BLKÖ:Wickede, Wilhelm von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Wichodil, Anna
Nächster>>>
Wickede, Julius von
Band: 55 (1887), ab Seite: 218. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm von Wickede in der Wikipedia
Wilhelm von Wickede in Wikidata
GND-Eintrag: 129221171, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wickede, Wilhelm von|55|218|}}

Wickede, Wilhelm von (Vice-Admiral der deutschen Flotte, geb. zu Güstrov am 10. December 1830). Der Sproß eines alten westphälischen Adelsgeschtechtes, welches aber seit dem vierzehnten Jahrhunderte auch in Mecklenburg und Lübeck ansässig ist und zur Zeit in zwei Linien, der Oberhöfer mit zwei und der Tolziener mit fünf Zweigen, in zahlreicher Nachkommenschaft blüht. Unser Vice-Admiral gehört zum zweiten Zweige der Tolziener Linie und hat noch acht Geschwister. Sein Vater war Landdrost in Rostock, die [219] Mutter eine geborene Freiin von Beulwitz aus Heidelberg. Wilhelm besuchte bis zu seinem 16. Jahre das Gymnasium seiner Vaterstadt, zeigte aber von frühauf große Vorliebe für das Seeleben, welche sich vornehmlich darin äußerte, daß er alle seine Mußestunden in dem sehr belebten Rostocker Hafen zubrachte, viel mit den alten damaligen Mecklenburgischen Seeleuten verkehrte und seine größte Freude in Bootsfahrten auf der Warnow oder kleinen Küstenfahrten an der Ostsee fand. Damals, in den Vierziger-Jahren, dachte man noch gar nicht an eine deutsche Kriegsflotte, einen jungen Edelmann als Kauffahrteicapitän die Meere durchschiffen zu lassen, wollte auch den Eltern nicht recht passen, und überdies hatte der Vater seinen Sohn für den Officiersdienst in der preußischen Artillerie ausersehen. Unter solchen Umständen waren die Aussichten des Jünglings für den Seedienst sehr geringe, und man suchte im Elternhause diese Vorliebe für denselben eher zu unterdrücken denn zu fördern. Doch der Sohn gab mit seinen Bitten nicht nach, und so brachte ihn denn der Vater, wenngleich mit Widerstreben, nach dessen Confirmation im Frühling 1846 als Schiffsjunge auf eine Barke der damaligen Godefroy’schen Paquetschifffahrt von Hamburg nach New-York unter. Dabei hatte der Vater es ausdrücklich ausgemacht, daß der Sohn ganz wie ein gewöhnlicher Schiffsjunge behandelt werde, weil er noch immer die Hoffnung hegte, derselbe werde in kurzer Zeit diese Laufbahn von selbst aufgeben, sobald er die harten und vielen Entbehrungen des Seemannsberufes in ihrer wahren Gestalt kennen lerne. Und dann war es ja noch immer Zeit, ihn in die preußische Artillerie eintreten zu lassen. So mußte denn Wilhelm als Schiffsjunge mit den gemeinen Matrosen Kost und Logis theilen. Obwohl von Statur klein, aber für sein Alter ungewöhnlich kräftig entwickelt und gewandt und schon durch seine oben erwähnten seemännischen Vergnügungen zum guten Theile abgehärtet, ließ er sich durch des Vaters Anordnung nicht nur nicht abschrecken, sondern gewann im Gegentheil das zwar rauhe, aber frische und stets wechselnde Seemannsleben immer lieber und machte als Schiffsjunge und später als Leichtmatrose wiederholt Reisen von Hamburg nach Amerika auf Godefroy’schen Segelschiffen. So lernte er das Seemannsleben von der Pike auf kennen und wußte genau, was und wie viel der Matrose zu leisten im Stande sei. Als dann bei Ausbruch des dänisch-deutschen Krieges im Sommer 1848 die Elbe bloquirt und die Hamburger Schifffahrt gehemmt wurde, verließ er sein Kauffahrteischiff und wurde als Seejunker und Untersteuermann auf einem der kleinen Kanonenboote angestellt, welche die damalige schleswig-holsteinische Regierung zunächst zur Vertheidigung des Kieler Hafens ausgerüstet hatte. In seiner Stellung diente er drei Jahre und machte auch ein nicht eben bedeutendes Gefecht gegen dänische Kriegsschiffe mit. Nachdem die Herzogthümer Schleswig-Holstein durch die Ränke der Diplomatie, vornehmlich durch russische Einmischung wieder unter die dänische Gewaltherrschaft gestellt worden, wollte Wickede neuerdings zur Kauffahrteiflotte zurückkehren und hatte bereits eine Stelle als Untersteuermann auf einem Ostindienfahrer angenommen. In dieser Zeit aber, 1851, wünschte die österreichische Regierung, welche die italienische Bemannung ihrer Flotte in den Kriegsjahren 1848 und 1849 als sehr unzuverlässig fand, [220] sich mit deutschen Officieren für ihre Flotte zu versehen und suchte besonders junge Hannoveraner, Mecklenburger und Holsteiner höherer Stände zum Eintritte zu bewegen. Damals wurde auch der junge Wickede durch Vermittlung des österreichischen Gesandten in Mecklenburg als Seecadet für Seiner Majestät