5, 32 und 19, 9 und bei Paulus 1. (Cor. 7, 12–16. Eine exegetische Untersuchung in einem offenen Sendschreiben an Herrn Professor Dr. Schleyer in Freiburg im Breisgau“ (Regensburg 1845, Manz), womit sich Professor Schleyer freilich nicht zufrieden gab, aber doch zufrieden geben mußte und schwieg. Treffend aber bemerkt Dr. Werner in dieser seiner Rechtfertigungsschrift: „Mehrmal wurde im außerösterreichischen katholischen Deutschland schon Klage geführt, daß der Clerus der großen Monarchie so wenig an den wissenschaftlichen theologischen Bestrebungen der neuesten Zeit sich betheilige. Fragen Sie sich aber, ob Ihr Verfahren geeignet ist, jüngere Männer in meinem Vaterlande aufzumuntern, in die Oeffentlichkeit hervorzutreten.“ Noch einmal, und zwar in seiner Recension einer Abhandlung des Weihbischofs [49] von Ermeland Dr. Anton Frenzel, kam Werner auf seinen eben angeführten Aufsatz über die Ehe zurück [vergleiche „Oesterreichische Vierteljahrschrift für katholische Theologie“ 1864, Heft 3, S. 461]. Von seinen Arbeiten erwähnen wir noch: in der Seitz’schen Zeitschrift: „Erläuternde Bemerkungen zu dem Decrete des Concils von Trient sess. 24, c. 16 de ref. Die Aufstellung eines Capitularvicars betreffend“ [Bd. II, Heft 3, S. 279 u. f.]; ferner eine kleine Brochure: „Ueber den kirchlichen Ablass und die Bedingungen seiner Wirksamkeit“ (St. Pölten 1856, Passy und Sydy); auch lieferte er für das „Freiburger Kirchenlexikon“ mehrere Artikel, so: „Oesterreich“, „Bisthum St. Pölten“, „Wiener-Neustadt“ u. a.; für die „Katholischen Blätter aus Tirol“: „Ueber die Vortheile der Einführung des kirchlichen Meßgebetbuches als eines gemeinsamen unter das gläubige Volk“ [1843]; – „Ueber Dogmengeschichte“ [1844]; in der von Scheiner und Häusle herausgegebenen „Zeitschrift für die gesammte Theologie“: „Ueber die abyssinische Kirche“; – „Ueber den römischen Episkopat“ (gegen Dr. Otto); in der „Oesterreichischen Vierteljahrschrift“ u. s. w: „Ueber die Reise Pauli nach Spanien und dessen zweite römische Gefangenschaft“ [1863, 3. Heft; 1864, 1. Heft]; in der Linzer Diöcesan-Zeitschrift „Hippolytus“: „Ueber das alte Lorch“; – „Die Geschichte des Domcapitels“ u. m. a. Damit wäre wohl die wissenschaftliche Thätigkeit Werner’s, wenn gerade nicht erschöpft, so doch in ihren Hauptzügen angedeutet. Eine Würdigung seiner kirchlichen, scientifischen und politischen Gesinnung in seiner früheren und späteren Lebensperiode, seine Opposition gegen die Josephinische Geistesrichtung, seine Eigenart im Leben und Handeln böte noch reichen Stoff zur Schilderung, fällt aber außerhalb des Rahmens einer biographischen Skizze für dieses Werk. Doch kann in dieser Beziehung auf die prächtige in den Quellen genannte Studie Dr. Kerschbaumer’s gewiesen werden, der Werner schildert, wie derselbe war, und seine Skizze mit den Worten schließt: „Man hört öfter klagen, daß es heutzutage keine Männer – keine Originale mehr gebe! Nun – an Franz Werner hat man einen originellen Mann zu Grabe getragen – freilich war er nur ein bescheidener Oesterreicher – in einer bescheidenen Provincialstadt. Zum Universalerben seines nicht bedeutenden Vermögens hat er das St. Pöltener bischöfliche Alumnat eingesetzt. Die Bibliothek, welche alle Zweige des Wissens umfaßte, war ein sehr werthvoller Schatz.“ Die „Oesterreichische Vierteljahrschrift für katholische Theologie“ nennt unter den Mitwirkenden bis zum ersten Vierteljahr 1866 neben J. A. Ginzel und Dr. J. Scheiner als Dritten den Dompropst Franz Werner.

Oesterreichische Vierteljahrschrift für katholische Theologie. Unter Mitwirkung der Herren Dr. J. A. Ginzel, Dr. J. Scheiner, Dr. F. Werner herausgegeben von Dr. Theodor Wiedemann (Wien, 8°.) V. Jahrg, 1866, S. 325–340: „Dr. Franz Xaver Werner. Eine Lebensskizze von Dr. A. Kerschbaumer“.