Kriegsmarine gewonnen, er mußte sein Officiersexamen in italienischer Sprache machen und erhielt dann 1852 das Officierspatent. Als Lieutenant anfänglich längere Zeit in Venedig stationirt, erwarb er sich bald einen geachteten Namen und erbot sich 1859, als die französische Kriegsflotte Venedig bloquirte, mit noch vier freiwilligen Matrosen, einen kleinen, mit Schießbaumwolle beladenen Brander in dunkler Nacht an das französische Admiralschiff anzuhängen und dieses damit in die Luft zu sprengen. Das Schifflein lief auch wirklich aus, ward aber von der heftigen Bora erfaßt und umgeworfen, und Wickede konnte sich mit seinen Matrosen nur mit äußerster Noth durch Schwimmen an das Ufer retten. Später war er mehrere Jahre Ordonnanzofficier des Erzherzogs Max, damaligen Oberbefehlshabers der österreichischen Flotte. Als derselbe Kaiser von Mexiko geworden, gedachte er seines Ordonnanzofficiers mit besonderer Wärme und sandte ihm seinen mexikanischen Orden und noch andere Erinnerungszeichen. In der Folge commandirte Wickede mehrere Jahre ein österreichisches Kanonenboot, das zu Vermessungsarbeiten und zur Verfolgung der griechischen Seeräuber im griechischen Archipel stationirt war. In der siegreichen Schlacht bei Lissa, 20. Juli 1866, nahm er als Commandant des Kanonenbootes erster Classe „Dalmat“ rühmlichen Antheil an derselben und wurde mit dem Orden der eisernen Krone dritter Classe mit Kriegsdecoration ausgezeichnet. Siebzehn Jahre stand er bereits in Seiner Majestät Kriegsmarine in Diensten, als die Gründung einer deutschen Kriegsflotte ihn und noch mehrere Norddeutsche bestimmte, den österreichischen Kriegsdienst zur See mit dem deutschen zu vertauschen, und so trat er 1867 mit seinem österreichischen Rang und seinen Anciennetätsverhältnissen in die Kriegsflotte Deutschlands ein. Er befehligte hier zuerst die Segelbrigg für die Schiffsjungen „Musquito“, wurde 1870 während des Krieges mit Frankreich erster Officier auf der Panzerfregatté „König Wilhelm“, dem größten Schiffe der Flotte, später Commandant des Seecadetenschiffs „Niobe“, machte dann mit der Fregatte „Elisabeth“ eine zweijährige Reise um die Welt und befehligte mit dem Range eines Commodore das deutsche Geschwader, welches 1878 nach Nicaragua gesandt wurde, um von der dortigen Regierung Genugthuung zu verlangen. Später zum Contre- und darauf zum Vice-Admiral befördert, war er mehrere Jahre erster Commandant der Ostseestation der deutschen Kriegsflotte zu Kiel. Als solcher arbeitete er auf Anordnung des damaligen Marineministers von Stosch den ersten Entwurf für die deutsche Seetaktik aus und commandirte alljährlich die größeren Manoeuvres der Panzerschiffe, Fregatten und Torpedos in der Ost- und Nordsee. Vice-Admiral von Wickede war dafür bekannt, daß er sich bei seinen Manoeuvres absichtlich Sturm und Unwetter aussuchte, da seiner Ansicht nach eine tüchtige Kriegsflotte bei jedem Wetter und nicht bloß bei Sonnenschein auf der ruhigen Rhede manoeuvriren müsse. Wie er für sich selbst keine Schonung [221] kannte, stellte er, dabei aber ein ebenso humaner als gerechter Vorgesetzter, auch an seine Officiere und Matrosen im Dienste die höchsten Anforderungen. Auf der Flotte galt er als Hauptvertreter der seemännischen Ausbildung der Officiere und der Mannschaft und stand, wie es scheint, im Gegensatze zu den Ansichten des gegenwärtigen Marinecommandos, das dem strammen Exerciren der Bemannung der Kriegsflotte erhöhte Bedeutung beimißt und von den Matrosen verlangt, daß sie einen ebenso glatten Parademarsch ausführen wie die Gardegrenadiere. Auch gilt er als Gegner der allzu großen Bedeutung der Torpedos, denen er zwar die höchste Wichtigkeit für die Küsten- und Hafenvertheidigung, dagegen eine sehr beschränkte für die Seeschlacht auf offenem Meere zugesteht. Mit diesen sachlichen Differenzen brachte man die vor Kurzem – Mai 1887 – erfolgte Zur-Dispositionsstellung des Vice-Admirals, welche einige Zeit in der Presse auf der Tagesordnung stand und zu allerlei Combinationen und Gerüchten Veranlassung gab, in Verbindung. Vorderhand ist nur Eines Thatsache, der Vice-Admiral, der zur Zeit noch im kräftigen Mannesalter von 57 Jahren steht, hat wegen zeitweilig sehr geschwächter Gesundheit – ob die Ursachen dieser Schwächung physischer oder politischer Natur sind, wird nicht angegeben – selbst darum angesucht, zur Disposition gestellt zu werden. Wilhelm von Wickede ist mit Elly geborenen Aschersleben, verwitweten Hauptmann Czyka vermält.

(Münchener) Allgemeine Zeitung vom 1. Juni 1887, Beilage Nr. 150, S. 2195: „Vice-Admiral von Wickede“.